Geschichten im Advent
Der Jakobsweg ist für sie ein Stück Lebensweg

Der Weg ist das Ziel: Ottendorfs Hausärztin Rosa Maria Ernst wanderte im vergangenen Herbst von Südfrankreich in vier Wochen am "Camino del Norte" mehr als 800 Kilometer entlang der Nordspanischen Küste bis nach Santiago de Compostela. | Foto: Rosa Maria Ernst
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  • Der Weg ist das Ziel: Ottendorfs Hausärztin Rosa Maria Ernst wanderte im vergangenen Herbst von Südfrankreich in vier Wochen am "Camino del Norte" mehr als 800 Kilometer entlang der Nordspanischen Küste bis nach Santiago de Compostela.
  • Foto: Rosa Maria Ernst
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OTTENDORF AN DER RITTSCHEIN. Advent bedeutet Ankunft. Die Ankunft Christi, die in der Nacht des 24. Dezember gefeiert wird. Jeder Ankunft geht aber ein Weg voraus. Und jeder Weg dauert. Ankunft braucht demnach auch Zeit. Das weiß auch Rosa Maria Ernst aus Ottendorf an der Rittschein.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin, die seit 13 Jahren ihre Praxis als Hausärztin in Ottendorf führt, macht sich mindestens einmal im Jahr auf den Weg, um sich auf Pilgerschaft zu begeben. Bereits mehrmals war sie am bekanntesten Pilgerweg aller Pilgerwege, am "Camino" nach Santiago de Compostela unterwegs.
Auch in diesem Herbst marschierte sie in nur vier Wochen am nordspanischen Jakobsweg, dem "Camino del Norte" von Irun in Südfrankreich über 800 Kilometer entlang der Nordspanischen Küste bis zum Grab des Heiligen Jakobus in Spanien. Den Weg bestreitet sie ausschließlich alleine. "Ich brauche die Zeit um in mich zu gehen, zur Ruhe und auch zu mir selbst zu finden", betont die in Hartberg lebende Medizinerin und Mutter dreier Söhne.

Faszination Jakobsweg

Begonnen hatte alles vor acht Jahren. "2010 bin ich das erste mal mit dem Fahrrad von Saint-Jean-Pied-de-Port in Frankreich bis nach Santiago de Compostela gefahren, weil mich der Tod meiner Mutter so schmerzte und ich ihn einfach nicht überwinden konnte", betont Ernst. Zwei Jahre später ging sie den weststeirischen Jakobsweg, um dann ein Jahr darauf noch den südösterreichischen Jakobsweg in Kärnten fortzusetzen. Die ungeheure Faszination des "Camino Frances" hätte sie aber seit dem "Radeln" nicht mehr losgelassen. "Ich habe mir damals schon gedacht, als ich die Pilger gesehen habe, dass ich diesen Weg auch zu Fuß gehen möchte."
2015 war es dann soweit.

Bis zu 40 Kilometer pro Tag

"Ausgangspunkt meines Pilgerns war Lourdes, eine mir sehr wichtige Tankstelle, denn ich bin mit von zu Hause relativ erschöpft - psychischen und physischen - weggefahren", erklärt Ernst. 
Insgesamt 300 Stunden zu Fuß unterwegs zu sein mit Tagesetappen zwischen 35-40 Kilometer und einem 12 Kilo-Rucksack auf den Schultern sei eine Herausforderung und bedürfe Ausdauer und Selbstdisziplin, und doch spricht die Hausärztin, die auf einem Bergbauernhof auf über 1.000 Metern Seehöhe in Tragöß ausgewachsen ist, von Gelassenheit, als bedeutendstes Gut, das man am Jakobsweg braucht, oder spätestens dort lernt.

"Man sieht genauer hin"

"Das erste Mal habe ich nach einer Woche gedacht, ich höre einfach auf." Doch nach zehn Tagen die Wende: "Das 'Warum tue ich mir das an' verblasste und eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit stellte sich ein, die ich das letzte Mal in Kindheitstagen erlebt hatte", beschreibt Ernst, dass sich durch die neu gewonnene Erfahrung auch der Blick wandelte. "Der Weg war ein Spiegel meines Lebens, als ob ich alle Höhen und Tiefen, Freud und Leid durchwandere und überdenken konnte. Und endlich öffnet man die Augen, sieht genauer hin, erkennt auch "Kleinigkeiten" und erlebt Begegnungen, Momente und Bilder, von denen ich noch Jahre danach zehre."

Urvertrauen und Gelassenheit

Das größte Geschenk wäre jedoch das "Freiwerden im Kopf" gewesen, das Ablegen von belastenden Gedanken und das Verlieren von Anspannung und Angst sowie das Wiederentdecken von Freude und Urvertrauen. "Es ist ein bisschen wie im Advent, jede weitere Woche bringt ein neues Licht bis hin zur Ankunft." Jene beschreibt die Pilgern, die stets mit Hut und Lederhose am Jakobsweg unterwegs ist, als unglaublich befreiend. "Wenn man dann dort steht, in Santiago de Compostela, vor der Grabstätte des Heiligen Jakobus, dann fällt auch noch die letzte Last ab und ein Gefühl des"Erlöst seins" nimmt einen ein. Man fühlt sich wie neu geboren."

Berichte über das Pilgern

Solche Erlebnisse und Hochgefühle versucht Rosa Maria Ernst auch bei ihren Vorträgen über ihre Pilgerreisen zu vermitteln. Anekdoten und Begegnungen auf ihrem Weg sind ebenso verpackt wie zahlreiche Bilder, die ihre Pilgerreisen dokumentieren. Am Sonntag, 16. Dezember 2018 lädt Rosa Maria Ernst zum Vortrag "Faszination Jakobsweg" um 15 Uhr im Café Rosé in Ottendorf, wo sie über ihre letzte Pilgerreise am Camino del Norte im Herbst 2018 erzählen wird.

Zur Person

  • Name: Rosa Maria Ernst
  • Beruf: Ärztin für Allgemeinmedizin; Turnusausbildung in Graz und Hartberg; seit 13 Jahren Hausärztin in Ottendorf an der Rittschein, zuvor Amtsärztin an der Bezirkshauptmannschaft Hartberg.
  • Wohnort: Hartberg
  • Familie: 3 Söhne
  • Hobbies: Wandern, Lesen, Reisen, Kunst und Kultur
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