Lehrlingselite als Zukunft der Industrie

- Im intensiven Gespräch: Johann Sommer, Patrick Riedl (beide Magna), Stefan Stolitzka und Joachim Dopplinger (Legero, v. l.) Foto: Schiffer
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Die WOCHE bat zum
Gespräch am runden Tisch: Gute Fachkräfte und deren Ausbildung sind
Leitthema in der Industrie.
Es kommt nicht von ungefähr, dass Stefan Stolitzka, Vizepräsident der steirischen Industriellenvereinigung (IV), den Begriff „Umsetzungselite“ verwendet, wenn er von den Lehrlingen in der Industrie spricht: „Nach der Krise der letzten Jahre spüren wir erstmals wieder so etwas wie Aufbruchsstimmung. Dafür brauchen wir aber Leute, die das auch umsetzen können“, so Stolitzka.
Denn auch in der Krise habe man gesehen, welchen Wert gute Mitarbeiter haben, das sie ein echter Standortvorteil sind: „Nur deshalb ist die Steiermark aus diesem Tief am besten in ganz Österreich herausgekommen. Wenn wir eine langfristig gesunde Entwicklung der Industrie wollen, so sind Lehre und Ausbildung das Fundament dafür.“
Viele Lehrstellen unbesetzt
Dies ist aktuell aber nicht so einfach: „Neue Lehrlinge sind sehr schwer zu bekommen, Lehrstellenplätze sind teilweise nicht zu besetzen“, kann Johann Sommer, Ausbildungsmeister bei Magna Steyr, aus erster Hand berichten. Dabei würde aus seiner Sicht vieles für den Lehrberuf sprechen: „Wir bieten in einem spannenden Umfeld sichere Jobs mit einem guten Einkommen. 80 Prozent der Lehrlinge sind fünf Jahre nach ihrem Abschluss immer noch im Unternehmen beschäftigt.“
Und warum kauft man dann nicht einfach Facharbeiter zu? Eine Frage, bei der Stolitzka und Sommer den Kopf schütteln: „Mitarbeiter, die im Unternehmen aufgewachsen sind, haben einen ganz anderen Bezug, weisen eine viel höhere Identifikation mit der Firma auf“, sind die beiden überzeugt.
Verantwortung übernehmen
Das beste Beispiel dafür hat Sommer an seiner Seite: Patrick Riedl ist als Maschinenbautechniker Jungfacharbeiter bei Magna Steyr – und auf dem Weg, zusätzlich auch noch seine Matura zu absolvieren. Er hat seine Berufswahl nie bereut: „Man gewinnt einen anderen Bezug zum Leben. Ich habe gelernt, mit Geld umzugehen, muss mir auch meine Zeit besser einteilen, ich weiß, dass ich Verantwortung übernehmen muss.“ Damit kompetente Kräfte wie er und auch sein Lehrlingskollege Joachim Dopplinger, kaufmännischer Schuhtechniker im dritten Jahrgang bei Legero, ihre Ziele erreichen, scheut man bei der Industrie keine Anstrengungen: „Wir erstellen mit den jungen Mitarbeitern einen Masterplan, der ihren Karriereweg im Unternehmen vorzeichnet, Zusatzausbildungen sind jederzeit möglich und auch gewünscht“, erläutert Sommer. So wird etwa in der Werkstatt einen Tag in der Woche nur Englisch gesprochen.
„Internationalität ist auch ein wesentliches Argument in unserem Bereich“, ergänzt Stolitzka, der seinen Mitarbeitern bei Legero auch immer wieder Auslandsaufenthalte ermöglicht.
Patrick Riedl und Joachim Dopplinger hatten beide das Glück, bei ihrer Berufsorientierung von engagierten Lehrern unterstützt zu werden – leider keine Selbstverständlichkeit. „Das Niveau in der Schule ist nicht gut genug und bereitet nicht auf das weitere Leben vor“, stoßen Sommer und Stolitzka ins selbe Horn. „Derzeit diskutiert man groß über eine Bildungsreform, doch die Lehre und das Lehrsystem sind dabei nicht einmal Thema“, kritisiert Stolitzka. Diesem Manko versucht man seitens der Industrie gegenzuwirken: „Wir arbeiten mit Lehrern zusammen, versuchen Informationen an den Schulen zu vermitteln.“
Denn es spreche vieles für die Lehre, vor allem die Aufstiegsmöglichkeiten, im besten Fall bis ganz nach oben: Auch Siegfried Wolf hat seine Karriere als Werkzeugmacher begonnen ...
Fakten:
Industriebeschäftigung und Lehre in der Steiermark – Zahlen und Fakten:
• Arbeitsmarkt
Veränderung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2010
Steiermark: – 10,9 %
Österreich: – 3,7 %
Wien: + 1,5 %
• Jugendliche und Lehrlinge
Veränderungen seit dem Jahr 2000
Zahl der 15-Jährigen in der Steiermark: – 10,1 %
Zahl der Industrielehrlinge in der Steiermark: + 12,1 %
Zahl aller Lehrlinge in der Steiermark: – 4,3 %
• Lehrlingsaufnahme Steiermark 2010
Industrielehrlinge im ersten Lehrjahr: 735
Im Vergleich zu 2009: + 6,2 %
• Behaltequote in der Industrie
5. Jahr nach der Lehrabschlussprüfung: mehr als 80 %
• Investitionen für die Lehrlingsausbildung in der Industrie: rund 90.000 Euro pro Lehrling
Lehrberufe:
Die häufigsten 10 Lehrberufe
in der steirischen Industrie:
1. Maschinenbautechnik 602
2. Zerspanungstechnik 274
3. Mechatronik 216
4. Metalltechnik (versch. Schwerpunkte) 199
5. Elektrobetriebstechnik 156
6. Werkzeugbautechnik 143
7. Industriekaufmann/-frau 109
8. Produktionstechniker/-in 108
9. Elektromaschinentechnik 80
10. Elektrobetriebstechnik mit dem Schwerpunkt Prozessleittechnik 77
Rund 700 offene Lehrstellen gibt es in der Industrie steiermarkweit. Auf www.woche.at finden Sie den Link zur Lehrlingsdatenbank – geben Sie im Such-Fenster einfach die Webkennzahl 32820 ein.


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