Faktencheck "Autoabnahme"
Exekutive erwartet minimale Anzahl an Beschlagnahmungen

Mit 1. März ist die Beschlagnahmung eines Autos bei Geschwindigkeitsüberschreitungen möglich. Die Wirksamkeit und Rechtssicherheit wird angezweifelt. | Foto: Archiv (Symbolbild)
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  • Mit 1. März ist die Beschlagnahmung eines Autos bei Geschwindigkeitsüberschreitungen möglich. Die Wirksamkeit und Rechtssicherheit wird angezweifelt.
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Mit 1.3. ist die Beschlagnahme von Fahrzeugen nach einer Raserei möglich. Die Wirksamkeit dieser neuen rechtlichen Regelung wird stark bezweifelt. Die heimische Exekutive erwartet nur eine minimale Anzahl an Beschlagnahmungen.

INNSBRUCK. "Am Dienstag, den 13. Februar gegen 20:55 Uhr wurde im Zuge von Geschwindigkeitsmessungen auf der Inntalautobahn A12 im Gemeindegebiet von Langkampfen, Fahrtrichtung Kufstein, ein 19-jähriger Probeführerscheinbesitzer mit einer Geschwindigkeit von 188 km/h anstatt der erlaubten 100 km/h gemessen. Der Fahrzeuglenker wurde in Kufstein von der Polizeistreife angehalten und der Führerschein an Ort und Stelle abgenommen. Er wird an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige gebracht." Derartige Polizeimeldungen sorgen für Aufsehen. Für die Beschlagnahmung, die ab 1.3. möglich ist, war der Probeführerscheinbesitzer aber um 2 km/h zu langsam.  

StVO-Novelle

Mit der 34. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) kann ab 1. März 2024 bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 80 km/h im Ortsgebiet und 90 km/h außerorts das Auto beschlagnahmt und in weiterer Folge auch versteigert werden. Gibt es eine einschlägige Vorstrafe, beispielsweise durch die Teilnahme an illegalen Autorennen, sind Beschlagnahme und Verfall schon bei einer Überschreitung von mehr als 60 km/h innerorts und 70 km/h außerorts möglich.

Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass die Anzahl der beschlagnahmten Fahrzeuge begrenzt bleibt. Dies liegt nicht nur an den Eigentumsverhältnissen, sondern auch daran, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen, die zur Beschlagnahme führen können, nur selten festgestellt werden. Außerdem ist allein ein Geschwindigkeitsmessgerät nicht ausreichend - für eine Beschlagnahme muss die Polizei den Temposünder anhalten.

Keine Versteigerung

Gehört das Auto nicht der Raserin oder dem Raser, haben Exekutivorgane zukünftig die Möglichkeit, Fahrzeuge an Ort und Stelle für maximal 14 Tage vorläufig zu beschlagnahmen. Diese können aber nicht für verfallen erklärt und versteigert werden. Das gilt auch für Leasing- oder Mietautos. In solchen Fällen wird im Führerschein bzw. im Führerscheinregister ein lebenslanges Lenkverbot für das Fahrzeug, mit dem die drastische Übertretung begangen wurde, eingetragen werden, teilt der ÖAMTC in einer Aussendung mit. Der Besitzer oder die Besitzerin der Zulassung wird über das Verbot informiert. Dasselbe gilt bei Leasingfahrzeugen, erklärt das KfV.

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Rechtliche Prüfung

Der ÖAMTC bezweifelt die Wirksamkeit der Maßnahme und hat auch rechtliche Bedenken: "

Es gibt einerseits keine Studien, die besagen, dass härtere Strafen mehr abschrecken als niedrigere. Zudem sollten derart drastische Eingriffe in das Eigentum von Strafgerichten entschieden werden und nicht von Verwaltungsbehörden", erklärt ÖAMTC-Jurist Matthias Wolf.

Zahlreiche Stellungnahmen von renommierten Rechtsprofessoren konstatieren dem Gesetz laut Wolf zudem grobe Mängel und sogar Verfassungswidrigkeit. "Für die Verkehrssicherheit wäre es schade, wenn das Gesetz schon beim ersten relevanten Anwendungsfall durch Anrufung der Höchstgerichte oder des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wieder gekippt wird", so der ÖAMTC-Experte. Der Mobilitätsclub plädiert stattdessen für zielgerichtete Kontrollen, um die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, zu erhöhen.

Führerscheinabnahme

Der Führerschein wird ab einer Überschreitung von mehr als 40 km/h im Ortsgebiet und 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets abgenommen. Im Wiederholungsfall und bei Überschreitungen von 80 km/h (Ortsgebiet) bzw. 90 km/h (außerhalb des Ortsgebiets) wird außerdem eine Nachschulung angeordnet. Bei einer wiederholten Überschreitung von 80 km/h im Ortsgebiet und 90 km/h außerhalb des Ortsgebiets muss der Lenker zusätzlich zu einer amtsärztlichen und zu einer verkehrspsychologischen Untersuchung.

Gehört das Auto nicht der Raserin oder dem Raser, haben Exekutivorgane zukünftig die Möglichkeit, Fahrzeuge an Ort und Stelle für maximal 14 Tage vorläufig zu beschlagnahmen. Diese können aber nicht für verfallen erklärt und versteigert werden. Das gilt auch für Leasing- oder Mietautos. | Foto: Mikscha
  • Gehört das Auto nicht der Raserin oder dem Raser, haben Exekutivorgane zukünftig die Möglichkeit, Fahrzeuge an Ort und Stelle für maximal 14 Tage vorläufig zu beschlagnahmen. Diese können aber nicht für verfallen erklärt und versteigert werden. Das gilt auch für Leasing- oder Mietautos.
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Nächste Novelle

Die Abgabefrist für Stellungnahmen zur 35. StVO-Novelle endete. Entgegen früheren Berichten dürfen Gemeinden künftig auf Gemeindestraßen an neuralgischen Punkten die erlaubte Höchstgeschwindigkeit reduzieren, jedoch nicht auf Landesstraßen oder im Alleingang Tempo 30 im gesamten Ortsgebiet einführen.

"Eine deutliche Mehrheit von über 80 Prozent der Bevölkerung lehnt ein generelles Tempo 30 im Ortsgebiet ab. Daher ist eine Differenzierung sinnvoll", erklärt ÖAMTC-Jurist Matthias Wolf. Zu Zeiten oder in Bereichen, in denen vermehrt Kinder unterwegs sind, besteht zudem bereits jetzt die Möglichkeit, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren. "Auch in Zukunft wird übrigens ein verkehrstechnisches Gutachten notwendig sein, wenn eine Gemeinde Tempolimits verordnen will", hält Wolf fest.

Geschwindigkeitsmessungen

Kritisch sieht der ÖAMTC vor allem den Punkt, dass Gemeinden zukünftig Geschwindigkeitsmessungen selbst durchführen dürfen. "Kleinere Gemeinden könnten personell oder fachlich schnell überfordert sein", gibt der ÖAMTC-Jurist zu bedenken. "Zudem sollten die Radarüberwachungen ausschließlich der Verkehrssicherheit dienen und nicht, um Gemeindekassen zu füllen." Eine Passage im Entwurf zur Novelle, die das Grün-Blinken bei Verkehrsampeln betrifft, sorgte zuletzt vermehrt für Diskussionen. Der ÖAMTC befürwortet das Grün-Blinken, da dies die Annäherung an Kreuzungen erleichtert und auch zu weniger Rotlichtverstößen führt. "Die Neuregelung soll ja auch nur dort umgesetzt werden, wo der Verkehrsfluss mit 'Dosierampeln' geregelt werden kann, und kein Querverkehr berücksichtigt werden muss", stellt der Jurist des Mobilitätsclubs klar. "Eine Umsetzung dieser Ausnahme halten wir nach mehrjähriger Erprobung auf der Linzer Stadtautobahn für realistisch durchführbar."

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Mit 1. März ist die Beschlagnahmung eines Autos bei Geschwindigkeitsüberschreitungen möglich. Die Wirksamkeit und Rechtssicherheit wird angezweifelt. | Foto: Archiv (Symbolbild)
Gehört das Auto nicht der Raserin oder dem Raser, haben Exekutivorgane zukünftig die Möglichkeit, Fahrzeuge an Ort und Stelle für maximal 14 Tage vorläufig zu beschlagnahmen. Diese können aber nicht für verfallen erklärt und versteigert werden. Das gilt auch für Leasing- oder Mietautos. | Foto: Mikscha
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