1 Quadratmeter für 1 Stunde Hilfe
"Wohnen für Hilfe" vermittelt seit 20 Jahren mietfreien Wohnraum an Studenten in Graz.
Traudl, Rudolf und Radimir leben in einer WG am Grazer Rosenhain. Eigentlich keine Meldung in der Zeitung wert, Wohngemeinschaften sind in einer Stadt mit rund 45.000 Studenten nichts Besonderes. Auch, dass Radimir aus Bulgarien kommt und für sein Musikstudium nach Graz gekommen ist, verwundert wahrscheinlich niemanden.
Mietfrei wohnen
Nicht ganz so gewöhnlich ist aber, dass Traudl und Rudolf Szyszkowitz beide über 70 Jahre alt sind, womit fast fünf Jahrzehnte zwischen ihnen und ihrem jungen Mitbewohner liegen. Noch ungewöhnlicher ist aber, dass Radimir Ivanov Popov, wie der 26-Jährige mit vollem Namen heißt, keine Miete bezahlen muss, um im Haus der Szyszkowitz’ leben zu dürfen. Möglich gemacht hat das die Initiative "Wohnen für Hilfe", die nun bereits seit 1995 mietfreien Wohnraum zwischen Studenten und Menschen vermittelt, die Hilfe im Haus, in der Wohnung oder im Garten benötigen.
"Schön, zu teilen"
"Ich finde es schön, wenn wieder Leben im Haus ist, nachdem unsere Kinder schon lange ausgezogen sind", freut sich Traudl Szyszkowitz die mit ihrem Mann schon vor 20 Jahren das erste mal einen Studenten bei sich aufgenommen hat. "Und ich finde es schön, wenn geteilt wird, was man hat. Der viele Platz hier bleibt sonst ja ungenützt." Das Prinzip lautet dabei 1 m² Wohnfläche für eine Stunde Hilfe im Monat. Wie diese Hilfestellung aussehen soll, kann jede WG selbst regeln. "Ich schaufle im Winter Schnee und im Frühling mähe ich den Rasen und helfe im Garten. Dafür habe ich hier alles zur Verfügung, was ich zum Leben brauche", erzählt der Bulgare, wie er seit dem Herbst 2013 seine Wohnkosten abarbeitet.
"Wir profitieren auf jeden Fall davon, dass Radimir bei uns lebt", ist auch Rudolf Szyszkowitz zufrieden. Und die Zufriedenheit beschränkt sich nicht nur auf die Hilfe im Garten, denn so oft es geht, setzt sich der Musikstudent auch an den Bösendorfer-Flügel seiner Vermieter: "Er spielt so gut – ich genieße es sehr wenn er übt", erzählt Rudolf Szyszkowitz und fügt lachend hinzu: "Nur während der Nachrichten ist es mir lieber, wenn es ruhig ist."
So funktioniert "Wohnen für Hilfe"
Das Projekt "Wohnen für Hilfe" existiert in Zusammenarbeit mit der ÖH Graz seit 20 Jahren.
Dabei wird Wohnraum an Studenten vermittelt, die als Gegenleistung Hilfe in Form von Einkauf, Behördenwegen oder Vorlesen anbieten.
Jeden Donnerstag können sich Interessierte von 10-12 Uhr im Sozialreferat der ÖH in der Schubertstraße 6A, 8010 Graz, informieren.
Gesucht werden vor allem Menschen, die bereit sind Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Telefon: 0316/380 29 50
Info:wohnenfuerhilfe-oehgraz.at
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