Fahrrad-Nummerntafel
StVO-Reformpläne führen zu Auflebung der Diskussion

Gefährliche Situationen mit Fahrrädern gibt es in Innsbruck immer wieder. Hier z. Bsp. in der Höttinger Gasse. | Foto: Privat/Archiv
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  • Gefährliche Situationen mit Fahrrädern gibt es in Innsbruck immer wieder. Hier z. Bsp. in der Höttinger Gasse.
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Noch vor dem Sommer möchte Verkehrsministerin Leonore Gewessler eine Reform der StVO vorlegen. Diese fokussiert auf einen besseren Schutz für Radfahrer und sieht beispielsweise einen fixen Abstand beim Überholen durch Autofahrer (1,50 Meter im Ortsgebiet, zwei Meter auf Freilandstraßen), das Radfahren neben dem Kind oder die Rechtsabbiege-Erlaubnis bei Rot vor. Viele fordern gleichzeitig mit mehr Rechten auch mehr Pflichten für die Radfahrer.

INNSBRUCK. Eine immer wiederkehrende Forderung sind Nummerntafeln für Fahrräder. In Graz soll eine Petition an den Bund, der die Kennzeichenpflicht sowie eine verpflichtende Haftpflichtversicherung vorsieht, im Gemeinderat diskutiert werden. Auch in Innsbruck steht das Thema Fahrrad-Nummerntafel immer wieder in Diskussion. Vor allem dann, wenn ein Radfahrer nach einem Unfall eine Fahrerflucht begeht. 

Die Auswirkungen der StVO-Reform auf den Masterplan Radfahren 2030, BezirksBlätter Innsbruck Artikel

Sind Sie für die Einführung von Nummerntafel für Fahrräder?

Radgeschichte

Bereits 1883 wird der "Innsbrucker Bicycle-Club" in den Innsbrucker Nachrichten erwähnt. Am 17. August 1884 gab es das erste Tiroler Bicycle Straßen-Rennen, dass auch über die Innbrücke führte. Im August 1932 waren die ersten zwei Fahrräder auf dem Hafelekar. Sie fuhren über den Höhenweg zur Pfeisalm, von dort über das Stempeljoch nach Hall. Für diese Aktion gab es medial viel Kritik, vor allem die Frage Sicherheit der Wanderer stand im Mittelpunkt. 

Nummerntafeln auf Fahrräder als Lösung? | Foto: MHW Bikehouse
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Radfahr-Ordnung

Am 17. Juli 1876 hat das Magistrat eine "Innsbrucker Radfahr-Ordnung" erlassen. Das Velocipede-Fahren war unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Verschiedene Paragraphen regeln die Geschwindigkeit, das Benutzen der Alarmglocke oder das Anzünden der Laterne bei Dunkelheit. Auch das Fahrverbot wurde festgelegt: "§ 9. Trottoirs, Promenaden sowie überhaupt alle bloß für Fußgänger bestimmten Wege dürfen von Velocipedisten unter keiner Bedingung befahren werden." Trotz zahlreicher rechtlicher Vorschriften ist das Verhältnis der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer durchaus angespannt.

Ist das Radfahren in Innsbruck gefährlich?

Positiv

Tirolerinnen und Tiroler, die Alltagswege mit dem Fahrrad, statt mit dem Auto zurückzulegen, tun sowohl ihrer eigenen Gesundheit als auch der Gesundheit der Mitmenschen Gutes, betont der VCÖ. Denn wer in die Pedale tritt, verbrennt Kalorien statt Diesel und Benzin und verursacht keine gesundheitsschädlichen Schadstoffe, wie Feinstaub oder Stickoxide. Zusätzlich wird das Klima geschont. 1.000 Kilometer im Jahr mit dem Fahrrad, statt mit dem Auto zu fahren, vermeidet rund 200 Kilogramm CO2.

Nehmen Radfahrer ausreichend Rücksicht auf die jeweilige Verkehrssituation?

Konflikte

"Schnelles Fahren, auch über rote Ampeln. Entgegen der Einbahnstraße, weil es viel kürzer ist. Oder kurz über den Fußweg, um an dem stehenden Laster vorbeizukommen." Die Gründe für das Umgehen der Regeln bei den Radfahrer sind durch aus vielfältig, aber auch gefährlich, sowohl für sich selbst als auch für andere. Radfahrer sind auf den Straßen viel verletzlicher als Auto-, Bus- oder LKW-Fahrer, aber stärker als Fußgänger. Trotz aller Gefahren, fahren einige aggressiv und riskant. Ein Verhalten, dass immer wieder zu Diskussionen und zu politischen Forderungen führt.

Taferlgeschichte

Im Ständestaat zwischen 1934 und 1937 gab es in Österreich Nummerntafeln mit einer "Fahrradabgabe". Die Fahrradabgabe war jährlich im Vorhinein, und unabhängig von der tatsächlichen Benützung des Rades zu entrichten. In der Regel betrug die Abgabe zwischen öS 5,00 und 6,00. Radfahrer mußten ständig ihren Zahlschein mitführen und ihn bei den regelmäßig durchgeführten Kontrollen durch die Exekutive vorweisen. Weiters mußte eine Kennzeichentafel auf dem Fahrrad (in Niederösterreich und Wien zwei Tafeln) angebracht werden. Mit dem Anschluss an das Deutsche Reich 1938 wurde diese Regelung abgeschafft. In Wien gab es in Jahren 1945 bis 1947 Fahrradkennzeichen.

Auch die Exekutive in Innsbruck setzt auf Fahrräder. | Foto: BezirksBlätter Innsbruck
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Gutachten

Ein Mitarbeiter des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr erstellte 1993 ein Gutachten zum Thema Nummerntafeln für Fahrräder: "Es müsste jedenfalls eine Verfassungsbestimmung für die Lenkerauskunft geschaffen werden. Dies wäre ein massiver Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte." Mit der Einführung von Nummerntafeln für das Fahrrad hätte übrigens ein Zulassungsvorgang eingeleitet werden müssen, der 1993 pro Fahrrad auf 500 bis 700 Schilling geschätzt wurde. Die Schweizer Radfahrer waren mit Aluschildern auf ihren Fahrrädern bis 1989 unterwegs, dann wurde wegen der hohen Materialkosten eine "ersatzlose Abschaffung der Fahrradregister und Fahrradpapiere" verordnet und auf selbstklebende Vignetten umgesattelt. Diese Kennzeichen dienen allerdings nicht der Identifizierung von "Fahrerflüchtigen", sondern sind der Nachweis für eine abgeschlossene Haftpflichtversicherung. Darüber hinaus nutzen sie der Polizei zum Ausfindigmachen gestohlener oder "ausgeborgter" Fahrräder. 1995 wurde von ARGUS im Auftrag der Stadt Graz eine Expertise erstellt, in der ein Land ausfindig gemacht werden sollte, wo ein funktionierendes System von Fahrradregistrierung vorhanden wäre. Recherchiert hat man weltweit und in Portugal etwa kleine Taferln entdeckt, ausgegeben von öffentlichen Polizeistellen, die aber keinerlei Verpflichtungen mit sich bringen, sondern laut Studienverfasser eher als ein Symbol stolzer Fahrradbesitzer wahrgenommen werden. In den Niederlanden gibt es blaue Taferln auf Fahrrädern, die der Kennzeichnung von Leihrädern dienen.

Politforderungen

2011 dachte Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou über eine Knigge für Radfahrer und Nummerntafeln nach. 2012 hat der Bürgermeister der Bundeshauptstadt Michael Häupl in einem APA-Interview angeregt, über Fahrradkennzeichen nachzudenken und der ÖAMTC meinte damals: "Die Notwendigkeit einer Kennzeichnung wäre da, um die Moral zu heben. Man habe auch alle Varianten geprüft – aber: „Es ist derzeit unsinnig und so gut wie unmöglich.“ Im November 2020 hat Stadtrat Rudi Federspiel im BezirksBlätter Innsbruck Gespräch u.a. gefordert: „dass Fahrradfahrer, die von der Polizei bestraft wurden, nicht nur eine Geldbuße bekommen, sondern auch eine verpflichtende Nachschulung erhalten sollen.“ Ebenso forderte er eine Pflicht von Nummernschild an jedem Fahrrad. 2021 meinte das Stadtpolizeikommando  Innsbruck gegenüber der BezirksBlätter Innsbruck-Redaktion: "Die Einführung von Kennzeichen ist immer wieder mal ein Thema in der Politik. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist sicher ein Grund, warum dies nie umgesetzt wurde."

Weitere Nachrichten aus Innsbruck finden Sie hier

(Quellen: derstandard.at, 2011; die presse.com; 2012, Innsbrucker Alltagsleben 1880 - 1930, Innsbrucker Alltagsleben 1930 - 1980, beide Lukas Morscher/Haymon; innsbruck-erinnert.at)

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