Neue Ausstellung
Wo sich in Graz die (Zwei)räder drehen
Im GrazMuseum eröffnet heute mit "Hätte, hätte, Fahrradkette..." schon die zweite Schau des heurigen Jahres, die sich mit dem Thema "Mobilität" beschäftigt. Wie die ausgestellten Räder mit den Boliden der benachbarten Jochen-Rindt-Schau mithalten sollen, wissen die Kuratoren Bernhard Bachinger und Beat Gugger.
GRAZ. Im zweiten Stock des GrazMuseums stehen sich aktuell Welten gegenüber. Rechts der Eingang zu "Jochen Rindt, Mythos Graz" – und links ein Haufen Fahrräder. Tatsächlich hat es die Ausstellung "Hätte, hätte, Fahrradkette", die heute eröffnet wird, nicht gerade leicht, sich neben diesem berühmten Grazer zu behaupten. "Aber wir haben diese Herausforderung gerne angenommen und Jochen Rindt einfach Erzherzog Johann gegenübergestellt", leitet Kurator Beat Gugger in seine Schau ein, die noch bis Ende Juli nächsten Jahres zu sehen sein wird.
Ein Erzherzog auf dem Laufrad
Von Erzherzog Johann ist allerdings noch wenig zu sehen, wenn man sich in die neue Schau wagt. Stattdessen läuft hier Musik wie man sie eher bei einem klassischen Ringelspiel erwarten würde und ein rosarotes – sehr frei interpretiertes – Modell einer Draisine (manchen vielleicht eher unter "Laufrad" bekannt) heißt die Besucher willkommen. Damit ist der versprochene Erzherzog eigentlich schon da. Denn um 1820 herum ließ sich der seine eigene Draisine bauen und brachte damit den Vorläufer des Rades in die Steiermark. Das Modell war erst drei Jahre zuvor erfunden worden, Graz war für damalige Verhältnisse also durchaus am Puls der Zeit.
Ihrer Zeit voraus war nur ein paar Jahrzehnte später Elise Steininger, die den ersten Frauenradsportverein in der Stadt gründete und es damit auch international in die Schlagzeilen schaffte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt gab es in ganz Europa noch keinen vergleichbaren "Damen-Bicycle-Club".
Tallbikes und vieles mehr
Weiter spannt die Ausstellung einen Bogen vom Grazer Radrennfahrer Franz Gerger, der Anfang des letzten Jahrhunderts gleich acht Weltrekorde aufstellte, über die Radnetzplanung für die Stadt zur Zeit des Nationalsozialismus, bis hin zum heutigen Streckennetz. Auch mögliche Vorbilder für eine Weiterentwicklung – ein Blick in die Niederlande hat noch nie geschadet – dürfen nicht fehlen.
In insgesamt vier Räumen kann man im GrazMuseum ab heute in die Geschichte des Radfahrens in der Landeshauptstadt eintauchen und neben Liebhabermodellen (Stichwort: Tallbike) auch etliche historische Aufnahmen entdecken. "Graz hat sich in der Vergangenheit und auch heute noch als Radhauptstadt bezeichnet. Wir wollen zeigen, zu welchem Zeitpunkt das gerechtfertigt war und wann pure Selbstüberschätzung", fährt Gugger fort.
Geschichte erzählt Geschichten
Dafür haben sich die Kuratoren aber nicht nur auf Zahlen und Fakten gestürzt, sondern vor allem auf Geschichten von historischen Persönlichkeiten gesetzt. Und die müssen nicht unbedingt "berühmt" sein. So steht neben Erzherzog Johann die Geschichte einer gewissen Maria Mischinger, die in den 1930ern einen Radunfall in Puntigam hatte und stellvertretend für all die Arbeiterinnen aufscheint, denen das Rad zu diesem Zeitpunkt eine leichte Fortbewegung im Alltag ermöglichte. Oder aber auch Moritz Steirer, ein Mitarbeiter bei Velofood, der von seinem Job erzählt.
"Hätte, hätte, Fahrradkette..." ist sowas eine lockere Sonntagsfahrt durch die Grazer Stadtgeschichte – und wem das zu langsam ist, der kann auch zwei Stockwerke tiefer virtuell mit einem Rad durch Graz kurven. Ein unterhaltsamer Ritt ist es in jedem Fall.
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