Obdachlosigkeit in Graz
Zwischen Mitmenschlichkeit und Ablehnung
Ein Obdachloser in Mariatrost sorgt für Sorge aber auch Irritationen bei seinen Mitmenschen. Warum Hilfe für diese Menschen ihre Zeit braucht und man auch Verständnis haben sollte, wenn sie abgelehnt wird, berichtet Jakob Url von der Caritas.
GRAZ/MARIATROST. Fällt der Begriff Obdachlosigkeit, ist in Bezug auf obdachlose Personen oft der Begriff "Randgruppe" nicht fern. Randgruppe auch deshalb, weil Menschen, die über keinen festen Wohnsitz verfügen, gerne an den Rand geschoben und übersehen werden. So sind es mitunter Schlagzeilen, wie "Obdachloser in Graz angezündet" (MeinBezirk berichtete: Obdachloser am Lendplatz von unbekanntem Täter angezündet), die dieses Thema wieder ins Gedächtnis rufen und daran erinnern, dass obdachlose Menschen mitten unter uns, eben im öffentlichen Raum, leben.
Situation in Mariatrost
So auch im Bezirk Mariatrost, wo seit einigen Jahren ein obdachloser Mann lebt. Derzeit hat dieser sein Quartier an der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 1 bei den dortigen Fahrradabstellplätzen aufgeschlagen. Der Ort ist entsprechend vielfach frequentiert, fungiert an Samstagen als Marktplatz. Die Anwesenheit des Obdachlosen hat entsprechend für Sorgen und Beschwerden gesorgt, wie Bezirksvorsteher Helmut Schwab (KPÖ) berichtet. "Das Sozialamt ist eingeschaltet und unterstützt den Mann generell. Auch Bürgermeisterin Elke Kahr hat sich des Problems angenommen", erklärt Schwab. Aggressiv sei der Mann nicht, bisher konnte er aber auch nicht dazu bewegt werden, sein Quartier aufzugeben.
Eine Situation, die an einen anderen Obdachlosen erinnert, der längere Zeit am Grazer Hauptplatz sein Quartier bezogen hatte, und lange nicht dazu bewegt werden konnte, ein Hilfsangebot anzunehmen oder sein Quartier zu wechseln. Jakob Url, Leiter des Kältebus und der Winternotschlafstelle der Caritas Steiermark, kennt solche Situationen, auch der Obdachlose in Mariatrost ist ihm nicht unbekannt. "Oft ist es eine Sache vom richtigen Angebot zur richtigen Zeit", beschreibt Url. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas seien häufig über längere Zeit mit obdachlosen Personen im Austausch, der erste Kontakt komme häufig über das Kältetelefon.
"In der Folge versuchen wir Hilfsangebote zu machen, etwa einen Transfer in die Notschlafstelle. Viele wollen das aber nicht, dann schauen wir, dass wir diese Menschen regelmäßig besuchen und sie anderweitig unterstützen, etwa mit Schlafsäcken, Isomatten oder Kleidung", so Url. Die Gründe, Hilfsangebote auszuschlagen, sind vielfältig. "Manche kennen unsere Angebote nicht, andere haben Vorurteile", erklärt Url, "Natürlich versuchen wir diese aufzubrechen, aber man muss auch Verständnis dafür haben, wenn Menschen diese nicht annehmen wollen."
Aus den Augen, aus dem Sinn?
Zumindest eine zwischenzeitliche Lösung würde Helmut Schwab für den Obdachlosen in an der Endhaltestelle der Linie 1 vorschweben. So hatte der Mann früher sein Quartier in einem überdachten Wartebereich an der alten Endhaltestelle eingerichtet, dieses Areal wurde jedoch seitens der Holding Graz von einem Zaun abgesperrt. "Darum hat der Mann sein Quartier in den weniger geschützten Bereich beim Fahrrad-Abstellplatz verlegt und ist mehr in den Blick der Öffentlichkeit gerückt.", so Schwab. Er regt nun an den umzäunten Bereich wieder zu öffnen um so diesem Menschen einen besser geschützten Lebensbereich zu geben, bis eine dauerhafte Lösung gefunden wird.
Es sind geschützte Bereiche, die ins Gewicht fallen, wenn an jene schreckliche Tat vor gedacht wird, wo ein zunächst unbekannter Täter einen Obdachlosen am Lendplatz in Brand gesteckt hat. "Das war ein absolut tragisches Ereignis, glücklicherweise wurde die Gefahr schnell gebannt und der Täter gefasst", erklärt Url, "in Graz sind solche Taten Gott sei Dank nicht die Regel." Er findet jedoch kritische Worte gegenüber der gesellschaftlichen Verdrängung dieser Menschen, nach dem Motto: Aus dem Auge, aus dem Sinn: "Obdachlosigkeit lässt sich nicht von heute auf morgen lösen, auch unsere Hilfsmaßnahmen sind freiwillig. Es braucht Verständnis, wenn manche Menschen diese nicht annehmen. Wir sollten als Gesellschaft lernen, das zu tolerieren und über den Dinge stehen."
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