Gefragte Frau
Melissa Dermastia bringt frischen Wind in Grazer Dommusik

Die gebürtige Kärntnerin Melissa Dermastia hat vor drei Tagen ihre Funktion als Domkapellmeisterin in Graz angetreten. | Foto: Michael Dermastia
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Die gebürtige Kärntnerin Melissa Dermastia hat am 1. Jänner ihre Funktion als Domkapellmeisterin in Graz angetreten. Damit ist die Kirchenmusikerin Vorreiterin nicht nur in der Steiermark, sondern in ganz Österreich.

GRAZ. Der Grazer Dom ist mit Jahreswechsel weiblicher geworden: Seit 1. Jänner hat die Dommusik mit Melissa Dermastia eine neue Domkapellmeisterin. Die Kirchenmusikerin hat damit den langjährigen Domkapellmeister Josef M. Döller abgelöst, der am 31. Dezember als sein letztes Konzert im Grazer Dom noch die Jahresschlussmesse dirigiert hat. 

Vom Bischof ernannt leitet Dermastia als erste Domkapellmeisterin im Grazer Dom und eine von wenigen in ganz Österreich nun die Chöre und Musikgruppen und gestaltet die Kapitels- und Pontifikalgottesdienste. Erst frisch in Graz angekommen, spricht die junge Kärntnerin im Interview mit MeinBezirk.at über ihre musikalischen Vorhaben, ihre Leidenschaft für die Kirchenmusik und andere Genres und gibt ihre Einschätzung dazu ab, wo die katholische Kirche sowie das Dirigieren in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau stehen. 

  • Mit 1. Jänner sind Sie Ihre neue Stelle als Domkapellmeisterin angetreten. Haben Sie sich in Graz schon eingelebt?

Melissa Dermastia: Graz war ja tatsächlich ganz neu für mich. Ich habe in Wien studiert und bin immer wieder von Kärnten durch die Steiermark gefahren, bin aber selten stehen geblieben. Was ich hier jetzt schon merke: Die Wiener finden die Kärntner lieb, aber die Steirer machen sich über sie lustig (lacht). Ich bin noch dabei, alles kennenzulernen aber was ich bis jetzt gesehen habe, gefällt mir sehr gut. Ich finde, Graz hat eine perfekte Größe.

Der Grazer Dom ist mit Jahreswechsel weiblicher geworden. | Foto: MO
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  • Welche Pläne haben Sie mit der Dommusik?

Mit jeder Person kommen im Dom etwas andere Stücke. In den letzten drei Monaten hat es in Graz die großen oratorischen Werke gegeben. Jetzt wird einmal bewusst das erste Konzert mit allen Chören im Mai in A capella sein. Natürlich kommen dann auch wieder die Großen, weil das ist es ja, was einen Dom ausmacht. Aber gleichzeitig versuche ich schon, in andere Richtungen zu schauen. Besonders im Gedenkjahr 2025, da möchte ich etwa ein Werk von James Whitbourn aufgreifen, in dem die Texte von Anne Frank vertont wurden. So etwas soll auch in die katholische Kirche geholt werden. Und auch im Kinderchorbereich werde ich einiges Neues machen.

  • Sie sind die erste Domkapellmeisterin in Graz. Welche Bedeutung hat das Ihrer Meinung nach?

Ich muss ehrlich sagen, ich hatte schon Bedenken, ob man sich diesem Hearing als Frau stellen soll. Dann habe ich mir aber gedacht – jetzt erst recht. Weil wenn wir uns diesen Hearings nie stellen und denken wir haben sowieso keine Chance, dann wird so oder so nichts daraus. Man muss sich einfach ins Rennen schmeißen. Da ist schon die Kämpfernatur bei mir durchgekommen. Man merkt in den letzten Jahren eine positive Entwicklung. Bei mir ist es ja nicht nur die Kirche – auch das Dirigieren ist eine richtige Männerdomäne. Und das wird jetzt so langsam aufgebrochen. Das Symphonieorchester hat jetzt erstmals eine Frau als Chefdirigentin. Bei den Wiener Philharmonikern wird man noch ein wenig warten müssen.

Bei Instrumenten merkt man nach wie vor Geschlechtertrennungen. Harfen spielen eher Frauen. Dirigieren, Komponieren und Orgel sind männerdominiert. Beim Klavier ist es ein bisschen ausgeglichener. Im Kinderchor merke ich außerdem, dass viele Burschen doch lieber Fußball Spielen als im Chor zu singen. Das zeichnet sich dann auch später im Erwachsenenchor ab – es gibt fast überall einen Mangel an Männern.

  • Woher rührt die Leidenschaft für Musik bei Ihnen?

Meine Eltern hatten als Kinder selber nicht die Möglichkeit, deshalb war es ihnen bei den eigenen Kindern umso wichtiger, dass wir ein Instrument erlernen können. Meine älteren Brüder haben bereits Instrumente gelernt, das heißt für mich war schon Musik im Haus. Mit der Zeit ist bei mir dann der Wunsch größer geworden, das noch intensiver zu machen. Zusätzlich zum Klavier habe ich mit 13 Jahren die Orgel dazu genommen. Da hatte ich einen Lehrer in Kärnten, der mich sehr gefordert hat. Es war dann klar, das muss irgendwie ins Studium münden.

  • Und was ist für Sie das Spezielle an der Kirchenmusik?

Gerade die großen Chororchesterwerke wie die Matthäus-Passion von Bach oder die Johannes-Passion. Das sind diese ganz speziellen Werke, die so eine Intensität haben, dass sie einen emotional auch ziemlich packen können. Von der Gregorianik bis heute ist immer Kirchenmusik gemacht worden und auch in weltlichen Chören wird Kirchenmusik gesungen, einfach weil sie sehr gehaltvoll, gut strukturiert und meistens sehr intensiv ist. Das ist irgendwie etwas Beständiges.

Vom Bischof ernannt leitet Dermastia als erste Domkapellmeisterin im Grazer Dom die Chöre und Musikgruppen und gestaltet die Kapitels- und Pontifikalgottesdienste.  | Foto: Michael Dermastia
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  • Hören Sie privat denn auch andere Musik?

Ja ich habe eine zweite "Musikseele". Meine Lieblingsbands sind Pearl Jam und Radiohead. Denen reise ich schon ganz gerne einmal durch Europa hinterher. 

  • Also schließen sich Rock'n'Roll und Kirchenmusik nicht aus?

Gerade in der Musik geht es um eine größere Sache. Bei der Musik kommt man einfach zusammen. Musik verbindet, das ist nicht nur eine Floskel. Man lernt Leute kennen und ist in einer Gemeinschaft. Im Grazer Domchor ist es immer so gehandhabt worden, dass Personen aus allen Religionen genauso wie Atheisten dabei waren. Es ist viel offener als man oft meint.

Zur Person: Melissa Dermastia

Die Kärntnerin, Jahrgang 1990, war Dommusikassistentin am Klagenfurter Dom, bevor sie mit 1. Jänner 2023 Domkapellmeisterin in Graz wurde. Sie leitet zudem den Kärntner Madrigalchor Klagenfurt und ist Lehrbeauftragte für Klavier am Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.

Dermastia hat das Musikgymnasiums Viktring/Klagenfurt absolviert und an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien studiert. In ihrer Laufbahn war sie außerdem noch Erasmusstipendiatin in Paris und hat ihre Bachelor- und Masterstudien in Instrumentalpädagogik Orgel und Klavier, Chorleitung und Frühe Ensemblemusik mit Auszeichnung abgeschlossen. Ihr Anliegen, so wie sie es definiert: "Stilistische Vielfalt von der Renaissance über die Wiener Klassik bis hin zur zeitgenössischen Musik und zum Pop- und Gospel­bereich."

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