Interview
Sebastian Prödl: "Müssen Eigenwillen der Spieler stärker fördern"

- Mit dem Blick auf die Einsatzzeiten von heimischen Talenten in der Bundesliga sieht Prödl die Vereine in der Pflicht.
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Sebastian Prödl ist seit Dezember in neuer Funktion beim ÖFB und soll dabei helfen, den Verband neu auszurichten und vor allem junge Talente, die aktuell rar gesät sind, auf den Sprung ins A-Team vorzubereiten. MeinBezirk stand der Steirer Rede und Antwort.
STEIERMARK/ÖSTERREICH. Die "goldene Generation" des österreichischen Nationalteams hat langsam aber sicher ihren Zenit erreicht. Marko Arnautovic (36) und David Alaba (33) sind immer noch Leistungsträger, werden aber nicht mehr jünger, Marcel Sabitzer ist zwar aktuell in Topform, aber ebenfalls schon über 30. Die junge Garde, die die alten Hasen aus dem Team drängt, lässt allerdings noch ein wenig auf sich warten. Auch deshalb wurde Sebastian Prödl im Dezember als sportlicher Leiter des Nachwuchses zum ÖFB geholt. Im Interview mit MeinBezirk spricht er über die ersten Monate in neuer Funktion, die Hürden für heimische Talente in der Bundesliga, den Fall Leon Grgic und erklärt, warum er vor allem Persönlichkeit und Eigenwillen wieder stärker fördern möchte.
- Einleitend: Wie waren die ersten Monate in der neuen Funktion?
Sebastian Prödl: Die ersten neun Monate waren aufregend, spannend und euphorisch zugleich. Sowohl intern als auch extern erwähne ich gerne, dass ich hervorragend aufgenommen wurde und ein Umfeld vorgefunden habe, in dem ich mich wohlfühle, mich entfalten und meine Ideen einbringen kann – und damit auf Respekt und Wertschätzung stoße. All das hat meinen Einstieg sehr erleichtert.

- Sebastian Prödl soll den Zulauf von Talenten beim ÖFB in neue Bahnen leiten. Enger Vertrauter dabei ist Teamchef Ralf Rangnick.
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- Was waren die wichtigsten Aufgaben in den ersten Monaten?
Ein Schwerpunkt liegt in der Talentidentifikation. Dabei geht es insbesondere darum, Spielerinnen und Spieler mit einer möglichen Option für einen zweiten Verband bestmöglich zu beraten und ihnen wie auch ihrem Umfeld aufzuzeigen, welche Perspektiven eine Karriere im österreichischen Nationalteam eröffnet.
- Wie siehst du die Fußball-Ausbildungen in Österreich im internationalen Vergleich? Sprich, wie gut sind die heimischen Kicker ausgebildet?
Die Ausbildung, die ja hauptsächlich in den LAZ (Landesausbildungszentrum), den NWZ (Nachwuchszentren) und den Akademien stattfindet, ist der zentrale Baustein. Wir möchten unser Ausbildungskonzept weiter stärken, insbesondere durch eine noch engere Verzahnung mit dem LAZ-Bereich als Vorstufe der Akademien. Ziel ist es, Spielerinnen und Spielern zusätzliche Impulse zu geben, um den Einstieg in die Akademien zu erleichtern und die fußballerische Basis noch besser zu verankern. Es geht darum, internationale Benchmarks zu erreichen, internationale Sichtweisen zu integrieren und gemeinsam mit den Akademien und P12-Trainerinnen und Trainern (Individualtraining für Talente) im kontinuierlichen Austausch zu bleiben. Immer mit dem Ziel, unsere Talente bestmöglich zu fordern.
- Wo gibt es hier Verbesserungspotenzial?
Ein zentrales Verbesserungspotenzial sehe ich im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Entscheidend ist, dass wir die Eigeninitiative und den Eigenwillen der Spielerinnen und Spieler wieder stärker fördern. So vielfältig das Ausbildungsangebot auch sein mag – letztlich geht es darum, dass im Spiel der Leistungsgedanke verankert wird und wir Leistungsgesellschaft fordern und fördern. Ab dem Akademiebereich liegt daher ein besonderer Fokus darauf, die Persönlichkeitsentwicklung gezielt zu unterstützen. Denn ohne Eigeninitiative helfen auch das beste Training und die besten Trainer nicht weiter.

- Leon Grgic galt schon lange als eines der größten Talente im Sturm-Nachwuchs, international will der Doppelstaatsbürger für Kroatien auflaufen.
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- Nach dem Entscheid von Leon Grgić für Kroatien spielen zu wollen, äußerte sich der ÖFB recht deutlich. Wie möchte man solchen Fällen in Zukunft realistisch vorbeugen?
Der Fall Leon Grgić ist für den ÖFB abgeschlossen. Natürlich reflektieren wir intern, was wir künftig noch besser machen können. Wichtig ist mir aber zu betonen, dass der Umgang mit Leon Grgić – anders, als es teilweise medial dargestellt wurde – sehr respektvoll und transparent war. Wir hatten sowohl mit ihm, mit seiner Familie und seinem Berater einen offenen und guten Austausch. Grundsätzlich gilt: Solche Fälle können wir weder verhindern noch vollständig beeinflussen. Unsere Aufgabe ist es, die Möglichkeiten und Perspektiven aufzuzeigen, die Österreich bietet. Dennoch wird es auch in Zukunft Spieler geben, die sich gegen Österreich entscheiden – sei es aus sportlichen Gründen oder aufgrund familiärer Emotionen und Bindungen. Dem können wir nur als Gesellschaft begegnen – mit einer Kultur der Integration, mit Respekt gegenüber anderen Nationen und Wurzeln und mit einem stärkeren Bewusstsein für Nationalstolz im Sport. Hier sind wir alle gefragt: Trainer, Mitspieler, Journalistinnen und Journalisten. Am Ende tragen wir gemeinsam Verantwortung, als "Co-Trainer" unseres A-Nationalteams, eine positive Identifikation mit Österreich zu fördern.
- Auf welche Qualitäten legt man bei der Förderung von jungen Talenten besonders wert?
Der Sport ist heute deutlich athletischer geworden. Gerade im Jugendbereich ist es aber wichtig, die Athletik zwar als entscheidenden Faktor mitzunehmen, gleichzeitig jedoch die Technik nicht zu vernachlässigen. Unser Ziel ist es, den temporeichen und intensiven Fußball, für den Österreich steht, weiterhin zu pflegen und zugleich im technischen Bereich den nächsten Schritt zu machen. Damit wollen wir unsere Spielerinnen und Spieler befähigen, Spielsituationen auf dem hohen Intensitätsniveau des modernen Fußballs noch besser zu lösen. Deshalb legen wir im Ausbildungskonzept und im Austausch mit den Akademien besonderen Wert auf diese technische Weiterentwicklung.

- Zu Zeiten von Xaver Schlager und Co. waren junge Österreicher ein fixer Bestandteil in der Startelf des damaligen Serienmeisters RB Salzburg. Heute sucht man dort heimische Talente vergeblich.
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- In der österreichischen Bundesliga bekommen viele junge Talente Spielzeit, die wenigsten davon sind aber für das österreichische Nationalteam spielberechtigt. Woran liegt es, dass heimische Talente so schwer Spielzeit bekommen bzw. länger brauchen, um fit für den Profibetrieb zu sein?
Ja, dieser Trend ist unübersehbar und für uns als ÖFB auch ein Warnsignal, das wir ernst nehmen. Die Hauptverantwortung liegt jedoch bei den Akademien und Vereinen. Dort muss intern die Frage gestellt werden, warum es an Talenten fehlt, die den letzten Schritt nach oben schaffen. Entscheidend ist, jungen Spielern das notwendige Vertrauen und Zeit zu geben, um sie auch auf höchstem Niveau einzusetzen. Deshalb sehen wir die Vereine klar in der Verantwortung, ihre Ausbildungsprozesse zu evaluieren und sicherzustellen, dass österreichische Talente die Chance bekommen, den Vorzug zu erhalten.
- Wenn du das mit deiner Profizeit vergleichst, war das früher anders?
Ich kann das nur mit meiner eigenen Karriere vergleichen. Damals bei Sturm Graz herrschte eine finanzielle Krise, kurz nach dem Konkurs war kein Geld vorhanden – junge Talente durften, ja mussten spielen. So habe auch ich meine Chance bekommen, konnte mich durchsetzen und das Vertrauen rechtfertigen. Mit heute ist das schwer zu vergleichen. Viele Vereine verfügen mittlerweile über deutlich mehr Mittel, sei es durch Transfers oder das internationale Geschäft. Dadurch können sie sich mit "Spielgeld" am Transfermarkt kreativ austoben. Aus rot-weiß-roter Perspektive ist das ein völlig anderes Zeitalter. Hinzu kommt, dass Vereine das aktuelle Ligasystem – mit Punkteteilung sowie Meister- und Abstiegsgruppe – als ständige Drucksituation empfinden. Oft fehlt dadurch der Mut, jungen österreichischen Talenten Einsatzzeit zu geben und etwas zu riskieren.
- Wie gut funktioniert die strategische Zusammenarbeit mit Vereinen im In- und Ausland?
Wie bereits erwähnt, versuchen wir, uns auch international bestmöglich aufzustellen. Dazu stehen wir als Verband im engen Austausch mit anderen Verbänden, aber auch mit Vereinen. Über die Trainerakademie oder beim Trainerkongress laden wir Expertinnen und Experten nach Österreich ein, um Vorträge zu halten und praxisnahe Einblicke zu geben.
Ziel ist es, aufzuzeigen, was im Rahmen des Möglichen liegt, Schnittmengen zu identifizieren und gezielt Verbesserungen umzusetzen. Gleichzeitig wollen wir über die Landesgrenzen hinaus Impulse setzen und internationale Inputs aktiv einfließen lassen.

- Prödl bezeichnet Teamchef Ralf Rangnick als "wichtiger Sparringpartner" in der Neuausrichtung des ÖFB.
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- Wie ist die Zusammenarbeit mit Ralf Rangnick?
Mit Ralf zu arbeiten, ist ein Privileg. Seine enorme Erfahrung und sein konsequenter Leistungsgedanke – der Wille, sich tagtäglich, ja beinahe stündlich zu verbessern – geben Energie und Treibstoff, an Dinge zu glauben, an die in Österreich vielleicht nicht viele glauben. Es geht dabei nicht nur darum, hin und wieder eine "goldene Generation" hervorzubringen oder sich gelegentlich zu qualifizieren, sondern darum, ein ständiger Teilnehmer bei Endrunden zu sein – im A-Team ebenso wie in der U21 und im gesamten Nachwuchsbereich. Mit Ralf ist es dem ÖFB gelungen, die Latte in der Zielsetzung höher zu legen. Für mich ist er daher ein zentraler Bestandteil und ein wichtiger Sparringpartner im gesamten Prozess der Neuausrichtung des Verbandes.
- Mittelfristig: Wie lautet deine persönliche Zielsetzung mit dem ÖFB?
Meine persönliche Zielsetzung deckt sich mit jener des ÖFB. Mit der Bestellung von Josef Pröll ist spürbar neuer Schwung in den Verband gekommen. Er hat der Sportdirektion den Auftrag gegeben, ein langfristiges, stabiles und personell unabhängiges Ziel zu entwickeln – und daran möchte ich mit meinem Input aktiv mitarbeiten. Entscheidend wird sein, dass wirklich alle an einem Strang ziehen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Präsidium, Bundesliga, Vereine und Akademien. Nur durch diesen Schulterschluss können wir als kleines Land unser großes Potenzial ausschöpfen.
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