Aktuelle Studie
Die Radstadt Graz braucht mehr Auto-Abstellplätze
Aktuelle Studie von Verkehrsexperte Kurt Fallast: In Graz gibt es im nationalen und internationalen Vergleich die wenigsten Parkgaragen-Plätze. ÖVP fordert jetzt ein Umdenken in der Mobilitätspolitik.
GRAZ. Utrecht, Groningen, Amsterdam – alles Städte, die aufgrund ihres hohen Radfahrerinnen- und Radfahrer-Anteils als Vorbilder einer modernen Mobilität in Europa gelten. Was man allerdings hierzulande selten dazusagt: Diese Trendwende im Verkehr war nur möglich, weil man auf ausreichende fixe Autoabstellplätze in Zentrumsnähe gesorgt hat – eine Maßnahme, die in Graz in dem Ausmaß nicht spürbar ist. Im holländischen Groningen etwa – mit 238.000 Einwohnerinnen und Einwohnern durchaus mit Graz vergleichbar – hat man das Zentrum quasi autofrei gemacht. Als Kompensation wurden 2.220 PKW-Stellplätze in Zentrumsnähe, vorwiegend in Tiefgaragen geschaffen. Dazu kommen mehrere Parkgaragen und sechs perfekt ans Öffi-Netz angebundene Park-and-Ride-Plätze am Stadtrand
"Keine Crash-Diät in der Verkehrswende"
Langer Rede, kurzer Sinn: All jene europäischen Städte, die sich zu Recht Radstadt nennen dürfen, haben sich diese Verkehrswende über die Errichtung fixer Stellplätze erkauft. "Eine solche Wende ist keine Crash-Diät, in der man eine Stadt von heute auf morgen umstellt. Man muss langsam umstellen und die Menschen auf diese Reise mitnehmen", führen die Studienersteller Marie-Therese und Kurt Fallast aus. Auch eine Ernährungsweise würde man schrittweise und langsam umstellen, damit sie nachhaltig ist. Dasselbe würde für den Verkehr gelten, man müsse alle Verkehrsteilnehmer ins Boot holt, Alternativen und Anreize schaffen. "In Holland hat dieser Transformationsprozess Jahrzehnte gedauert. Man wird nicht alles gleich machen können, es wird Zwischenlösungen brauchen", sagen die beiden.
Graz ist Parkplatz-Schlusslicht
Die nackten Zahlen stellen genau dabei Graz kein gutes Zeugnis aus: Rechnet man die fixen Stellplätze (Parkgaragen, Park-and-Ride-Plätze) mit den hier lebenden Menschen gegen, kommt man auf ernüchternde Zahlen: 8.174 solcher Stellplätze gibt es in der Landeshauptstadt, auf einen fixen Parkplatz kommen also 36 Einwohnerinnen bzw. Einwohner. Das ist der schlechteste Wert aller zwölf untersuchten Städte. So sind es im Österreich-Vergleich etwa 27 Einwohnerinnen und Einwohner pro Stellplatz in Linz, elf in Salzburg und zehn in Klagenfurt. Im oben zitierten Groningen "teilen" sich 20 Einwohnerinnen und Einwohner eine fixe Parkmöglichkeit, genau so viele sind es in Verona. Spitzenreiter ist übrigens das in Graz bestens bekannte Udine: Nur neun Einwohnerinnen und Einwohner kommen dort auf einen Parkplatz – und das bei einer komplett autofreien Altstadt.
Zu teuer, zu unpraktisch
Dazu kommt, dass auch die Bewirtschaftung der Parkgaragen überall anders deutlich besser funktioniert. In Utrecht etwa, eine der Städte mit dem höchsten Radverkehrsanteil, kann man freie Stellplätze online abfragen und diese dann auch gleich punktgenau buchen. Und das noch dazu um rund 15 Euro für 24 Stunden in Zentrumsnähe. Auch andere holländische Städte verfügen über ähnliche Online-Parkmodelle. Preismodelle, von denen man in Graz nur träumt ...
Parkentlastung in den Bezirken
Kurt Fallast hat sich aber nicht nur mit dem Zentrum auseinandergesetzt, auch in den angrenzenden Bezirken empfiehlt er fixe Stellplätze, sogenannte quartiersbezogene Mobilitätskonzepte. Als Beispiel nennt er den Bereich rund um die Technische Universität. In Bereichen wie der Technikerstraße, Gartengasse, Lessingstraße und Co., alle beidseitig verparkt, käme kaum die Feuerwehr mehr durch. "Dort könnte man an der Oberfläche 400 Parkplätze streichen, wenn man eine Tiefgarage mit 250 Stellplätzen bauen würde", ist er überzeugt. Zusätzlicher Vorteil: Anrainerinnen und Anrainer hätten dort einen fixen Parkplatz, der alltägliche Parkplatz-Suchverkehr würde wegfallen. Ähnliche Konzepte wären auch in anderen Stadtbezirken denkbar.
Der Grazer ÖVP-Chef Kurt Hohensinner, der die Studie in Auftrag gegeben hat, leitet daraus einen politischen Auftrag ab: "Es muss möglich sein, den Verkehr in Graz neu zu denken – mit dem Blick auf alle Verkehrsteilnehmer und mit den entsprechenden Begleitmaßnahmen." Es könne nicht sein, dass eine 17-Prozent-Partei die Verkehrspolitik für 100 Prozent der Menschen bestimme, schießt er gegen die grüne Vizebürgermeisterin Judith Schwentner scharf. Ziel sei es dabei, keinesfalls mehr Parkplätze zu schaffen, aber man müsse für die rund 600 bereits gestrichenen Parkplätze Alternativen finden und die Erreichbarkeit des Zentrums erhöhen.
Das könnte dich auch interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.