Psychische Gewalt
Jedem Femizid dürfte psychische Gewalt voraus gehen

Um psychische Gewalt besser erkennen, einordnen und unterbinden zu können, setzt sich zum Beispiel der Verein für Männer- und Geschlechterthemen 
 Steiermark mit Workshops oder Beratungsangeboten für Prävention und Täterarbeit ein. | Foto: Unsplash: Nadine Shaabana (Symbolbild)
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  • Um psychische Gewalt besser erkennen, einordnen und unterbinden zu können, setzt sich zum Beispiel der Verein für Männer- und Geschlechterthemen
    Steiermark mit Workshops oder Beratungsangeboten für Prävention und Täterarbeit ein.
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Noch immer läuft emotionaler Missbrauch in engen Beziehungen häufig unter dem Deckmantel der Privatangelegenheit. Alexander Moschitz vom Verein für Männer- und Geschlechterthemen, kurz VMG, in Graz klärt auf und beschreibt im Interview, was psychische Gewalt ist und wie man als betroffene oder unbeteiligte Person damit umgehen kann, um sie zu bekämpfen.

GRAZ. "Wenn es einen Femizid gegeben hat, kann man sich ziemlich sicher sein, dass zuvor eine zwangskontrollierende Beziehung bestanden hat", erklärt der Fachreferent Alexander Moschitz. Zwangskontrolle ist eine Form von psychischer Gewalt, die in körperlicher Gewalt bis hin zu Mord gipfeln kann. Zehn von 22 Femiziden österreichweit mussten heuer bereits in der Steiermark verzeichnet werden – so weit die sichtbaren Zahlen. Doch wie viel Gewalt nach wie vor im Verborgen liegt, weil niemand drüber spricht, kann man nicht sagen.

Weil psychische Gewalt sehr subtil ablaufen und sich somit lange unerkannt in Beziehungen einschleichen kann, versucht der VMG, der 1996 als Verein Männerberatung Graz gegründet wurde, für das Thema zu sensibilisieren und blinde Flecken auszulöschen.

Alexander Moschitz entwickelt am Institut für Männer- und Geschlechterforschung unter anderem Fortbildungen zum Thema psychische Gewalt und ist als Referent in der Fachstelle für Burschenarbeit im VMG tätig. Der Sozialabeiter organisiert und moderiert gesellschafts- und sozialpolitische Events für Fachkräfte und alle Interessierten mit dem Ziel, mehr Bewusstsein für Formen der psychischen und emotionalen Gewalt zu schaffen, um so den Raum für Gewalt zu verkleinern. Im Gespräch mit MeinBezirk.at beschreibt Moschitz, was psychische Gewalt ist, wie man sie erkennen und als betroffene oder unbeteiligte Person damit umgeben kann, um sie zu bekämpfen. 

  • Was ist psychische Gewalt?

Alexander Moschitz:  Das sind Verhaltensweisen, mit denen jemand versucht, die eigenen Interessen – manchmal bewusst gemein, manchmal unbewusst – gegenüber einer anderen Person durchzusetzen, ohne Rücksicht auf Verluste oder ob es der Person damit gut geht. Dazu zählen aber auch Erniedrigung, Manipulation, Gaslighting bis hin zu Bestrafungen. Vieles davon kann zunächst auch sehr subtil ablaufen.

Was bedeutet Gaslighting?
    Gaslighting bezeichnet eine Form der psychischen Gewalt bzw. Manipulation, bei der regelmäßig und systematisch die Empfindungen und Wahrnehmungen des Gegenübers abgewertet, abgesprochen oder infrage gestellt werden. Dazu zählt zum Beispiel, dem Gegenüber vorzuwerfen, sich etwas nur einzubilden, zu übertreiben oder zu emotional sein, obwohl er oder sie sich klar erinnert. Dabei können das Realitäts- und Selbstbewusstsein des Gegenüber geschädigt werden.
  • Welche Gefühle können Indikatoren dafür sein, dass man von psychischer Gewalt betroffen ist?

Es ist natürlich oft kontextabhängig und kann schwer pauschal benannt werden. Aber generell sind negative Gefühle wie Stress, Angst, Traurigkeit oder Schmerz wichtige Indikatoren. Oft können wir in psychisch gewaltvollen Beziehungen nicht mehr darauf vertrauen, ob unsere Wahrnehmung stimmt, weil dann meistens schon Gaslighting passiert. Aber wenn ich merke, etwas fühlt sich konstant oder immer mal wieder nicht gut an, dann ist das schonmal ein guter Hinweis darauf, dass ich darüber mal in den Austausch gehe sollte – im Idealfall mit Fachkräften, vielleicht aber auch erstmal nur mit dem besten Freund, der besten Freundin. 

Alexander Moschitz ist Sozialarbeiter beim VMG und entwickelt am Institut für Männer- und Geschlechterforschung unter anderem Fortbildungen zum Thema psychische Gewalt. | Foto: privat
  • Alexander Moschitz ist Sozialarbeiter beim VMG und entwickelt am Institut für Männer- und Geschlechterforschung unter anderem Fortbildungen zum Thema psychische Gewalt.
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  • Wie kann man sich selbst aus dieser Form der Gewalt befreien?

Es kann schon helfen, einmal zu googlen, welche Unterformen von psychischer Gewalt es gibt, um dann beim Lesen vielleicht zu merken, dass etwas davon auf einen selbst zutrifft. Weiterhin kann es, wie schon gesagt, hilfreich sein, mit einer Person darüber zu reden, der man wirklich vertraut und die einmal zu fragen, was sie eigentlich von gewissen Verhaltensweisen hält. Gerade, wenn ich mir nicht sicher bin: "Ist das jetzt ok? Irgendwie hab ich ein komisches Gefühl bei der Aussagen, dem Vorgehen usw."

In den Austausch darüber zu gehen ist auch deswegen so wichtig, weil psychische Gewalt auch häufig in die Isolation treiben will, indem das Umfeld delegitimiert wird oder indem gesagt wird: "Hey, bitte sprich mit niemandem über unsere Beziehung, das geht nur uns zwei etwas an."

  • Was kann man als unbeteiligte Person tun, wenn man auf Formen dieser Gewalt aufmerksam wird?

Was auf jeden Fall Sinn macht, ist – ohne zu tief zu bohren – einmal zu fragen, wie es der Person geht. Und dann merkt man eh, ob man einen Zugang bekommt oder ob die Person das verschweigen will. Sowas ist ja auch schambehaftet. Aber wenn sie es erzählt, dann auf jeden Fall zuhören und die Täter-Person nicht in erster Linie schlecht reden. Das hat den Hintergrund, dass die Beziehung ja trotzdem existent, vielleicht ambivalent, ist und man die Betroffenen ja nicht noch mehr in die Zwickmühle treiben will.

Ein offenes Ohr für den Freund, die Freundin zu haben, kann von Gewalt betoffenen Personen schon sehr helfen. | Foto: Unsplash: Priscilla Du Preez (Symbolbild)
  • Ein offenes Ohr für den Freund, die Freundin zu haben, kann von Gewalt betoffenen Personen schon sehr helfen.
  • Foto: Unsplash: Priscilla Du Preez (Symbolbild)
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Dann die Gewaltformen oder Grenzüberschreitungen benennen und klar zu sagen "Das ist nicht ok". Und das vermutlich Wichtigste ist, langfristig geduldig und solidarisch zu sein, egal welche Entscheidung die Person trifft; Betroffene auch selbst entscheiden lassen, ihnen keine Entscheidungen aufdrängen.

Mehr Infos zu Beratungsangeboten 

Die Männerberatung Graz ...

  • richtet sich an erwachsene Männer, männlich sozialisierte Personen und Jugendlichen jeden Geschlechts. 
  • leistet therapeutische Arbeit, Bildungsarbeit zur Prävention
  • ist am Dietrichsteinplatz 15 in 8010 Graz zu finden und telefonisch unter 0316-831414 und per Mail an beratung@maennerberatung.at erreichbar.
  • Alles Weitere über den Verein, seine Ziele und Veranstaltungen erfährst du auf der Internetseite vmg-steiermark.at

Die Frauenhäuser Steiermark ...

  • bietet neben dem Schutz der von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder auch Gewaltprävention, Bewusstseinsbildung sowie Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit an.
  • ist telefonisch erreichbar unter 0316 4299 00 (Frauenhaus) oder 0316 7741 99 (Gewaltschutzzentrum)
  • Was im Notfall zu tun ist, erfährst du unter frauenschutzzentrum.at

Das Gewaltschutzzentrum Steiermark

  • hilft unter anderem bei Gewalt in und nach Beziehungen, an Kindern oder anderen Familienangehörigen, in Institutionen, bei (Cyber)Mobbing, sexueller Gewalt oder Zwangsheirat.
  • unterstützt Betroffene unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft oder sozialer Schicht dabei, Perspektiven für ein gewaltfreies Leben zu finden.
  • ist vertraulich und kostenlos erreichbar: telefonisch unter 0316-774199, per SMS an 08282/7099 29 333, per Mail an office@gewaltschutzzentrum.at oder persönlich in der Granatengasse 4 in 8020 Graz.
  • [*]Die entsprechenden Zeiten der Erreichbarkeit und alle weiteren Infos zu den steirischen Gewaltschutzzentren findest du auf der Website gewaltschutzzentrum-steiermark.at.

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