Sport trifft Ethik
Die Belustigung der Massen als Grenzgang

Im Skisport wurden die Grenzen zuletzt leider überschritten. | Foto: GEPE
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  • Im Skisport wurden die Grenzen zuletzt leider überschritten.
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Ethiker Thomas Gremsl von der Universität Graz hinterfragt die lebensgefährlichen Grenzgänge im heutigen Spitzensport.

Höher, schneller, weiter – im Sport strebt man nach dem Limit. Die Grenzen im Spitzensport, wie zuletzt im Skisport gesehen, werden aber nicht nur ausgelotet, sondern oft auch überschritten. Ethiker Thomas Gremsl von der Uni Graz über die Frage, wo Eigenverantwortung endet und die Sonderrolle des Sports in der Pandemie.

Eine Grenze ziehen

Generell beschäftigt sich die Ethik traditionell mit der Frage nach dem moralisch richtigen Handeln. Die Grenze zwischen der "Belustigung der Massen" und Eigenverantwortung der Sportler sei daher eine äußerst komplexe Frage, so Gremsl: "Grundsätzlich muss betont werden, dass die Sicherheit der Sportler an oberster Stelle steht. Der Druck, der beispielsweise von Medien, Wirtschaft oder Zuschauern ausgeht, darf nicht dazu führen, dass die Sportler dann eigentlich keine Wahl mehr haben. Problematisch wird es, wenn die Tendenz stärker wird, dass alles schneller und gefährlicher werden muss, damit es spannend und interessant bleibt." Auch die Zuschauer hätten eine Mitverantwortung gegenüber den Athleten. Als Fan sollte man sich durchaus die Frage stellen, ob man es für sich persönlich verantworten kann, dass sich Menschen in lebensbedrohliche Situationen begeben, um sportliche Erfolge feiern zu können und uns zu begeistern. Zu den astronomischen Geldern, die im Sport fließen, meint Gremsl: "Wir Durchschnittsbürger haben oft keinen Bezug zu diesen Millionensummen. Deswegen ist der Aufschrei noch größer, wenn z.B. ein Politiker Wohnzuschüsse von der Partei in der Höhe von einigen tausend Euro bekommt – diese Summen können wir durch unsere eigene Lebenswirklichkeit besser einschätzen."

Thomas Gremsl: "Ethik beantwortet Fragen nicht mit Ja oder Nein, sondern mit ,mehr oder weniger' und bietet dadurch Perspektiven." | Foto: Cornelia Flori/Uni Graz
  • Thomas Gremsl: "Ethik beantwortet Fragen nicht mit Ja oder Nein, sondern mit ,mehr oder weniger' und bietet dadurch Perspektiven."
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Nicht ja oder nein

Die teilweise kritisierte Sonderstellung des Spitzensports in der Pandemie sieht Gremsl differenziert: "Man muss die Sachgesetzlichkeit des Spitzensports miteinbeziehen. Man konnte ja auch vor der Pandemie ein Bundesligaspiel nicht mit der Gebietsliga vergleichen. Rahmenbedingungen wie die gesellschaftliche Bedeutung, das Medieninteresse oder der Gesamtzusammenhang – internationale Bewerbe bauen auf die Platzierungen der nationalen Ligen auf, Spieler sind Angestellte der Clubs – müssen berücksichtigt werden." Außerdem lassen sich im Spitzensport Sicherheits- und Hygienevorschriften besser umsetzen und er bietet den zusätzlichen Aspekt der Unterhaltungs- und Ablenkungsfunktion im Alltag vieler Menschen. Gremsl verweist nochmals auf die Notwendigkeit zu differenzieren: "Pandemiebedingte Maßnahmen im Spitzen- und Breitensport können nicht einfach in einen Topf geworfen werden. Vielmehr müssen verschiedene Aspekte in diesem komplizierten Geflecht abgewogen und sachlich debattiert werden." Abschließend betont er: "Wir sollten auch bedenken, dass letztlich alle ein Stück Mitverantwortung tragen, um bald wieder unseren gewohnten sportlichen Aktivitäten nachgehen zu können."

Im Skisport wurden die Grenzen zuletzt leider überschritten. | Foto: GEPE
Thomas Gremsl: "Ethik beantwortet Fragen nicht mit Ja oder Nein, sondern mit ,mehr oder weniger' und bietet dadurch Perspektiven." | Foto: Cornelia Flori/Uni Graz
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