Gesundheitsversorgung
Hilferuf des Koordinationsgremiums: "In einem Jahr wird es kleschen"

- Weckruf an die Politik: Erich Schaflinger (Vorsitzender des Landeskoordinationsgremiums für Versorgungssicherheit), Gerhard Stark (KAGes-Vorstandsvorsitzender), Ulf Drabek (KAGes Finanz-Vorstand), Andrea Kurz (Rekorin Med Uni Graz), Josef Herb (ÖGK) und Patientenanwältin Michaela Wlattnig (v.l.)
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Knapp zwei Wochen nach der Landtagswahl und mitten in den Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP lud das Koordinationsgremium für Versorgungssicherheit in der Steiermark zu einem Pressetermin, um einen dringenden Weckruf an die künftige Landesregierung zu formulieren: Die Strukturreform des Gesundheitswesens ist keine Option, sondern ein Gebot der Stunde.
STEIERMARK/GRAZ. Vielen Steirerinnen und Steirern wird der eindringliche Appell des damaligen KAGes-Vorstandsvorsitzenden Karlheinz Tscheliessnigg vor weit mehr als zehn Jahren in Erinnerung sein: In fetten Lettern prangte auf den Mauern des Chirurgiekomplexes der Schriftzug "HELP", um auf die dringend nötige Sanierung des Gebäudes innerhalb des Grazer Universitätsklinikums aufmerksam zu machen.

- In Graz ist der Umbau der Chirurgie zwar mittlerweile gegessen, doch das Gesundheitssystem insgesamt benötigt dringend Hilfe.
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Dieser Hilferuf hat mittlerweile gesamtsteirische Ausmaße angenommen, denn in unserem Gesundheitssystem ächzt es an allen Ecken und Enden. Die jüngste Hiobsbotschaft kommt justament vom LKH Bruck an der Mur, wo die Akutambulanz mit 13. Jänner schließt. Die Spitzen der steirischen Spitäler, allen voran der KAGes, der ÖGK und der Patientenanwaltschaft haben sich am Freitag daher in Vertretung des Koordinationsgremiums für Versorgungssicherheit in der Steiermark an die Öffentlichkeit gewandt. Die Botschaft dabei ist klar: Eine Strukturreform im Gesundheitswesen ist unumgänglich!
Problemfelder liegen auf der Hand
Der Hintergrund ist längst bekannt: Personalmangel, überbordende Bürokratie, veraltete Strukturen in der Versorgung. Der aktuelle Regionale Strukturplan Gesundheit (RSG) 2025 hätte sich laut Verantwortlichen teilweise schon überholt, es sei dringend an der Zeit, den RSG 2030 einzuleiten.
Das Koordinationsgremium für Versorgungssicherheit hat in diesem Zusammenhang eine Empfehlung an die zukünftige Landesregierung des Landes Steiermark formuliert – unter anderem mit dem Wunsch, nicht mehr allen regionalen und lokalen Befindlichkeiten nachzugeben. Denn, wird nun nicht gegengesteuert, "dann klescht es in einem Jahr", werden Erich Schaflinger als Vorsitzender des Landeskoordinationsgremiums und Ärztlicher Direktor des LKH Hochsteiermark sowie Gerhard Stark, Vorstandsvorsitzender der KAGes, deutlich.
"Es kann nicht sein, dass jeder lokale politische Verantwortungsträger für die Aufrechterhaltung aller stationären Strukturen in seinem Einzugsgebiet lobbyiert und der Blick auf die gesamte Steiermark verloren geht. Diese regionalpolitischen Einflüsse in den letzten 30 Jahren haben dazu geführt, dass sich Strukturanpassungen in unserem Gesundheitswesen nur schleppend oder gar nicht vollziehen haben lassen."
Erich Schaflinger, Vorsitzender des Koordinationsgremiums für Versorgungssicherheit
Die Bevölkerung habe das Recht, über die Limitationen im Gesundheitswesen informiert zu werden. Dies sei umso wichtiger, damit die Menschen auch ein Verständnis dafür entwickeln könnten, dass es unmöglich sei, wie bisher an allen Krankenhausstandorten umfassende Leistungen und damit verbundenes Expertenwissen vorzuhalten. "Forderungen alleine an das Gesundheitssystem sind noch lange keine Lösungen, sie bedürfen einer seriösen Ressourcenabschätzung, der Prüfung nach Versorgungsgerechtigkeit, nach Angemessenheit der Versorgung und dem Akzeptieren von Limitationen, bedingt durch Rahmenbedingungen", ergänzt dazu Stark.

- Das Gesamtkonzept einer zukunftstauglichen Gesundheitsversorgung kann nur gelingen, wenn die Leistungen im Gesundheitswesen in bedarfsorientierten abgestuften Versorgungsformen organisiert werden.
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Spezialisierung und Sicherung des Fortschritts
Um die Teilhabe am medizinisch/pflegerischen Fortschritt für das Land Steiermark zu sichern, sei laut Expertinnen und Experten ein Bekenntnis zur Spezialisierung zu fordern. "Die Bildung spezialisierter Zentren im Krankenhausbereich ist eine wesentliche Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems", betont Andrea Kurz als Medizinerin und Rektorin der Med Uni Graz. "Dezentrale Einrichtungen mögen auf den ersten Blick eine flächendeckende Versorgung suggerieren, doch oft fehlt es ihnen an den spezialisierten Ressourcen und der interdisziplinären Expertise, die für die Behandlung komplexer und schwerwiegender Erkrankungen unerlässlich sind."

- Für das Landeskoordinationsgremium führt auch kein Weg am Leitspital in Stainach vorbei - durch eine weitere Evaluierung und etwaige Änderung auf den Standort Rottenmann würden mindestens vier wertvolle Jahre verloren gehen.
- Foto: ARGE F&S MJM
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Die akutmedizinische Versorgung im vollstationären Umfang sei außerdem an einem Standort in den jeweiligen Krankenhausverbünden zu konzentrieren (eine Notfallversorgung ist an jedem Standort, zumindest ambulant vorzusehen) und die geplanten Interventionen/Operationen seien wiederum an den übrigen Standorten zu konzentrieren und dies unter Strukturbedingungen wie Ambulanz/Tagesklinik/ Wochenklinik.
Verkehrte Pyramide in der Versorgung
Durch eine jahrzehntelange falsche "Programmierung" und Lenkung der Patientenströme komme es nun zu Versorgungsengpässen und dem bekannten Flaschenhals. "In Österreich ist die Versorgungspyramide auf den Kopf gestellt: Zu viele Menschen sind zu früh in den höchsten Versorgungsstufen unseres Systems. Das muss vermieden werden!", bringt es Josef Harb als Stv. Landestellenausschussvorsitzender der ÖGK in der Steiermark, auf den Punkt. Als erstes Glied in der Kette der Gesundheitsversorgung sieht er die Patientinnen und Patienten selbst.
"Dazu bedarf es einer Verbesserung der eigenen Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, gut ausgebaute primäre Versorgungsstufen welche das Gesundheitstelefon 1450, die Hausärzte, Primärversorgungszentren und Gesundheitsberufe wie, DGKP's und Therapeuten einbezieht."
Josef Harb, ÖGK Steiermark
Der Weg der bisherigen Landesregierung sei der richtige gewesen, so das Gremium abschließend. "Die Reform, die bereits eingeleitet wurde, muss weitergeführt werden. Wir müssen vom subjektiven Bedürfnis hin zum objektiven Bedarf", so Josef Harb.
Nun gehe es darum, mit der Entwicklung des RSG 2030 weitere Strukturmaßnahmen einzuleiten und rasch umzusetzen.
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