WK Tirol
WK-Präsident Walser präsentiert kurz- und mittelfristige Maßnahmen

Präsentieren die neue Mitarbeiterkampagne im Rahmen von "Ja zu Tirol": Bernhard Achatz (WK-Arbeitsmarkt- und Arbeitsrechtsexperte) und WK-Präsident Christoph Walser (r.). | Foto: die Fotografen
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Das Scheitern der Arbeitsmarktreform und der deutsche Vorstoß zur Fachkräftezuwanderung verschärfen die Lage für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Betriebe. Die Politik muss dringend gegensteuern, fordert die Wirtschaftskammer Tirol und präsentiert Maßnahmen.

INNSBRUCK. Einen deutlichen Appell an die Politik zur Entschärfung des Arbeits- und Fachkräftemangels richtete Tirols Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser.

„Die Lage am Arbeitsmarkt ist dramatisch, die aktuelle Situation ist eine riesige Belastung für die Betriebe und vor allem auch für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weil überall Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen fehlen, müssen diese die Mehrbelastung abfedern. Das ist auf Dauer nicht zumutbar.“

In Tirol besteht derzeit eine Lücke von rund 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die demografische Entwicklung zeigt: Die Lage wird sich in den kommenden Jahren verstärken. Die ohnehin angespannte Situation wird durch zwei aktuelle Entwicklungen weiter verschärft: Auf der einen Seite durch das Scheitern der Arbeitsmarktreform seitens der Bundesregierung, auf der anderen Seite durch die Offensive Deutschlands bei der Fachkräftezuwanderung. „Das bringt unseren Standort weiter ins Hintertreffen. Daher braucht es dringend kurz- und mittelfristige Maßnahmen, um die heimischen Betriebe wettbewerbsfähig zu halten“, fordert Walser.

Beiträge über die Wirtschaftskammer Tirol der BezirksBlätter Tirol finden Sie hier

Kurzfristige Maßnahmen

20 Überstunden steuerbegünstigt. Eine kurzfristig rasch umsetzbare und schnell wirksame Maßnahme besteht in der Anhebung der Überstunden mit steuerfreien Zuschlägen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mehr arbeiten wollen. „Wir müssen die aktuelle Regelung zumindest verdoppeln und 20 Überstunden steuerbegünstigt machen. Mehrleistung muss sich lohnen“, erklärt der WK-Präsident.
Arbeiten für Pensionistinnen und Pensionisten attraktiver machen. Laut Erhebung der WKO würden 20 % der Pensionistinnen und Pensionisten gerne länger arbeiten, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Hier ist zu unterscheiden, ob es sich um Anreize vor oder nach der Regelpension handelt. Vor der Regelpension würde eine Adaptierung der Altersteilzeit spürbare Verbesserungen bringen.

„Derzeit sieht das Modell eine Reduktion der Arbeitszeit zwischen 40 und 60 % bei entsprechendem Lohnausgleich vor. Eine Reduktion von 30 % in den ersten beiden Jahren und danach um 50 bis 70 % würde ein schrittweises Ausgleiten ermöglichen“, erklärt der Leiter der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht der WK Tirol, Bernhard Achatz.

Das stellt sicher, dass Fachwissen länger im Unternehmen bleibt und Übergaben an junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besser funktionieren. Nach der Regelpension ist zwar ein Zuverdienst ohne Grenze möglich, Steuern und Abgaben machen jedoch längeres Arbeiten unattraktiv. „Für den Zuverdienst nach der Regelpension sollen daher keine Sozialversicherungs-Beiträge, insbesondere keine zur Pensionsversicherung, anfallen. Darüber hinaus sind zusätzliche Anreize für steuerliche Begünstigungen zu prüfen“, fordert Christoph Walser.
Saisonnierskontingent anheben. Ebenfalls in die Kategorie Soforthilfe fällt die Erhöhung des Saisonnierskontingents. Die Politik hat mit der Rot-Weiß-Rot-Karte für Stammsaisonniers zwar eine Lösung gefunden, diese greift aber frühestens in einem Jahr. „Daher braucht es jetzt speziell im Westen eine Erhöhung des derzeitigen Kontingents von 700 Personen um zusätzliche 1.500 Personen“, so der WK-Präsident.

WK-Präsident Christoph Walser und der WK-Arbeitsrechtsexperte Bernhard Achatz (r.). | Foto: die Fotografen
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Mittel- und langfristige Maßnahmen

Kinderbetreuung ausbauen. Der Fachkräftemangel ist kein momentaner Engpass für die Betriebe, der sich in den nächsten Monaten wieder auflösen wird, sondern ein dauerhaftes Problem: Bis zum Jahr 2040 fehlen in Tirol 30.000 Personen im erwerbsfähigen Alter. Daher ist es erforderlich, unverzüglich auch mit mittel- und langfristigen Maßnahmen zu beginnen. Dazu gehört zu allererst die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um Erwerbsarbeit für Frauen möglich zu machen.

Die langjährige Forderung der WK Tirol, den Anspruch auf Kinderbetreuung gesetzlich zu verankern, wurde in den Koalitionspakt der neuen Landesregierung übernommen. Die zuständige Landesrätin Cornelia Hagele hat dazu erklärt, dass sie nun sowohl die personellen als auch die räumlichen Voraussetzungen schaffen will. „Wir nehmen die Landesrätin beim Wort und zählen auf die Umsetzung“, so Christoph Walser.

Qualifizierte Zuwanderung. Ohne qualifizierte Zuwanderung wird Tirol die Arbeitskräfte-Lücke nicht schließen können. Daher braucht es in diesem Bereich dringend mutige Entscheidungen. Einerseits geht es darum, mit einem engagierten Employer Branding das Arbeitgeberland Tirol über die Grenzen hinaus zu bewerben. Andererseits muss die Rot-Weiß-Rot-Karte überarbeitet werden. „Wir brauchen dringend weniger Formalismus und mehr Praxistauglichkeit“, fordert der Wirtschaftskammer-Präsident. Diese Notwendigkeit hat sich mit den aktuellen Schritten Deutschlands noch deutlich verschärft. Das deutsche Bundeskabinett hat letzte Woche das Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz beschlossen und ist damit Österreich einen großen Schritt voraus. So müssen etwa ausländische Berufsabschlüsse nicht mehr in Deutschland anerkannt werden. Zudem wird mit einer „Chancenkarte“ nach kanadischem Vorbild ein Punktesystem für Jobsuchende mit gutem Potenzial eingeführt. Für Österreich will die WK Tirol noch einen Schritt weitergehen und damit Bürokratie und Formalismus noch weiter reduzieren:

„Einerseits sollen Berufserfahrung und Berufsabschlüsse als gleichwertig gelten, andererseits sollen Fähigkeiten und Kenntnisse unkompliziert durch Praxistests ermittelt werden“, schlägt Bernhard Achatz vor.

Kampagne ‚Ja zu Tirol‘. „Wir sind überzeugt, diese Maßnahmen sind der richtige Weg“, betonte Walser, „auch wenn nicht alle unsere Ansicht teilen – denn es gibt in der öffentlichen Debatte einige Forderungen, die uns sicher helfen.“ Für den WK-Präsidenten fallen in diese Kategorie beispielsweise die Angstmache vor Zuwanderung, das Anheizen der Lohn-Preis-Spirale oder die unverständliche Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. „All diese Vorschläge helfen nicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern machen ihnen das Leben schwer“, so Walser,

„wir möchten hingegen die Teams in unseren Betrieben in den Mittelpunkt stellen – auch im Rahmen unserer Kampagne ‚Ja zu Tirol‘.“ Diese Kampagne zielt auf die Stärkung des Bewusstseins für regionale Produkte und Dienstleistungen. In der aktuellen Phase wird die Kampagne mit einem Fokus auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erweitert. Unternehmen können über die Homepage ja-zu.tirol ein Teamfoto hochladen und so Teil der Kampagne werden.

Abschließend unterstrich Walser, dass Deutschland gerade dabei ist, unseren Standort nicht nur beim Energiepreisdeckel, sondern auch bei den Fachkräften abzuhängen.

„Das bringt einen massiven Wettbewerbsnachteil für heimische Betriebe. Daher richten wir einen dringenden Appell an Politik und Sozialpartner: Um Druck von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Betrieben zu nehmen, müssen jetzt alle Register gezogen werden“, so Walser.

Anders als bei der gescheiterten Arbeitsmarktreform müsse der Bund jetzt liefern.

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