Montanuni Leoben
Diskussion um die Zukunft der Burschenschaften

Das Chargieren auf dem Podium hat nach Angaben des Rektorats keinen Platz mehr bei akademischen Feiern. | Foto: Freisinger
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  • Das Chargieren auf dem Podium hat nach Angaben des Rektorats keinen Platz mehr bei akademischen Feiern.
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Während sie sich selbst als Vertreter von Traditionen verstehen, werden Burschenschaften allgemein als politische Studentenverbindungen angesehen, die durch deutschnationale Gesinnung eine rechtspolitische bis rechtsextreme Geisteshaltung repräsentieren. Laut eines Artikels der "Kleinen Zeitung" will die Montanuni Leoben nun eine "Trennlinie zwischen Universität und den Korporationen ziehen". MeinBezirk.at hat nachgefragt.

STEIERMARK/LEOBEN. In Leoben gibt es 12 verschiedene Studentenverbindungen, die das studentische Leben prägen und die montanistischen Traditionen hochleben lassen. Erkennen kann man die Männer und auch Frauen – in Leoben gibt es zwei akademische Frauenverbindungen –, die einer der Korporationen angehören, an den getragenen Bändern mit den jeweiligen Verbindungsfarben sowie einer farbige Mütze (Deckel) – dies wird als Couleur bezeichnet. Jede Verbindung hat ihre eigenen Prinzipien sowie einen "Wahlspruch".

Während sich etwa die pflichtschlagende akademische Burschenschaft "Cruxia" zum Wahlspruch ihres Dachverbandes, der Deutschen Burschenschaft, bekennt – der da lautet "Ehre, Freiheit, Vaterland" –, heißt es bei der akademischen Damenverbindung ADV Barbara "Frei und Treu". Was alle gemein haben ist ihr Bekenntnis zu Leistung, Freundschaft und Tradition.

Der traditionelle Bierauszug vor den Sommerferien ist ein couleurstudentischer Höhepunkt des Studienjahres.  | Foto: Freisinger
  • Der traditionelle Bierauszug vor den Sommerferien ist ein couleurstudentischer Höhepunkt des Studienjahres.
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Es sind Traditionen und Rituale, die in Leoben gemeinhin bekannt sind: Etwa der akademische Ledersprung als großes couleurstudentisches Ereignis des Studienjahres oder aber der traditionelle Bierauszug vor den Sommerferien. Doch auch bei anderen akademischen Feiern, der Matrikelscheinübergabe oder der Philistrierung sind die Leobener Verbindungen präsent. Dann wird etwa auf dem Podium in Uniform chargiert und die Stimme ebenso wie die Säbel erhoben. 

Kein Chargieren mehr auf der Bühne

So war es zumindest bislang. An der Montanuniversität Leoben will man nun nämlich eine "Trennlinie" ziehen – zwischen Universität und akademische Verbindungen. Laut eines Artikels der "Kleinen Zeitung" heißt es, studentischen Verbindungen müssten in Hinkunft allen akademischen Feiern auf universitärem Boden fernbleiben. Sie seien als stimmkräftige, stilprägende Umrahmung nicht mehr erwünscht. Ganz so drastisch will man die "Trennlinie" auf Nachfrage von MeinBezirk.at dann aber doch nicht gezogen wissen: Von einem Ausschluss von akademischen Feiern könne keine Rede sein, auch dürften Mitglieder von Verbindungen selbstverständlich nach wie vor an akademischen Feiern teilnehmen – auch in Couleur. Was man jedoch nicht haben wolle, sei die Präsenz beziehungsweise das Chargieren und Waffentragen auf der Bühne

Das montanistische Brauchtum werde laut Rektor Peter Moser auch weiter einen Platz an der Montanuniversität Leoben haben, jedoch will sich die Universität in Zukunft stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. | Foto: MUL/Stöbbauer
  • Das montanistische Brauchtum werde laut Rektor Peter Moser auch weiter einen Platz an der Montanuniversität Leoben haben, jedoch will sich die Universität in Zukunft stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.
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Positionierung als weltoffene Universität

Mit der Inauguration des neuen Rektors Peter Moser sowie der Angelobung des neuen Rektorats im Oktober des Vorjahres sei man in einen konstruktiven Austausch mit den Verbindungen getreten um eben diese Thematiken zu besprechen, heißt es seitens der Montanuniversität Leoben. 

"Wir als Montanuniversität sind uns unserer Geschichte sehr wohl bewusst und montanistisches Brauchtum wird auch weiterhin Platz bei uns haben. Jedoch wollen wir uns in Zukunft stärker auf unsere Kernkompetenzen in Forschung und Lehre konzentrieren: Wir sehen uns als Universität im Herzen Europas mit einer umfassenden Expertise in den Bereichen 'Advanced Resources', 'Smart Materials' und 'Sustainable Processes'". 
Peter Moser, Rektor der Montanuniversität Leoben

Übergeordnetes Ziel sei es, in Zukunft mehr junge Menschen für ein Studium an der Montanuniversität Leoben zu gewinnen. "Dazu sehen wir es als notwendig an, uns als weltoffene Universität mit einer einzigartigen Expertise zu positionieren", betont Rektor Peter Moser. Wohl im Hinblick auf den Ruf, den speziell Burschenschaften haben.

ÖH will konstruktiv an Lösungen arbeiten

Angesichts dieser Ankündigung würden auch die Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Montanuniversität Leoben – kurz ÖH – zahlreiche Meinungen und Reaktionen von Studierenden erreichen, teilt Philipp Zeni, der Vorsitzende der ÖH Leoben mit. Viele fänden es schön, dass Mitstudierende in Form des Chargierens deren Abschlussfeier mitgestaltet hätten. "Sie bedauern den Rauswurf von anderen Studierenden aus den akademischen Feiern. Als Studierendenvertretung wollen wir allen Studierenden Gehör schenken und auch deren Anliegen vorbringen", so Zeni. Die ÖH sei stolz darauf, Feierlichkeiten jeglicher Art allein oder mit Vereinen gestalten zu dürfen. Man wolle Traditionen stets erhalten und auch in die moderne Zeit tragen – "im Sinne der Studierenden und im Sinne des bergmännischen Brauchtums".

"Die Beweggründe aller Seiten sind uns bekannt. Ob die derzeitige Lösung der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt abzuwarten. Ziel muss eine Steigerung der Studierendenzahl sein. Ob das angesprochene Thema dazu beiträgt, dies zu schaffen, ist für uns fraglich. Wie immer wird die ÖH Leoben sich in jeder Diskussion hinter die Meinung der Studierenden stellen und konstruktiv an Lösungen arbeiten."
Philipp Zeni, Vorsitzender der ÖH Leoben

Am Ende des Sommersemesters veranstalten die akademischen Verbindungen in Leoben traditionell ihren "Bierausklang".  | Foto: Freisinger
  • Am Ende des Sommersemesters veranstalten die akademischen Verbindungen in Leoben traditionell ihren "Bierausklang".
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FPÖ und ÖVP reagieren mit Unverständnis

Wie die Mitglieder der Leobener Verbindungen selbst zu diesem neuen Kurs stehen, dazu wollte man sich am Freitag gegenüber MeinBezirk.at nicht äußern. "Kein Kommentar" hieß es auf Nachfrage bei mehreren Korporationen. Zu Wort gemeldet hat sich jedoch die FPÖ Steiermark:

"Eine professionelle Marketingstrategie ist klarerweise ein weiterer wichtiger Punkt. Die Verbannung der traditionell etablierten farbentragenden Studentenverbindungen würde aus unserer Sicht jedoch überhaupt nichts bringen, außer einen massiven Traditionsverlust für die Montanstadt. Wir werden unsere Bedenken in den nächsten Tagen auch mittels Brief an das Rektorat und den Vorsitzenden des Universitätsrats unmissverständlich artikulieren."
Marco Triller, FPÖ-Landtagsabgeordneter

Auch der zweite Vizebürgermeister der Stadt Leoben, Reinhard Lerchbammer (ÖVP), äußerte sich zur aktuellen Diskussion. "Die Ankündigung des neuen Universitätsrektorats, dass studentische Verbindungen bei akademischen Feiern auf universitärem Boden fernbleiben müssen, ist für mich unverständlich und überschießend", betonte er in Reaktion auf den Beitrag der "Kleinen Zeitung". Er selbst sei stolz darauf, dass seine persönlichen akademischen Meilensteine durch die Anwesenheit von Couleur-Studenten beziehungsweise Studentinnen bereichert wurden.

"Es erschließt sich mir auch nicht die Logik dahinter, was das mit der Ziel-Erreichung, die Universität stärker Richtung Recycling und Kreislaufwirtschaft zu stellen, zu tun hat, wobei ich neue Marketingstrategien mit innovativem Ansatz herzlich begrüße."
Reinhard Lerchbammer, 2. Vizebürgermeister der Stadt Leoben

Erhobener Säbel: Das Chargieren war lange Zeit ein festes Ritual der akademischen Verbindungen in Leoben.  | Foto: Freisinger
  • Erhobener Säbel: Das Chargieren war lange Zeit ein festes Ritual der akademischen Verbindungen in Leoben.
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"Die akademischen Verbindungen an der Montanuniversität Leoben haben Tradition und diese zu verbieten wäre ein absolutes No-Go. Die Verantwortlichen der Montanuniversität, die das fordern, bewegen sich auf dünnem Eis", meint Walter Reiter von der gleichnamigen Bürgerliste in einer Aussendung.

Unterstützung seitens der Grünen

"Die Montanuniversität und ihr Rektor haben unsere volle Unterstützung beim Vorhaben, eine klare Trennung zwischen Universität und akademischen Verbindungen zu vollziehen", erklärt hingegen die Grüne Gemeinderätin Susanne Sinz. "Immer wieder fallen in Leoben Burschenschaften mit rechten, menschenverachtenden Kommentaren auf. Zusätzlich führt die mediale Präsenz der Verbindungen auf Veranstaltungen der Montanuni im In- und Ausland dazu, die Montanuniversität mit den Verbindungen gleichzusetzen. Das entspricht in keiner Weise der Realität und steht in einem klaren Gegensatz zum weltoffenen Innovationsgeist der Uni", führt Sinz weiter aus.

"Die Montanuniversität will und soll sich als innovative, internationale, diverse Technische Universität positionieren und präsentieren und das mit einer modernen Form der Traditionspflege ohne Ausgrenzung und rechtes Gedankengut."
Susanne Sinz, Gemeinderätin der Grünen

VSStÖ begrüßt Vorhaben

Auch der VSStÖ Leoben (Verein Sozialistischer Student_innen) äußert sich
den von der Montanuniversität geplanten Schritten. Der Verein "begrüßt das Vorgehen von Rektor Moser, eine Trennung zwischen der Universität und den Korporationen voranzutreiben." Schon seit langem würden korporierte Studierende lediglich einen Bruchteil der Studierenden an der Montanuniversität ausmachen, daher sei deren überproportionale Präsenz im öffentlichen Auftreten der Universität nicht länger angebracht.

"Wir möchten keinesfalls das private Vereinsleben der Studierenden einschränken, aber Student*innenverbindungen stehen für ein Bild, das nicht der Realität der Studierenden an der Montanuniversität entspricht und sollten nicht unsere Universität nach außen repräsentieren."
Peter Graser, Vorsitzender des VSStÖ Leoben 

Zu einer modernen Uni gehört für den VSStÖ auch, "Traditionen zeitgemäß zu begehen und dabei alle Studierenden unserer vielfältigen Universität zu inkludieren.“


Zum Hintergrund

Die älteste österreichische Verbindung geht auf das Jahr 1850 mit dem gegründete Corps Saxonia Wien zurück. In Graz, Leoben, Wien, Salzburg sowie Innsbruck und Linz sind Studentenverbindungen und Burschenschaften heute noch aktiv.
Deutsche Burschenschaften kommen weit weniger in den Medien vor als österreichische. Warum das so ist? Weil österreichische Burschenschaften weit häufiger in Kontakt mit politischen Parteien stehen – beziehungsweise in Verbindung gebracht werden können.


Kurzer geschichtlicher Einblick

  • Alle Burschenschaften gehen auf die sogenannte Urburschenschaft zurück. "Bursche" war die damals zeitgenössische Bezeichnung für "Student". Wohlgemerkt männlich, denn zu solchen Vereinigungen hatten – auch später und zum Großteil bis heute – Frauen keinen Zutritt.

  • Die Urburschenschaft wurde 1815 in Jena gegründet. Nationale und christliche Ideengeber waren dabei. Die Wertevorstellung: Ehre, Freiheit, Vaterland, gepaart mit einen elitären Grundgedanken, geformt durch deutschnationales Denken. Anfangs gab es zwei Lager: Jenes, das nach völkischem Nationalismus strebte, und jenes, das nach Liberalismus strebte.

  • Antijudaismus und Antisemitismus war schon früh ein Kernelement der Burschenschaften – so überrascht es nicht, dass viele Burschenschafter Teil der NSDAP und viele Nationalsozialisten auch Burschenschafter wurden. Fast alle Burschenschaften wurden Mitte/Ende der 1930er-Jahre NS-Kameradschaften.

  • Wie ist damit nach dem Krieg umgegangen worden? Gar nicht, wenn man es so formulieren möchte – eine Distanz gab es nicht. 1971 wurde der "historische Kompromiss" beschlossen, wonach zwischen den "gemäßigteren" und "extrem rechten Burschenschaften" zugunsten des rechten Flügels ausfiel. Der liberalere Teil wurde weniger. Innerhalb der Deutschen Burschenschaft gibt es die Abklärung, wer "Deutscher" sei und wer nicht.


  • Der Beitrag wurde zuletzt am 7. Februar um die Stellungnahme der Grünen Gemeinderätin Susanne Sinz ergänzt. 

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