Neuer Stadtteil
Was die "Reininghauser" eint und woran es hakt
Reininghaus wächst: Soziologie-Studierende der Uni Graz halten im Rahmen ihrer Forschungspraktika die Aufbruchsstimmung, Verbindendes und Knackpunkte im neuen Stadtteil fest.
GRAZ. Mit der sukzessiven Besiedelung des Stadtteils Reininghaus hat im Grazer Westen Pioniergeist Einzug gehalten – und das im doppelten Sinn. Einerseits gestalten die ersten Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels, das sich über die drei Bezirke Wetzelsdorf, Eggenberg und Gries erstreckt, ihre neue Heimat maßgeblich mit. Andererseits begleiten Soziologie-Studierende der Uni Graz das Großprojekt und leisten damit Grundlagenforschung für ein neues Kapitel der Stadtgeschichte. Interessant sei dies, nicht obwohl, sondern gerade weil das soziale Gefüge erst im Entstehen begriffen ist, wie die beiden Lehrveranstaltungsleiterinnen Anja Eder und Karin Scaria-Braunstein betonen.
"Wir hatten sozusagen das Privileg, von Beginn an beim Entstehen eines neuen Stadtteils dabei zu sein. Zum Zeitpunkt unserer ersten Erhebung (Anm. im Herbst 2021) haben dort maximal 500 Menschen gewohnt und jetzt sind es mehrere Tausend", so Eder. "Dabei ist der Prozess unglaublich dynamisch", ergänzt Scaria-Braunstein. Um nicht nur isolierte Momentaufnahmen abzubilden, habe man mit dem Stadtteilmanagement eine länger andauernde Begleitung vereinbart. Und so schnell wird der Stoff den Forschenden nicht ausgehen. Schließlich sollen bis zur Fertigstellung des neuen Stadtteils 2025 auf insgesamt 54 Hektar Fläche (fast 76 Fußballfelder) in 20 sogenannten Quartieren 10.000 Menschen ihr Zuhause finden.
Subjektive Sicherheit
"Das subjektive Sicherheitsgefühl ist sehr hoch", verrät Eder, "als wichtigste Faktoren dafür wurde die Architektur – Beleuchtung, breite Gehwege, gute Einsehbarkeit und große, übersichtliche Plätze – genannt. Als bedenklich wurde in einzelnen Interviews hingegen die große Zugänglichkeit beschrieben." Zwar gebe es Probleme mit Baustellenkriminalität, "aus Sicht der Polizei aber in einem Ausmaß wie überall anders auch", wie die Soziologin erläutert.
In Sachen Lebensstile zeige sich jedenfalls eine große Vielfalt – auch weil es einerseits Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer gebe, die langfristig bleiben möchten, und andererseits Mieterinnen und Mieter, die sich bei ihrem Wohnort deutlich flexibler zeigen und bloß wegen der momentanen Verfügbarkeit nach Reininghaus gekommen sind.
Verkehr und Infrastruktur
Was aber eint die "Ur-Reininghauser"? "Gewisse Muster lassen sich schon erkennen", so Scaria-Braunstein, "um ein Beispiel zu nennen: Die Themen Nachhaltigkeit und sanfte Mobilität ziehen an." Die öffentliche Verkehrsanbindung, großzügige Grünanlagen und das Carsharing-Modell sowie die autofreie Zone werden positiv gesehen und – "hier zeigt sich die Ambivalenz" – gleichzeitig von Teilen der Befragten das geringe Angebot an Parkplätzen als negativ empfunden. Dabei wünschen sich einige die Autostellplätze in erster Linie für Besuch, dem man – vor allem bei weiter Anreise – kaum vorschreiben könne, öffentlich oder mit dem Fahrrad zu kommen.
Bei allem Pioniergeist gibt es aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse zwar Reibereien, prinzipiell überwiege aber das Vertrauen in das Großprojekt, das in seiner Bedeutung für den Ballungsraum – trotz anderer Dimension – mit der Seestadt Aspern im Osten Wiens verglichen werden kann. Bis die Infrastruktur im Grazer Westen komplett ist, braucht es freilich noch eine gute Portion Geduld – etwas weniger hingegen für die neuesten Erkenntnisse der Studierenden über das (Zusammen-)Leben in Reininghaus, die Ende Juni veröffentlicht werden.
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