Schulsozialarbeit: Brücken bauen in die Welt der Kinder

Zuhören und helfen: Die Schulsozialarbeiterin Tanja Jotanović ist an der NMS Karl Morre sehr gefragt. | Foto: prontolux
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  • Zuhören und helfen: Die Schulsozialarbeiterin Tanja Jotanović ist an der NMS Karl Morre sehr gefragt.
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Manchmal ist die Wut groß, weil man von Mitschülern beschimpft wird – etwa mit: „Dein Vater ist ein Loser“. Manchmal drückt der Liebeskummer und die Tränen fließen. Manchmal fehlen die Worte, weil zuhause niemand zuhört.
An der NMS Karl Morre gibt es ein Zimmer, das für diese Probleme reserviert ist: „Schulsozialarbeit“ steht an der Türe. An vier Tagen pro Woche sind hier Schulsozialarbeiter von ISOP vor Ort. Sie sollen Schüler beraten, Lehrer entlasten und soziale Probleme an der Schule entschärfen.
An diesem Vormittag sitzt Tanja Jotanović hinterm Schreibtisch und es passiert immer wieder: Zack, die Tür wird aufgerissen und ein Kinderkopf blickt herein: „Hast du Zeit?“ „Ja, später“, sagt Jotanović. Dann erzählt sie: „Wir haben so viele Anfragen, dass wir Termine vergeben müssen.“ Mehr als die Hälfte der Schüler war hier in drei Jahren zu Besuch. Pro Schultag gibt es gut sieben Beratungen. Abwechselnd mit einem Kollegen ist die Sozialpädagogin ein Ankerpunkt für Mädchen und Burschen in großer oder kleiner emotionaler Not.

Die Eltern und die Lehrer
Worüber die Kinder reden wollen? „Ich hatte Probleme mit meiner Mutter“, sagt eine 13-Jährige und meint: „Tanja hört zu und hat Tipps. Wenn man mit ihr spricht, fühlt man sich immer besser.“
Die Schulsozialarbeiterin selbst bilanziert: „Oft gibt es Streit unter Schülern.“ Manche Kinder fühlen sich auch von Lehrern ungerecht behandelt – Jotanović versucht, die Konflikte mit den Kindern zu lösen. Lehrer bitten mitunter darum, dass sie Kontakt mit auffälligen Schülern aufnimmt.
Was die Schüler am häufigsten belastet, sind familiäre Probleme: „Einige Kinder fühlen sich vernachlässigt und sagen: Zuhause interessiert sich niemand für mich.“ Krankheiten und Alkoholsucht von Eltern seien auch ein Thema. Mitunter steht Kontakt mit den Eltern sowie dem Jugendamt auf der Agenda. Doch auch positive Emotionen haben Platz: Schüler erzählen von ihrem Schwarm oder guten Noten.
„Unser Ziel ist es, die Schüler zu stärken“, sagt die Sozialpädagogin. Deshalb gibt es auch Workshops in Klassen, etwa zum Thema Persönlichkeitsbildung: Diese zeigen, wie man mit Wut umgeht oder sich in andere hineinversetzt. Zudem vernetzt die Schulsozialarbeit die Schüler mit hilfreichen Vereinen und organisiert Freizeitangebote wie Sport.
Wie die Direktorin Monika Ullah die Schulsozialarbeit bewertet? „Das Klima an der Schule verbessert sich. Alle profitieren davon.“

Experten wünschen sich mehr Angebote

Im Vorjahr zählte man in Graz knapp 4.000 Beratungen für Schüler.

„In der Klasse ist man oft mit sozialen und emotionalen Problemen von Kindern konfrontiert“, sagt Josef Zollneritsch, leitender Schulpsychloge beim Landesschulrat. Spürbar sei das vor allem an Neuen Mittelschulen und Polytechnischen Schulen in Ballungszentren. Einen wichtigen Ansatz sieht er in der Schulsozialarbeit: „Sie kann die Schüler stabilisieren und eine Brücke zur Lebenswelt der Kinder schaffen.“

Vor Ort in Graz
Die Landeshauptstadt nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein: In Graz startete der Verein ISOP 1997 österreichweit das erste Pilotprojekt, mittlerweile bietet ISOP Schulsozialarbeit an 13 öffentlichen Grazer Schulen an – großteils finanziert durch die Stadt Graz (siehe unten), sowie durch das Land Steiermark und Bund. Pro Woche sind die Sozialpädagogen hier jeweils an drei bis vier Tagen vor Ort, um Beratungen und Workshops für Schüler abzuhalten. Die Lehrer sollen sich dadurch auf ihre eigentliche Aufgabe, das Unterrichten, konzentrieren können.

Vorbild Skandinavien
3.906 Einzelberatungen von Schülern zählte man in Graz im Vorjahr. „Meistens kommen jene Kinder, deren Eltern wenig präsent sind“, sagt Sandra Jensen, Bereichsleiterin der Schulsozialarbeit bei ISOP. Zudem gab es 1.305 Workshops – von Gewaltprävention bis hin zu Kreativworkshops.
Was Jensen betont: In jenen Ländern, die gute PISA-Ergebnisse liefern, gebe es an allen Schulen derartige Hilfsangebote. In Norwegen und Schweden etwa ist die Schulsozialarbeit an jeder öffentlichen Schule verankert, sagt die Expertin, die selbst aus Schweden kommt. Für sie ist klar: „Das wäre auch in Österreich wichtig.“
Den Erfolg des bestehenden Angebotes hat in Graz die K.F. Uni bestätigt: „Der positive Nutzen der Schulsozialarbeit wurde auch durch das Institut für Erziehungswissenschaft evaluiert“, sagt Stadtrat Kurt Hohensinner. Allein die Stadt Graz finanziert das Projekt heuer mit 166.419 Euro.

Ein Netzwerk schaffen
Zollneritsch fordert: „Man muss die Schularbeit ausbauen – ergänzt durch die Betreuung durch Beratungslehrer und auch deutlich mehr Schulpsychologen, die bei psychischen Problemen hinzugezogen werden können.“

DAS ANGEBOT IN GRAZ
An 13 Schulen in Graz ist die Schulsozialarbeit fix verankert.
In all diesen Einrichtungen wird sie vom Verein ISOP durchgeführt.
Die Stadt Graz finanziert das Angebot seit Februar 2009 an sieben Schulen: NMS St. Andrä, NMS Albert Schweitzer, VS Bertha von Suttner, NMS und VS Algersdorf, sowie NMS und VS Karl Morre.
Das Land ermöglicht die Schulsozialarbeit hier: NMS St. Peter, NMS Engelsdorf, NMS Dr. Karl Renner und NMS Kepler.
Das Unterrichtsministerium an NMS Fröbel, BHAK/BHAS Monsbergergasse
Weitere Infos: zur Schulsozial-
arbeit auf: www.isop-at

Zuhören und helfen: Die Schulsozialarbeiterin Tanja Jotanović ist an der NMS Karl Morre sehr gefragt. | Foto: prontolux
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