Neue Broschüre
Dem Scheitern zum Trotz
Mittels Broschüre durch die Geschichte der sozialen Proteste in Graz wandern: Ein druckfrisch erschienenes Büchlein von Markus Gönitzer und Lidija Krienzer-Radojević führt seine Besitzer auf einen etwas anderen Stadtspaziergang. Warum das wichtig ist.
Angefangen hat alles mit einem Vorurteil über die Stadt. Graz, das ist eher ein konservativer Ort, eine Landeshauptstadt voller braver Bürger sozusagen. "Aber meine Kollegin und ich waren uns bewusst, dass es viele Protestbewegungen in Graz gegeben hat, die sich nicht im Stadtbild widerspiegeln", so Gönitzer. Der Spaziergang solle eine andere Seite von Graz zeigen, fährt er fort. Das Graz des sozialen Widerstand. Acht Stationen umfasst der Stadtspaziergang, den Gönitzer und Krienzer-Radojevi´c entworfen haben.
Der Kirschenrummel
Gestartet wird am Südtirolerplatz, wo eine der wenigen Gedenktafeln zu einem solchen Protest zu finden ist: Denn hier erinnert eine kleine, bunte Tafel an den "Kirschenrummel", eine Hungerrevolte im Juni 1920, die blutiger verlief, als es der niedliche Name vermuten ließe. Weiter geht es Richtung Hauptplatz, wo es um die "Plattform 25" geht, die Proteste im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich organisierte, und zur Tegetthoffbrücke, wo an die breite Bewegung gegen den Bau des Murkraftwerks erinnert wird.
Freilich nur eine kleine Auswahl der Proteste, die es in der Landeshauptstadt gegeben hat. "Wir haben versucht, eine möglichst große Diversität abzubilden und auch einen runden Spaziergang zu kreieren", erklärt Gönitzer. Ganz aktuell ist der Stadtspaziergang allerdings auch nicht mehr: Die Fridays For Future-Bewegung hat noch keinen Eingang in die Broschüre gefunden. Doch, betont Gönitzer, es bestehe der Wunsch, die Geschichte weiterzuschreiben. Eine Folge-Broschüre ist damit noch nicht abgeschrieben.
Die Widerständige
In dem Büchlein werden aber nicht nur Orte aufgezeigt. Die beiden Initiatoren werfen auch einen kritischen Blick auf die gezeigte Geschichte und haben sich dafür tief in die Schriften der Marxistin und Friedenskämpferin Rosa Luxemburg vergraben. Zitate der Sozialdemokratin, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts einen großen Namen machte, ziehen sich quer durch alle Stationen. "Wir haben uns überlegt, was sie zu den Stationen zu sagen hätte und die Grazer Geschichte sozusagen mit Luxemburgs Gedanken gespiegelt", so Gönitzer.
Eine Form von Trauerarbeit
Die Hungerrevolte wurde blutig niedergeschlagen, das Murkraftwerk trotzdem gebaut und Rosa Luxemburg 1919 ermordet. Ist es nicht frustrierend, eine Geschichte über Proteste zu erzählen? Das gehöre eben dazu, sagt Gönitzer. "Die Geschichte vieler Proteste ist eine Geschichte des Scheiterns, sonst müssten wir ja heute nicht mehr auf die Straße gehen." Trotzdem sei es entscheidend, sich mit der Geschichte zu beschäftigen und zu hinterfragen, warum gewisse Revolten gescheitert seien. "Das ist auch eine Form von Trauerarbeit", schließt Gönitzer.
Aber auch ein Hoffnungsfunken: Denn immer wieder hätten Menschen versucht, die Gesellschaft im Großen zu verändern. "Unsere Broschüre zeigt, dass sich Protest auch in Graz in eine reiche Tradition einreiht, auch wenn es nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist."
Mehr Information:
Die Broschüre ist im Forum Stadtpark-Verlag erhältlich. Den Stadtspaziergang gibt es auf Anfrage auch als Führung: goenitzer@forumstadtpark.at
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