Alt-Eggenberg – die „Bissgurn“ in der Georgigasse

Zum Schnapsen trifft sich Hans Schullitsch regelmäßig im Wirtshaus: „50 Cent das Bummerl.“ | Foto: geopho.com
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  • Zum Schnapsen trifft sich Hans Schullitsch regelmäßig im Wirtshaus: „50 Cent das Bummerl.“
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Vom Schönau- bis ins Univiertel, von Gösting bis zur Eisteichsiedlung, so bunt wie seine Grätzel sind auch seine Bewohner von Graz. Grund genug, in unserer neuen Serie „Mein Graz“ ganz ins Lebensgefühl der Murmetropole einzutauchen und gemeinsam mit einem Grazer sein Grätzel, sein ganz besonderes Stück Heimat zu erfahren.
Nach dem Kaiser-Josef-Platz in der vergangenen WOCHE schauen wir heute in den Grazer Westen, nach Alt-Eggenberg, wo wir mit dem „Original“ Hans Schullitsch bei einer Mischung im Wirtshaus „Roschitz“ in der Georgigasse tief in die Eggenberger Seele blicken.

Arbeiten
„Eggenberg war immer schon ein Arbeiterbezirk“, erklärt der 84-jährige ehemalige Korbflechter, der sein ganzes Leben in der Georgigasse verbracht hat. „In Eggenberg musst du ein Roter sein, das war Pflicht“, erinnert er sich grinsend zurück, „so viel Fahnen mit Hammer und Sichel, wie nach dem Krieg, hab ich überhaupt noch nicht gesehen. Als die Russen weg waren, sind die Fahnen der Sozialisten mit dem Kreis und den drei Pfeilen gekommen.“

Spazieren
Heute sind die Zeiten freilich andere, es sei viel schwieriger für die Jugend, Arbeit zu finden. „Mein Enkerl findet einfach keine Lehrstelle, über 30 Bewerbungen hat er schon geschrieben“, zeigt sich der stolze Großvater fassungslos, „da ist es schwierig, ein Roter zu bleiben.“ Mit seinen zwei Enkeln ist er auch öfters in „seinem“ Eggenberg unterwegs. „Wir haben hier einen wunderbar lebenswerten Bezirk. Man ist sofort im Grünen, und in der Stadt ist man auch gleich“, schwärmt er. „Außerdem haben wir das Prachtstück Schloss Eggenberg und die Auster. Auch den Gemüsemarkt gibt es schon lang. Und ich geh mit meinen Enkerln gern Eis essen, zum Italiener, gegenüber der Remise.“

Vertragen
Was Hans Schullitsch nicht mag, sind Fanatiker. „Ob rot oder schwarz, in der Politik oder im Fußball, Fanatiker brauch ich nicht“, gerät der ehemalige Vorsitzende des Eggenberger Schachclubs ins Grübeln, auch über das Thema Asyl. „Wissen Sie, die Jungen verstehen sich eh. Mein jüngerer Enkel zum Beispiel, der ging so wie ich in die Algersdorfer Schule. Nicht so wie damals, hatten sie nur zwei Österreicher in der Klasse. Und er hat immer seine Freunde mitgebracht, Afghanen, Tschetschenen, Ungarn, was weiß ich woher. Aber egal, ob schwarz oder weiß, oder mit Turban, die haben sich immer alle verstanden“, erzählt er. Als er dann nachdenklich an seiner Mischung nippt, mischt sich vom Nebentisch eine ältere Dame ein: „Hans, was erzählst denn da?“ Die spitzbübische Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Von den alten Weibern in Eggenberg, erzähl ich. Dass sie alle Bissgurnen sind, dass man sich in Acht nehmen muss. Vor allem ab neun Uhr muss man in der Georgigasse vorsichtig sein, denn da reiten die alten Weiber mit ihren Birkenbesen durch die Gegend“.

Eggenberg Fakten

Im 14. Bezirk lebten am 1. Juli 2015 19.785 Menschen (Dichte: 2.540 Einwohner/km2)
Der Name geht auf das Schloss Eggenberg und dessen Gründungsfamilie zurück, die ihre Residenz im Jahr 1625 erbaute.
Die Ortsgemeinde Eggenberg wurde 1850 gebildet. Sie war unterteilt in die Katastralgemeinden Algersdorf, Baierdorf und Wetzelsdorf.
Der Wandel vom bäuerlichen Schlossdorf zur Arbeitergemeinde erfolgte durch die Brauerei Reininghaus (ab 1853) sowie die Ausweitung des Industriebereichs rund um den Bahnhof.
Eingemeindung nach Graz erfolgte 1938 nach dem „Anschluss“.

Hier geht's zu weiteren Grätzl-Porträts unserer Serie "Mein Graz".


Alle Bilder der Slideshow von geopho.com.

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