Caritas thematisiert Teuerung
Immer mehr Österreicher rutschen in Armut
Für umfassende Reformen des Sozialnetzes und nachhaltige Hilfe statt einmaliger Finanzspritzen plädiert Caritas-Präsident Michael Landau bei der Vorstellung der Kampagne "Mehrkosten. Mehr Hilfe!" in Graz.
GRAZ/ÖSTERREICH. "Früher haben wir einfach Butterbrot gegessen, wenn das Geld knapp geworden ist – heute können wir uns nicht einmal das mehr leisten", verrät eine Frau bei der kostenlosen Lebensmittelausgabe der Caritas in Graz-Lend. Situationen wie diese sind in Österreich keine Einzelfälle und haben angesichts der massiven Teuerungswelle ein trauriges Niveau erreicht. Wie es bei ihr im Winter mit dem Heizen aussehen werde, erkundigt sich Caritas-Präsident Michael Landau bei der Frau. "Mehrere Pullover und Jacke und zwei Paar dicke Socken", sinniert diese und meint damit nicht ihre Bekleidung für draußen, sondern für innerhalb ihrer Wohnung – "ganz ehrlich: Ich weiß nicht, wie es weitergeht."
Steigende Armut in Österreich
Im Zuge ihres Besuches im steirischen Caritas-Sozialzentrum Marianum zeichnen Landau, Caritas-Generalsekretärin Anna Parr und Caritas Steiermark Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler ein besorgniserregendes Bild. Allein in Österreich mussten aufgrund anhaltender Krisen zuletzt 2,3 Millionen Menschen Einkommensverluste hinnehmen, werden der durchschnittliche Lebensmitteleinkauf um fast 15 Prozent teurer wurden. Steigende Energie-, Sprit- und Heizkosten taten ihr Übrigens.
"Die Teuerung trifft alle, aber definitiv nicht alle gleich – und inzwischen auch Menschen, von denen wir es nie gedacht hätten", so Michael Landau. Bei der Caritas gebe es daher immer mehr Erstkontakte: "Viele schämen sich. Dabei ist unübersehbar, dass immer mehr Arbeitende Gefahr laufen, in Armut abzurutschen. Die Armut dringt in Mitte der Gesellschaft ein."
Forderung: "Armutsfestes Sozialnetz"
Anlässlich der zunehmend prekären Situation fordert die Caritas im Rahmen der Kampagne "Mehrkosten. Mehr Hilfe!" nachhaltige Unterstützung und einen starken Sozialstaat. Dazu zählt man die grundlegende Reform der Sozialhilfe "als letztes Auffangnetz für alle Menschen in Österreich". Denn, so betont Caritas-Generalsekretärin Anna Parr: "Entgegen aller Vorurteile können Menschen unter der Armutsgrenze sehr gut mit Geld umgehen, weil sie keinen Euro unbedacht ausgeben. Schon vor der Teuerung haben sie keinen finanziellen Spielraum gehabt. Einsparen können sie de facto nichts, weil sie ohnehin nie in Urlaub fahren oder in ein Restaurant gehen."
Zudem setzt man sich für eine deutliche Anhebung der Mindestpensionen über die Armutsgefährdungsschwelle ein. "Einen Schutzschirm braucht es aktuell aber noch für weitere Zielgruppen, nämlich die 1,4 Millionen Haushalte aus dem untersten Einkommensdrittel", so Parr. Neben dem sogenannten Stromkostendeckel brauche es seitens der Bundesregierung im Hinblick auf den Winter eine rasche und unbürokratische Lösung für das Heizen.
"Die durchschnittliche Höhe der Mietrückstände liegt deutlich über den Werten früherer Jahre", weiß die steirische Caritas-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler aus den Beratungsstellen zu berichten. Auch psychische Erkrankungen seien inzwischen ein großes Problem in der Gesellschaft und "Auslöser, dass Menschen aus dem Gleis geraten und ihre Wohnung verlieren." Umso wichtiger, sei jetzt ein den multiplen Krisen angemessenes Eingreifen des Staates, ist Tödtling-Musenbichler überzeugt. Niemand soll alleine gelassen werden, "weil es sehr viel Kraft kostet, sich gegen das Abrutschen in die Armut zu stemmen."
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