Familienflüsterer Dr. Streit
Wenn Kinder unter Belastung stehen
Der Psychologe Philip Streit gibt Tipps wie Kinder, die Katastrophen wie etwa die aktuellen Unwetter erlebt haben, gestärkt werden können.
GRAZ. Es war nicht zu übersehen und ist nicht abzuwenden: Nach Unwettern und schier endlosen Regengüssen treten Flüsse über das Ufer und überschwemmen alles, der Wind deckt Dächer ab, Bäume stürzen um. Plötzlich ist alles weg: Das Haus, die Wohnung, das Kinderzimmer. Die Unwetter haben uns alle betroffen gemacht und viele Belastungen mit sich gebracht – und sie können traumatisieren, im Speziellen auch Kinder. Doch was ist ein Trauma überhaupt? Der Begriff Trauma steht für eine psychische Ausnahmesituation aufgrund überwältigender Ereignisse wie Gewalt, Krieg oder Katastrophen, die eine Bedrohung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit darstellen.
Traumatisierende Erfahrungen
In der Psychologie teilt man traumatisierende Erfahrungen in zwei Kategorein ein: Typ 1 sind einmalige Ereignisse, Typ 2 sich wiederholende Ereignisse, wie etwa auch bedrohliche zwischenmenschliche Erfahrungen. Ein Typ 1 Trauma kann etwa aufgrund der Zerstörung und Bedrohung durch Unwetter entstehen. Derartige belastenden Ereignisse können durchaus gut verarbeitet werden, Posttraumatische Belastunggsstörungen sind hier eher selten. Kinder sind jedoch besonders gefährdet, weil sie aufgrund ihrer kognitiven Entwicklung noch nicht in der Lage sind, die Dinge einzuordnen und ihnen entsprechende Ressourcen fehlen. Es kann zu Gefühlen von Ohnmacht, Hilflosigkeit, Ängsten, Übererregung und Schlaflosigkeit kommen.
Das Risiko, dass es nach traumatischen Ereignissen zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung kommt, ist zwei bis drei Monate nach Eintreten des Ereignisses am größten. Umso wichtiger ist es, als Elternteil und Erwachsene präsent zu sein. Gerade Kinder, die etwa eine Naturkatastrophe erleben, haben einen erhöhten Bedarf nach Sicherheit, Nähe und Geborgenheit. Hier einige Tipps, was getan werden kann.
Tipps vom Familienflüsterer
- Vermittele deinem Kind ein Gefühl der Sicherheit, etwa: "Wir, deine Eltern, sind für dich da und wir bleiben da."
- Sei achtsam und sorgsam.
- Gib einen klaren Rahmen vor und stelle einen klaren, strukturieren Tagesablauf her.
- Schicke dein Kind nicht weg aus dem Szenario, sondern erkläre die Fakten altersgemäß und sachlich sowie mit der nötigen Prise Zuversicht.
- Höre deinem Kind zu und lass es von seinen Erlebnissen erzählen.
- Rede mit den Kindern über das Geschehen. Wesentlich dabei: Bagatellisiere nicht, aber übertreibe auch nicht. Und: Zeig eine positive Perspektive auf, lege die Aufmerksamkeit auf eine gute Zukunft und sei ein Vorbild der Hoffnung.
- Rege Aktivitäten an, bei denen Kinder ihre Kraft und freudvolle Momente erleben können. Lasse Kinder Tätigkeiten erledigen, die sie begeistern.
- Sei ehrlich auch in Bezug auf deine Gefühle.
- Versinke selbst nicht im Jammern über das Traumatische, sondern denke: Ich habe es in der Hand eine positive Zukunft zu gestalten und bin nicht Opfer der Umstände, egal wie herausfordernd es ist.
- Wenn du merkst, dass du Unterstützung brauchst und bei deinem Kind Veränderungen wie Schlaflosigkeit oder Ängstlichkeit beobachtest, wende dsich an eine psychologische Einrichtung.
Der Experte
Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das Institut für Kind, Jugend und Familie in Graz, das unter 0316 77 43 44 für dich da ist. Hast du Fragen, wie du dein Leben gestalten sollst, brauchst du Rat? Deine Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@regionalmedien.atMehr Tipps vom Familienflüsterer liest du hier:
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