Wohnen
"Licht ins Dunkel" beim Leerstand

Julius Weiskopf und Bürgermeister Georg Willi wollen Maßnahmen gegen den Leerstand an Wohnungen in Innsbruck setzen.
  • Julius Weiskopf und Bürgermeister Georg Willi wollen Maßnahmen gegen den Leerstand an Wohnungen in Innsbruck setzen.
  • hochgeladen von Georg Herrmann

INNSBRUCK. Georg Willi präsentierte die Strategie in Sachen Leerstand. Die IKB betonen dabei die  Wahrung des Datenschutzes. Unterstützung in Sachen Leerstandsabgabe bekommt Willi von der SPÖ. Gerald Depaoli verweist auf den Eichhof. Die NEOS sehen datenschutzrechtliche Probleme. GR Mesut Onay von der Alternativen Liste Innsbruck hofft auf ein entsprechendes Handeln von SPÖ und Grüne. StR Christine Oppitz-Plörer von Für Innsbruck schlägt ein neues Modell vor, das leicht umsetzbar wäre.

Politidiskussion

Das Thema Leerstand beherrscht die politische Diskussion Innsbruck. Bürgermeister Georg Willi blickt gemeinsam mit Julius Weiskopf in einem Pressegespräch auf die aktuelle Situation. 2.031 Wohnungen in Innsbruck können sicher als leersehend definiert werden, die Schätzung an leerstehenden Wohnungen beträgt zwischen Vier- und Fünftausend. Im Koalitionsabkommen hat sich die Innsbrucker Stadtkoalition auf eine Leerstandserhebung verständigt.

Leerstandsabgabe

Die Leerstandsabgabe will Georg Willi in enger Zusammenarbeit mit dem Land umsetzen. Vor allem die Definition eines "spekulativen" Leerstandes dürften noch für zahlreiche Diskussionen sorgen. "Die Abgabe muss auf alle Fälle spürbar sein", meint Georg Willi dazu. "Wir greifen hier ins Eigentum ein und sind uns bewußt, dass die politische Diskussion ziemlich rau werden wird", erwartet der Innsbrucker Bürgermeister einen schwierigen Entscheidungsprozeß. Mit der ab Mitte März in der Stadt angesiedelten Wohnungsservicestelle möchte Georg Willi auch verstärkt in dem Bereich Mieter/Vermieter tätig sein. Seinen Vorstellung nach, soll die Stadt Wohnungen anmieten und weitervermieten und somit den Eigentümer gewissen Lasten abnehmen.

Ausgangssituation

„Leerstehende Wohnungen sind in einer Stadt, in der sehr viele Menschen leistbare Wohnungen suchen, schwer zu argumentieren. Daher müssen sich die politisch Verantwortlichen mit der Frage auseinandersetzen: Wieso kommen leerstehende Wohnungen nicht auf den Markt? Eine Mobilisierung würde automatisch mehr Wohnraum für Innsbruckerinnen und Innsbrucker bringen,“ beschreibt Bürgermeister Georg Willi die Ausgangssituation: „Bisher tappen alle im Dunkeln. Wir haben jetzt in Innsbruck versucht, den Lichtschalter umzulegen. Mit den Mitteln, die derzeit möglich sind, können wir etwas Licht ins Dunkel bringen.“

Erkenntnisse

Eine Vollerhebung des Leerstandes stößt derzeit auf zwei Hürden: fehlende rechtliche Grundlagen und die „Klärungsfälle“ im Gebäude- und Wohnungsregister (AGWR). Innsbruck hat ein eigenes Referat zur Bearbeitung der Klärungsfälle eingerichtet. Denn es kommt immer wieder vor, dass MieterInnen nicht genau angeben, in welchem Top sie wohnen. Dazu kommen Eintragungsfehler: aus 1.1 wird 11 oder aus 1.a wird 1. „Die Arbeit dieses Referates ist grundlegend für eine Vollerhebung. Erste Erfolge sind bereits erkennbar, da Innsbruck die einzige Stadt ist, in der die Klärungsfälle zurückgehen,“ fasst Willi zusammen. Die Daten zeigen: Es gibt einen Kern an langfristigem Leerstand. Aktuell sind das 2.031 Wohnungen, die seit mindestens zwei Jahren leer stehen – abgeleitet aus der Tatsache, dass die Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB) so gut wie keinen Stromverbrauch feststellen kann. Solche Wohnungen häufen sich in St. Nikolaus, Blockwilten, Blocksaggen und Pradl. Der kurzfristige Leerstand lässt sich mit der heutigen Datenlage nur schwer verorten. Wenn man nun mehrere Datensätze übereinanderlegt (Gebäudealter, Alter der Eigentümer) ist ein erster Zusammenhang erkennbar. Leerstand findet sich vor allem in jenen Gebieten, deren Gebäude eine alte Baustruktur aufweisen. Die Eigentümer sind im Durchschnitt über 58 Jahre alt. Das heißt: neben dem spekulativen Leerstand gibt es einen größeren Teil an gebäudespezifischem Leerstand.

Maßnahmen zur Aktivierung

„Die gute Nachricht: diese Art von Leerstand kann meiner Meinung nach leichter mobilisiert werden,“ fasst Georg Willi zusammen: „Was wir für eine Vollerhebung des Leerstandes brauchen, sind Änderungen im Statistikgesetz des Landes und eine Türnummern-Verordnung. Gegen spekulativen Leerstand braucht es eine Leerstandsabgabe, die aber in enger Abstimmung mit dem Land politisch zu diskutieren ist: ab wann, wie hoch, welche Ausnahmen? Entscheidend ist für mich ein Mobilisierungskonzept für gebäudespezifischen Leerstand: Wie können wir Menschen unter die Arme greifen, dass sie gebäudespezifischen Leerstand beenden? Braucht es Hilfe für Sanierungsmaßnahmen oder Unterstützung bei der Vermietung? Bis wir die Datenlage verbessert haben, möchte ich ein mit dem Land abgestimmtes Mobilisierungskonzept mit einem Bündel von Maßnahmen anbieten können.“

Zwischennutzung

„Über Zwischennutzungen kann der kurzfristige Leerstand weiter mobilisiert werden. Wir wollen in der künftigen Wohnservicestelle niederschwellig Beratungen anbieten, damit Leerstand aktiviert wird. Wir müssen aber auch die Leute dafür sensibilisieren, dass Leerstand nur sehr schwer zu argumentieren ist und Wohnungseigentümer darauf achten sollten, leerstehenden Wohnraum am Markt anzubieten. Wenn die rechtliche Grundlage und die Datenschärfe gegeben ist, möchte ich mit den umfangreichen Mobilisierungsmaßnahmen dringend benötigten Wohnraum in Innsbruck aktivieren,“ zeigt sich Bürgermeister Georg Willi kämpferisch.

IKB hält Datenschutz ein

Der IKB ist es ein Anliegen, zur missverständlichen Darstellung in Bezug auf die Leerstandsanalyse in Innsbruck Stellung zu beziehen. Sie stellt klar, dass keine personenbezogenen Daten weitergegeben wurden. Die IKB hat jene Einheiten in einem bestimmten Bereich gezählt, die einen sehr geringen Stromverbrauch aufweisen. Als „Zählbereich“ wurde jeweils ein gesamter Straßenzug im 
Innsbrucker Stadtgebiet definiert. Die Summen dieser Wenig-Verbraucher wurden weitergegeben und lassen somit keine Rückschlüsse auf einzelne Wohnungen oder Einzelpersonen zu. „Die Wahrung des Datenschutzes ist der IKB ein hoher Wert“, betont IKB-Vorstandsvorsitzender DI Helmuth Müller. „Personenbezogene Daten zu schützen, liegt auch in unserem ureigenen Interesse. Das Vertrauen der Kunden in unser Unternehmen ist ein wertvolles Gut.“

Unterstützung der SPÖ

Stadtparteivorsitzender Benjamin Plach sowie Klubobmann Helmut Buchacher begrüßen, dass Bürgermeister Georg Willi sich nunmehr verstärkt dem Thema Leerstand widmet. Die SPÖ-Gemeinderatsfraktion hat bereits angekündigt, ihre Aktuelle Stunde in der Gemeinderatssitzung am Donnerstag, den 27.2.2020 unter folgenden Titel zu stellen: „Leerstand: Chancen erkennen, Geschäftsflächen und Wohnraum beleben“

SP-Forderung

„Ich freue mich, dass endlich jahrelange SPÖ-Forderungen auch vom Bürgermeister aufgenommen werden“, so Klubobmann Helmut Buchacher. Dieser fordert, dass die Stadt Innsbruck aktiv zur Leerstandbekämpfung beiträgt, indem sie als Zwischenmieterin auftritt, womit sie Sicherheit für Eigentümer und Mieter schafft. „Es kann nicht sein, dass über 2.000 Wohnungen in Innsbruck leer stehen, während tausende Menschen auf Wohnungssuche sind“, führt Stadtparteivorsitzender Plach aus. „Es führt kein Weg an einer Leerstandabgabe vorbei. Es gilt nun schnell die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären, damit spekulativer Leerstand erfasst und mit einer Abgabe belegt werden kann“, so Plach abschließend.

Eichhof als Lösung

„Wenn Georg Willi leere Wohnungen sucht, dann findet er sie im Eichhof, zumal selbiger fast zu 100% leer steht. Ein einziger Blick in den städtischen PC und ein politischer Wille die Wohnungen vermieten zu wollen würden genügen, um den angespannten Wohnungsmarkt in Innsbruck zu entschärfen! So einfach ist es!“ sagt Depaoli.

Datenschutzfrage

"Ich finde es äußerst bedenklich, wie schamlos hier in die Wohnzimmer der Bürger_innen geschaut wird und der Datenschutz missbraucht wird. Der Zweck heiligt eben auch hier NICHT die Mittel," zeigt sich Seidl Julia, GRin der NEOS über die Genauigkeit der Daten bei der Leerstandserhebung verärgert. "Ich finde es datenschutzrechtlich schwer bedenklich, dass die Daten der IKB überhaupt für derartige Zwecke verwendet werden dürfen und das noch so genau. Scheinbar ist es möglich herauszulesen, wie alt die Besitzer_innen der einzelnen Wohnungen sind. Das geht eindeutig zu weit", sieht Seidl die Grenzen des Datenschutzes weit überschritten. Fehlender politischer Auftrag
"Ich kann mich zudem nicht erinnern, dass es für derartige Ermittlungen eine Auftrag vom Gemeinderat gegeben hat. Darum frage mich, auf Grundlage welcher Beschlüsse der Bürgermeister hier handelt und dafür Personal abstellt. Damit im Zusammenhang steht auch der Kosten-Nutzen-Aufwand einer derartigen Erhebung. Ich denke nicht, dass dieser positiv ausfällt," stellt Julia Seidl, die Frage des politischen Auftrags. "Wir werden jedenfalls unsere Kontrollfunktion als Opposition wahrnehmen und im Rahmen einer Anfrage die Datenerhebung, deren Genauigkeit und den politischen Auftrag genau hinterfragen," kündigt Seidl eine Anfrage zur Leerstandserhebung an. "Die Privatsphäre der Bürger_innen ist zu schützen! Scheinbar sind wir NEOS die Einzigen, die diese noch verteidigen", zeigt sich Seidl enttäuscht über den Umgang mit Privatsphäre in der Stadt Innsbruck.

Handeln gefragt

Erfreut über die aktuellen Positionen der verschiedenen Koalitionspartner zeigt sich die Alternative Liste Innsbruck. Diese fordert seit dem Wahlkampf vor 2 Jahren Leerstandsmaßnahmen und Quoten für sozialen Wohnbau, wie das jetzt von der SPÖ und auch Bürgermeister Willi kommuniziert wurde. „Die beiden Regierungsparteien bewegen sich in unsere - und damit in die richtige Richtung - Wohnen endlich bezahlbar zu machen“, so Mesut Onay. Für den Gemeinderat bleibt allerdings ein schaler Beigeschmack. „Zwar kommunizieren SPÖ und Grüne eine mieterfreundliche Politik nach außen, beschließen aber immer wieder Bebauungsplanänderungen zugunsten von Immobilienkonzernen. Wer A sagt, muss auch A stimmen“, mahnt Onay. Ebenso wurden sämtliche Wohnanträge wie etwa zum Leerstandsmanagment im Herbst 2018 von der Regierung abgelehnt. „Im Feber verhandeln wir einen von uns im Jänner eingebrachten Antrag wir über eine Quote von 50% für geförderte Wohnungen in Neubauten. Wir appellieren an SPÖ und Grüne, diesen Antrag zu befürworten“, so Onay abschließend.

Neues Modell

Wie schon vor einem Jahr fordern wir eine Anpassung der Gesetze, bevor eine Leerstandserhebung durchgeführt werden kann. Die bereits geplante und rechtlich nicht gedeckte Erhebung, hätte die Stadt in eine schwierige Situation gebracht. Dass nun auch das Land einen Änderungsbedarf bei Gesetzen sieht, bestätigt nachträglich unsere Haltung und ich bin sehr froh, dass wir ein rechtlich falsches Handeln und damit Schaden für die Stadt Innsbruck abwenden konnten. Bleibt zu hoffen, dass die notwendigen Gesetze in Land und Bund rasch erarbeitet und endlich beschlossen werden. Bis dorthin hat sich die Stadt selbstverständlich an gültige Gesetze zu halten", so Für Innsbruck Klubobmann GR Mag. Lucas Krackl. "Die Stadtregierung hat sich darauf verständigt eine Leerstandsabgabe durchzusetzen. Gescheitert ist es bisher an konkreten Erhebungen, die nur durch fragwürdige Methoden und bei Missachtung des Datenschutzes durchführbar wären. Wir wollen einen neuen Ansatz verfolgen und für jede Wohnung eine Abgabe vorschreiben. Für eine Wohnung in der ein Hauptwohnsitz nachgewiesen wird, muss natürlich keine Abgabe entrichtet werden", erläutert Wirtschaftsstadträtin Mag. Christine Oppitz-Plörer eine rechtlich saubere Möglichkeit zur Umsetzung einer Abgabe zur Bekämpfung von Wohnungsleerstand.

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