Interview mit Tenor David Kerber
„Man wächst an seinen Möglichkeiten“

Tenor David Kerber | Foto: Günther Egger
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INNSBRUCK. Er ist 22 Jahre jung, singt schon seit er fünf Jahre alt ist und hat bereits jetzt Unglaubliches erreicht. Bei seinem ersten Auftritt als Tenor im Tiroler Landestheater verkörpert David Kerber gleich sechs unterschiedliche Rollen: den jungen Mann, einen jungen Asiaten, die Kellnerin, die Grille, die chinesische Tante sowie den Großvater.

Wir haben den talentierten Tenor aus Innsbruck getroffen und spannende Dinge aus seinem Leben erfahren dürfen. David Kerber begann bereits mit nur fünf Jahren seine klassische Gesangsausbildung bei den Wiltener Sängerknaben, unterrichtet von Johannes Stecher, und hat somit im Landestheater schon einige Rollen gesungen. Als Tenor ist es nun das erste Mal, dass er im Landestheater singt, nachdem er sein Operndebüt als Tenor 2019 gleich zwei Mal bei den Bregenzer Festspielen feierte: Im Opernstudio am Kornmarkt als „Triquet" in Eugen Onegin unter Valentin Uryupin und als „Paggio“ auf der Seebühne in Rigoletto unter Enrique Mazzola.

„Auf der Bühne stehen, in einer Rolle sein und mich selbst vergessen können – als ich 2012 bei den Salzburger Festspielen in „Meine Bienen. Eine Schneise“ auf der Bühne stand und meine Arien gesungen habe, wurde mir klar, dass es genau das ist, was ich machen möchte“

, erzählt David Kerber mit einem zufriedenen Lächeln. Seither ist er sich und seiner Sache auch treu geblieben und wie man heute sieht, hat es sich mehr als gelohnt. Besondere Aufmerksamkeit widmet Kerber der Musik des Barock und gestaltete mehrmals die Partien aus dem Weihnachtsoratorium und der Matthäuspassion von J. S. Bach, sowie dem Messias von G. F. Händel. Außerdem freut er sich darüber, Preisträger international renommierter Wettbewerbe und Stiftungen zu sein. So wurde ihm an der Mailänder Scala der Förderpreis der Professor Armin Weltner Stiftung aus Zürich zuerkannt, welcher jährlich an junge hochbegabte Sänger aus Österreich und der Schweiz vergeben wird und er wurde mehrfach zum Preisträger des Internationalen Hayden Gesangswettbewerb 2021 in Rohrau gekürt.

David Kerber während eines Auftritts | Foto: David Kerber
  • David Kerber während eines Auftritts
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„Erfolgreich auch ohne Studium“

David Kerber ist wohl das beste Beispiel dafür, dass es nicht unbedingt ein Studium braucht, um erfolgreich zu sein. Denn auch, wenn er momentan dabei ist, seinen Bachelor am Konservatorium Innsbruck zu absolvieren, hat er jetzt schon Außergewöhnliches erreicht. Kerber macht, wie er selbst sagt, klassische Musik aus einem ganz bestimmten Grund bzw. Moment:

„Wenn man vergisst, dass man gerade auf der Bühne steht und sich tatsächlich im Inhalt auflöst, in seelischen Austausch mit der Musik tritt und weiß, worum es sich handelt, dann kann Musik zu Kunst werden. Solche Momente entstehen oft, jedoch nicht immer. Genau das ist auch der Augenblick, in dem der Funke überspringt und Gänsehaut entsteht. Dann habe ich einen Grund, das zu machen – meinen Kunstmoment.“

„Modernes Stück mit gesellschaftskritischen Themen“

Die musikalischen Proben für die aktuelle Tragik-Komödie „Der Goldene Drache“ im Tiroler Landestheater starteten bereits im Juni. 

„Hierbei war es mir eine besonders große Ehre, diese Oper nach alter Schule produzieren zu dürfen, denn unser Dirigent, Hansjörg Sofka hat bereits im Mai begonnen, mit uns die Partie zu studieren. Das ist unverständlicherweise im Theaterbetrieb zu einer Seltenheit geworden, denn ich fand das unheimlich bereichernd. Wenn man schon in einem Moment aufeinandertrifft, wo keiner eine fertige Interpretation hat, sind beide nackt. Keiner glaubt schon alles zu wissen und dadurch wächst man in der folgenden Arbeit an und mit dem Stück menschlich und musikalisch zusammen. Das erleichtert alles Folgende ungemein. Im September diesen Jahres starteten dann die weiteren Vorbereitungen für das aktuelle Stück, wofür wir insgesamt fünf Wochen Zeit hatten“

, so der Tenor. Begriffe wie "Lampenfieber" oder "Nervosität" sind dem jungen Tiroler ein Fremdwort:

„Dadurch, dass man in der Endphase der Proben die einzelnen Stücke und jedes Detail genau durchgeht, war ich auch nicht aufgeregt. Nach der Premiere war ich sogar überrascht, wie begeistert das Publikum war und wieviele Bravo-Rufe wir bekommen haben, da der Inhalt nicht ohne ist“

, betont Kerber. Das Stück könnte nämlich aktueller nicht sein: Gesellschaftliche Brennpunkte wie Feminismus, das Patriarchat, Migration und der Umgang mit Stereotypen sind unter anderem Themen, auf die sich der Zuschauer einstellen sollte.

„Für manche Zuschauer könnte der Inhalt zum Teil schockierend sein, da ein detailliertes Bild der Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft aufgezeigt wird und ein ziemlich genaues Porträt des Patriarchats mit allen negativen Auswirkungen wie beispielsweise Prostitution dargestellt wird. Außerdem wird auch die Migrationsfrage stark thematisiert: Warum sind Migranten Menschen zweiter Klasse in unserer Gesellschaft? Mit welchem Recht maßt man sich an zu sagen, wer welche medizinischen Leistungen entgegen nehmen darf? Das alles, steckt in diesem Stück drinnen.

„Der Goldene Drache“ hält uns Spiegel vor Augen

Zudem ist „Der goldene Drache“ ziemlich klischeebehaftet: Der Freund, der zur Prostituierten geht und sauer wird, als die Freundin ihm erzählt, dass sie schwanger ist; der Großvater, der die Enkeltochter missbraucht usw.:

„Ich finde es gut, dass im Stück die klassischen Stereotype aufgezeigt werden, weil es einfach immer wieder vorkommt und Realität bleibt. Interessant ist auch, dass alles Transgender besetzt ist: Die Männer spielen die Frauen und umgekehrt. Genauso ist es auch bei den Altersgruppen der Fall, da die jungen Darsteller ältere Personen spielen. Das hält uns allen stark den Spiegel vor Augen“

, so Kerber. Es fehle laut David in der Gesellschaft also an beidem: einem männlichen und einem weiblichen Rollenbild. Vor allem aber am männlichen. Das große Ziel von Kerber ist es, die Partien eines lyrischen Tenors, also das traditionelle Opernrepertoire, anzustreben.

„Mein größter Traum wäre es wohl, eines Tages die Partie "Edgardo" aus der Oper "Lucia di Lammermoor" von G. Donizetti singen zu dürfen. Dafür hab ich allerdings noch ein paar Jahre zu üben“

, lächelt David Kerber abschließend. Man darf also gespannt bleiben, was man in den nächsten Monaten noch alles von Tenor David Kerber hören wird. Eines ist jedoch gewiss: Mit seiner offenen und bodenständigen Art, steht ihm noch eine große Musikkarriere bevor.

Mehr über David Kerber unter: www.davidkerbertenor.com

„Der goldene Drache“ läuft noch bis 17. Dezember im Tiroler Landestheater. | Foto: Günther Egger
  • „Der goldene Drache“ läuft noch bis 17. Dezember im Tiroler Landestheater.
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