KI Experte Michael Katzlberger zu Gast in Graz
“In naher Zukunft wird KI das Rückgrat jedes Teams sein”

- vlnr: Martin Novak, PRVA Steiermark, KI-Experte Michael Katzlberger, Christian Taucher, PRVA Steiermark
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- hochgeladen von Christian Taucher
Auf Einladung das Public Relations Verbandes Austria (PRVA) und der CIS - Creative Industries Styria - war KI-Experte Michael Katzlberger zu Gast im UNICORN in Graz. Er beschäftigt sich seit 2016 mit den Möglichkeiten und Auswirkungen von künstlicher Intelligenz (KI) in der Kreativwirtschaft und gab aktuelle Einblicke in dieses zukunftsweisende Thema. KI sei gekommen um zu bleiben und werde die bisherigen Geschäftsmodelle in der Kreativwirtschaft massiv verändern. Im Interview zeigt Michael Katzlberger auf, warum es Sinn macht, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und auch Ängste davor abzulegen.
Wird es in Zukunft noch Jobs wie Designer, Texter oder Grafiker geben?
Definitiv ja, aber in veränderter Form. Die Kreativen der Zukunft werden zu Kuratoren, die mit KI als leistungsstarkem Werkzeug arbeiten. Der Mensch bleibt im Loop, und das wird auch noch länger so sein. Kreativprofis werden also gewissermaßen zu Dirigenten, die aus den hunderten von KI-generierten Ideen die wirklich brillanten herausfischen und weiterentwickeln.
Denn KI kann zwar beeindruckende Bilder, Texte, Videos und sogar Musik erzeugen, aber ihr fehlt (noch) das tiefe kulturelle Verständnis, das kontextuelle Feingefühl und die Fähigkeit zur echten Innovation. Deshalb bleibt der Mensch als Bewerter der KI-Ergebnisse unverzichtbar.
Was muss ein Prompt Engineer können?
Ein guter Prompt Engineer ist ein Übersetzer zwischen menschlicher Kreativität und maschineller Umsetzung. Genauso wie man Menschen anleiten kann, etwas zu tun, kann man das mit generativer KI tun – in den meisten Fällen mit Text- oder Spracheingabe, also dem vielzitierten “Prompting”.
Diese Person braucht ein tiefes Verständnis verschiedenster KI-Modelle – ihrer Stärken, Schwächen und besonderen Eigenheiten. Sie benötigt exzellente kommunikative Fähigkeiten, um präzise Anweisungen zu formulieren. Entscheidend ist fundiertes Domänenwissen im jeweiligen Fachgebiet. Ein Prompt Engineer für Visual Design muss verstehen, was gutes Design ausmacht. Ein Prompt Engineer für Marketingtexte muss die Prinzipien wirksamer Kommunikation beherrschen, usw.
Es geht nicht nur darum, der KI zu sagen, was sie tun soll, sondern auch wie sie es tun soll. Die besten Prompt Engineers denken mehrere Schritte voraus und bauen komplexe Anweisungsketten, die die KI Schritt für Schritt zu einem optimalen Ergebnis führen. Es ist eine faszinierende Kombination aus technischem Verständnis und kreativem Denken, ich persönlich liebe diesen Prozess.
Warum braucht es Menschen mit beruflicher Erfahrung, wenn KI den kreativen Prozess steuert?
Die KI liefert hunderte Ideen, aus denen die beste ausgewählt werden muss. Genau hier liegt der entscheidende Punkt: Wer soll diese Auswahl treffen? Das kann nur ein Mensch mit Erfahrung sein – hier sind Leute mit vielen Jahren in der Industrie gefragt und gefordert.
Die große Ironie ist, dass gerade in einer Zeit, in der alles immer schneller und technologischer wird, die menschliche Erfahrung unersetzlicher ist denn je. Die KI ist brillant darin, bestehende Muster zu erkennen und zu reproduzieren, aber sie besitzt noch kein eigenständiges Urteilsvermögen.
Menschen mit solider Ausbildung, umfangreichem Allgemeinwissen und jahrelanger Berufserfahrung haben etwas, das kein KI-Modell ersetzen kann: ein durch hunderte Projekte, Erfolge und Fehler geschärftes Gespür dafür, was funktioniert und was nicht. Sie erkennen sofort, wenn eine KI-generierte Idee zwar technisch beeindruckend, aber strategisch sinnlos ist. Sie wissen, welche kreativen Ansätze in der Vergangenheit bei ähnlichen Herausforderungen funktioniert haben und welche nicht.
Erfahrene Kreative verstehen die subtilen kulturellen Kontexte, die lokalen Besonderheiten und die emotionalen Nuancen, die eine KI nicht vollständig erfassen kann. Sie können die Qualität der KI-Outputs beurteilen und signifikant verbessern. Sie sind nicht Opfer der KI-Revolution, sondern ihre wertvollsten Dirigenten.
"Die Zukunft gehört den Unternehmen, die beides meistern: die Effizienz der KI und die Tiefe des menschlichen Urteils." Michael Katzlberger
Wie gelingt das lebenslange Lernen für KI-Fitness?
KI-fit bleiben erfordert eine Mischung aus Neugier, Struktur und praktischer Anwendung. Als ich 2016 begann, KI in Kreativprozesse zu integrieren, waren alle skeptisch. Heute bin ich ganz froh, dass ich durchgehalten habe.
Für lebenslanges Lernen im KI-Bereich ist regelmäßige praktische Anwendung entscheidend. Nichts ist effektiver als Learning by Doing. Die Tools müssen selbst ausprobiert werden, man muss mit ihnen experimentieren und eigene Projekte durchführen – und zwar kontinuierlich, nicht nur einmalig.
Ebenso wichtig ist systematischer Wissensaufbau. Es gibt hervorragende Online-Kurse, Webinare und Literatur zu KI, die oft auch kostenlos sind (siehe Links). Auch der Austausch mit Kollegen, in Online-Communities oder auf Konferenzen ist unerlässlich. Beratungen und Schulungen durch Experten sind sicher sinnvoll, denn niemand weiß alles – dafür ist das KI-Thema viel zu umfangreich.
Nicht zuletzt braucht es Hausverstand und eine gesunde Frustrationstoleranz. Wenn man mit Generative AI-Tools arbeitet, muss man damit rechnen, dass man nicht immer die erwarteten Ergebnisse erhält. KI-Lernen ist kein linearer Prozess – es gibt Rückschläge, Irrwege und Momente der Überforderung. Eine gewisse Frustrationstoleranz ist daher unverzichtbar.
Was ist das "next big thing" in der KI für die Kreativwirtschaft?
Das absolute Next Big Thing sind die KI-Assistenten oder AI Agents, die in AGI (Artificial General Intelligence) münden werden. Ein AI Agent ist ein autonomes System, das eigenständig Aufgaben erledigen kann, indem es seinen Arbeitsablauf selbst strukturiert und verfügbare Werkzeuge einsetzt. Das Herzstück dieser Agenten sind große Sprachmodelle.
Diese Assistenten werden in den nächsten Jahren das Arbeitsleben komplett verändern. Sie sind eine echte Revolution, weil sie nicht nur einzelne Aufgaben erledigen, sondern komplexe Prozesse selbstständig durchführen können – von der Recherche über die Konzeption bis zur Umsetzung, wie am Beispiel des chinesischen Assistenten Manus eindrucksvoll zu sehen ist.
Ein weiterer Megatrend sind die KI-gestützten Reasoning-Modelle, wie die “o” Serie von OpenAI. Sie werfen nicht nur Zufallstexte aus, sondern denken darüber nach, was sie tun und listen ihre Denkschritte und Schlussfolgerungen auf. Das funktioniert erstaunlich gut.
Für Unternehmen in der Kreativwirtschaft bedeutet das: Investiert in die Integration von KI-Assistenten in eure Workflows. Unternehmen und Mitarbeiter müssen für KI begeistert werden. Es gilt herauszufinden, wo man KI im Unternehmen sinnvoll einsetzen kann und eine Strategie zu entwickeln, wie diese Assistenten so trainiert werden können, dass sie Markensprache, Designprinzipien und Unternehmenswerte verstehen und umsetzen.
Gleichzeitig sollten Firmen in die menschlichen Fähigkeiten investieren, die KI nicht ersetzen kann: strategisches Denken, kulturelles Verständnis, emotionale Intelligenz und ethische Reflexion. Die Zukunft gehört den Unternehmen, die beides meistern: die Effizienz der KI und die Tiefe des menschlichen Urteils.
Welche Branchen werden noch massiv von KI betroffen sein?
Fast jede Branche wird von KI transformiert werden, aber einige stehen vor besonders dramatischen Veränderungen. Im Bildungswesen sehen wir bereits, wie KI den Unterricht personalisiert. Eine aktuelle Studie der Hochschule Darmstadt belegt, dass über 90% aller Schüler und Studenten bereits ChatGPT nutzen. Bald werden wir KI-Tutoren erleben, die sich perfekt an den individuellen Lernstil jedes Schülers anpassen.
Die Gesundheitsbranche steht vor einer Revolution, vor allem in der Forschung und Diagnostik. KI kann jetzt schon radiologische Bilder oft genauer auswerten als menschliche Ärzte und wird bald komplexe Behandlungspläne individuell personalisieren können. Die Präzision und Geschwindigkeit, mit der medizinische Daten analysiert werden können, wird die Patientenversorgung grundlegend verändern.
Auch im Finanzwesen vollzieht sich ein dramatischer Wandel. Die Fähigkeit, Muster in riesigen Datenmengen zu erkennen und Marktentwicklungen vorherzusagen, wird das Investmentgeschäft neu definieren.
Die Rechtsbranche erlebt einen Umbruch durch KI-basierte Dokumentenanalyse und Rechtsrecherche. Routineaufgaben, die früher junge Anwälte beschäftigten, werden zunehmend automatisiert. Die Fähigkeit, komplexe Rechtsdokumente zu analysieren und relevante Präzedenzfälle zu finden, macht die Rechtsberatung effizienter und zugänglicher.
Die Landwirtschaft wird durch präzise KI-gesteuerte Wetterberichte, Bewässerung, Düngung und Erntevorhersagen revolutioniert. Autonome Landmaschinen werden zum Standard und ermöglichen eine nachhaltigere und produktivere Landwirtschaft mit weniger Ressourcenverbrauch.
Auch der öffentliche Sektor wird durchgerüttelt werden. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind gravierend – das ist eine echte Job-Revolution. Die Frage ist: Wo ist die KI-Strategie Österreichs? Wir machen derzeit Politik für morgen mit Ideen von gestern, das kann nicht gut gehen.
Am Ende geht es nicht nur um einzelne Branchen, sondern um ein fundamentales Umdenken. Wir haben mit KI eine neue Spezies erschaffen, diesen Geist bekommen wir nicht mehr in die Flasche zurück. Die eigentliche Frage ist nicht, welche Branchen betroffen sein werden, sondern wie wir als Gesellschaft mit dieser Transformation umgehen – wie wir ihre Chancen nutzen und ihre Risiken beherrschen.
Die besten mit KI gestalteten Videos in einer Playlist
KI-Musik am Beispiel Klassik und Soundtrack
Online Weiterbildungen zum Thema KI in der Kreativwirtschaft
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