Sollen Eltern bei der Jobwahl mitreden?

Ihr Kind will aus Interesse vergleichende Sprachwissenschaft studieren oder Bauarbeiter werden? Wie sollen Eltern mit den Berufswünschen ihrer Kinder umgehen?
Die Wahl des Berufes oder der Ausbildung sind eine wichtige Entscheidungen im Leben eines jungen Menschen. Oft beginnt dieser Prozess in den letzten Pflichtschuljahren und dauert bis zum 18. Lebensjahr. Feststeht, dass die Eltern eine entscheidende Funktion bei der Berufswahl haben. Eine wichtige Pflicht der Eltern ist dabei, ihre Kinder entscheidungsfähig zu machen: ihnen also die nötigen Kompetenzen und Selbstbewusstsein zu vermitteln, damit sie verantwortungsbewusst ihre Wahl treffen können. Teenager brauchen Unterstützung dabei, aber die Erwachsenen können nicht für sie entscheiden.

Der berühmte Psychologe Richard Lerner sagt, dass es dabei auf drei Dinge ankommt: 1.) Suchen Sie immer die Beziehung zu Ihrem Kind. Dies geht am besten durch einen offenen Dialog, indem dem Kind vermittelt wird, dass man ihm etwas zutraut und dass man immer als Rückgrat vorhanden ist.
2.) Fördern Sie Leidenschaften des Kindes. Jedes Kind hat etwas das es besonders gerne tut, besondere Stärken. Seien Sie achtsam und entdecken diese.
3.) Übergeben Sie frühzeitig Verantwortung und lassen Kinder selbstständig etwas tun, zum Beispiel bei der Urlaubsplanung. So können sie Entscheidungen üben. Und: Vermitteln Sie Bildung. Damit ausgestattet fallen Entscheidungen leichter.

Keinen Druck ausüben

Die Zeiten heute sind anders als vor 20, 30 Jahren: Damals entschieden sich viele Kinder für den Beruf ihrer Eltern. Das sieht man in einigen Firmen.
Mit zunehmenden Möglichkeiten kommt das immer seltener vor.
Ein absolutes No-go ist es, den eigenen Kindern eine Berufslaufbahn vorzugeben – mitunter aus dem Grund, dass man diesen Weg selbst nicht geschafft hat. Oft gibt man auch Druck hinter vorgehaltener Hand weiter: „Du kannst ja werden, was du willst, aber schau was du hier in meiner Firma für Möglichkeiten hast“. Das Resultat ist meist, dass man – je nach Temperament des Kindes – offenen oder verdeckten Widerstand erntet, Desinteresse oder gar Verzweiflung.

So unterstützen Sie Ihr Kind

1. Seien Sie in einer guten Beziehung zu Ihrem Kind. Wenn man miteinander in Resonanz ist, lässt es sich besser reden.
2. Achten Sie darauf, wie Ihr Kind mit Herausforderungen umgeht. Bestärken Sie es frühzeitig darin, sich Kompetenz anzueignen.
3. Entdecken Sie die Leidenschaften und Stärken Ihres Kindes und fördern diese. Versuchen Sie nicht, aus ihm einen Perfektionisten zu machen, sondern ermöglichen Sie Dinge.
4. Nehmen Sie die Berufswünsche Ihres Kindes ernst. Bekräftigen Sie Eigeninitiative und halten Sie sich mit Berufsbewertungen zurück.
5. Übernehmen Sie die Rolle des Unterstützers, der hilft, gute Entscheidungen zu treffen. Seien Sie nicht der Entscheidungstreffer.
6. Greifen Sie aber entschieden ein und äußern Sie Widerstand, wenn Ihr Kind seine Ausbildung vernachlässigt.
7. Lassen Sie Ihrem Kind bei der Wahl Zeit – und auch sich selbst, um Dinge zu kommentieren und zu organisieren. Mehrere Versuche, Berufs- oder Studienwechsel sind in Ordnung.
8. Nutzen Sie mit Ihrem Kind die Vielzahl von Informationsmöglichkeiten über Berufe.
9. Praktika sind eine gute Möglichkeit, um Berufe kennenzulernen. Lassen Sie Ihr Kind, wenn es möchte, auch an Ihrem Berufsfeld teilhaben. So schaffen Sie mehrere Optionen.

DER EXPERTE

Dr. Philip Streit ist Psychologe, Psychotherapeut und Lebens- und Sozialberater.
Seit 20 Jahren leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das größte Familientherapiezentrum der Steiermark.
Kontakt: Tel. 0316/77 43 44, www.ikjf.at
Jede Woche beantwortet er in der „WOCHE“ eine Frage aus dem Themenfeld Erziehung und Beziehung.
Ihre Anregungen und Fragen können Sie an die Redaktion schicken.
Die E-Mail-Adresse dafür lautet: elisabeth.poetler@woche.at

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