Literaturpfade
Auf acht Wegen durch die Weltanschauung des Mittelalters

Minnelieder voller Liebeshoffnungen, Sehnsüchten und Enttäuschungen: Rudolf II. von Stadeck entführt auf dem Literaturpfad Stattegg ins Mittelalter. | Foto: Privat
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  • Minnelieder voller Liebeshoffnungen, Sehnsüchten und Enttäuschungen: Rudolf II. von Stadeck entführt auf dem Literaturpfad Stattegg ins Mittelalter.
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Quer durch die Steiermark führen acht Pfade, die sich von Admont über Seckau bis nach Vorau und Wildon der Literatur widmen. Genauer gesagt geht es beim Erkunden der Wege um die Zeit des Mittelalters. Sie geben preis, wie die Welt einst gesehen wurde. Die letzten Tage des Sommers laden dazu ein, die Pfade zu erkunden.

STEIERMARK. Finsteres Mittelalter? Von wegen! Die Epoche des Mittelalters – die grob eingeordnet zwischen der "alten" Zeit, der Antike, und der "neuen" Zeit, der Neuzeit, liegt – war eine Spanne, in der so einiges für die Zukunft der Menschheit geebnet wurde. Zwischen Kriegen, Kreuzzügen, den Pestepidemien sowie der Vorherrschaft der Kirche und dem erbarmungslosen Ständesystem blühte der Handel, die Städte wuchsen, das Handwerk wuchs.

Erfindungen wie die Brille, der Kompass, der Kummet oder die Räderuhr sind Errungenschaften, die bis heute von Bedeutung sind. Die aber wohl wichtigste Erfindung war und ist der Buchdruck, mit dem die Weltanschauungen festgehalten werden konnten.

Der Minnesänger aus Stattegg

Wer im Mittelalter das Herz einer Angebeteten erobern wollte, nutzte die Sprache. Der Minnesang, die gesungene Liebeslyrik, ist eine der bekanntesten Textsorten aus dieser Zeit. Einer der berühmtesten Minnesänger wiederum war ein waschechter Steirer, genauer gesagt ein Stattegger: Rudolf von Stadeck (auch Stadegge). Sein Werk ist in der berühmtesten Liederhandschriftsammlung überliefert , dem Codex Manesse.

  • Der Literaturpfad "Auf der Suche nach der Liebe" führt in der Gemeinde in Graz-Umgebung vom Gemeindeamt aus bis zur Volksschule auf den kleinen Burghügel. 
  • Drei Minnelieder Rudolfs II. können erkundet werden.

"Winter und diu frouwe mîn, waz leides habe ich iu getân, daz ir mich alsus lâzet sîn âne fröide und âne lieben wân?" ("Womit habe ich euch, Winter und meine Herrin, bloß so verärgert, dass ihr mir all meine Freude und schönen Träume raubt?")
Rudolf von Stadeck

Die Darstellung Rudolfs II. von Stadegge (auch Stadeck) im Codex Manesse | Foto: Von Meister des Codex Manesse - http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0510
  • Die Darstellung Rudolfs II. von Stadegge (auch Stadeck) im Codex Manesse
  • Foto: Von Meister des Codex Manesse - http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0510
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Nein, nicht Heath Ledger

Den "Ritter aus Leidenschaft" kennen wohl viele – der bereits verstorbene Hollywood-Star Heath Ledger verkörperte in diesem Film "William Thatcher", der sich, um an einen Ritterturnier teilnehmen zu können und damit blaues Blut nachweisen musste, Ulrich von Lichtenstein nannte. Ulrich von Liechtenstein, den gab es aber tatsächlich. Der Minnesänger und Truchsess, also Landeshauptmann, wurde um das Jahr 1200 geboren und wuchs eben in Liechtenstein, Nähe Judenburg auf. Frauenberg in der Gemeinde Unzmarkt-Frauenburg, Bezirk Murtal, soll seine Lieblingsresidenz gewesen sein. 

  • Der Pfad "'Frauendienst' – Minne als Extremabenteuer" beginnt beim Gemeindeamt und endet beim Fuße des Frauenburg.
  • Der Versroman Frauendienst ist ein früher Ich-Roman, der von abenteuerlichen Wegen erzählt, die gleichsam Selbstironie im Hinblick auf die damalige Zeit wiedergibt.
Der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein wurde um das Jahr 1200 geboren und war ein waschechter Steirer. | Foto: Marie O.
  • Der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein wurde um das Jahr 1200 geboren und war ein waschechter Steirer.
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Der ganz frühe Faust?

Einer der bedeutsamsten deutschen Texte aus dem Mittelalter ist von einem unbekannten Autor verfasst worden: die Vorauer Novelle, die wohl um 1200 entstand. Der Text ist ein Fragment, bricht bei gut der Hälfte ab – so muss die Fantasie aushelfen, um zum Ende zu gelangen. Einen Hinweis gibt allerdings eine lateinische Fassung, Reuner Relationen, die sich im Stift Rein befindet. Eine Abschrift in der Stiftsbibliothek Vorau aus dem 13. Jahrhundert ist aber bis heute erhalten geblieben. Im Text geht es um das große Glück. Die Novelle wird als Vorreiter von Faust verstanden.

  • Der Pfad "'Vorauer Novelle – Glückssuche zwischen Verdammnis und Erlösung" beginnt auf dem Stiftsparkplatz, endet beim Rathaus.
  • Lust, Sühne, ein Pakt mit dem Teufel: All das lässt sich in der Novelle lesen.

Tief getroffen vom Tod der Frau

Graf Hugo von Montfort ist sowohl in Bruck an der Mur als auch in Frohnleiten ein Begriff. Der Schriftsteller war auch hochrangiger Politiker, unter anderem diente er dem Hause Habsburg, war Oberbefehlshaber der herzoglich-österreichischen Truppen in Italien und war von 1413 bis zum Jahr 1415 Landeshauptmann. Von Montforts Leben wird ausführlich dargestellt. Einst ließ er seine Lieder und poetischen Reden sowie Melodien vom Bregenzer Sänger Bürk Mangolt niederschreiben.

  • Der Pfad "Graf Hugo von Montfort – Ein Dichter schaut ins Paradies"* ist in Bruck an der Mur, beginnend bei der Minoritenkirche bis über den Schlossbergsteig und retour zu sehen.
  • Von Montfort ist einer der früheste deutschsprachige Dichter, seine Paradiesrede lässt tief in sein Herz blicken, als seine noch junge Frau Clementia starb.
Das Fresko am Tabor in Frohnleiten zeigt Hugo von Montfort als Minnesänger. | Foto: Privat
  • Das Fresko am Tabor in Frohnleiten zeigt Hugo von Montfort als Minnesänger.
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Betrug, Nacktheit und eine Katze

Wehrhafte Burgen waren das A und O für die obere Schicht, um sozusagen in Ruhe leben zu können. Reste davon sind etwa noch im Wald auf dem Schlossberg oberhalb des Marktes Wildon, Leibnitzer Feld, zu sehen. Seit dem 12. Jahrhundert sicherten sich hier die Herren von Wildon. Später residierte an diesem Ort Herrand II., ein Freund von Ulrich von Liechtenstein. Herrand II. versuchte sich im Reimen – dabei kamen teils komische Texte heraus, die sich mit ehrwürdigen Frauen, betrogenen Ehegatten und einem nackten Kaiser sowie einem eingebildeten Kater beschäftigten.

  • Der Pfad "'Die Katze' des Herrand von Wildon – Ein fabelhafter Lebenstext" führt vom Schloss Wildon über die Waldbühne bis zum Freizeitzentrum.

"Ein katze lac und het gemach; ûf einem oven daz geschach. ir man, ein kater, stuont dâ bî, der was sînes muotes frî." (Eine Katze lag da und hatte es gemütlich – und zwar oben auf einem Ofen. Daneben stand ihr Mann, der Kater, der fühlte sich unzufrieden.")
Herrand II.

Die Kraft der Heilkunde

Wer Mittelalter sagt, der muss auch Heilkunde sagen. Das Wissen um die heilende Kraft der Natur hüteten einst die Klöster. Zwischen den dicken Mauern wurde aber nicht nur daran gefeilt, wie Kräuter und Co. auf Körper und Geist wirken, sondern auch, wie der Körper überhaupt funktioniert. Reichlich studiert wurden unter anderem die Körpersäfte (gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim) und wie sie in Einklang zu bringen sind. Die Bibliothek des Benediktinerstifts Admont ist das Zuhause der Handschrift des Admonter Bartholomäusaus – sozusagen der Klassiker der Medizinliteratur im deutschsprachigen Raum.

  • Der Pfad "'Admonter Bartholomäus' – Mittelalterliche Heilkunde von europäischem Format" führt vom Stiftsparkplatz einmal rundherum des Parkes.
  • Rezepte gegen vielerlei Leiden wurden unter dem Namen des berühmten Salerner Arztes "Meister Bartholomäus" gesammelt.
Die heilige Hildegard von Bingen ist eine Frau, mit der die Kunst der heilenden Kräuter des Mittelalters sofort assoziiert wird. | Foto: gemeinfrei
  • Die heilige Hildegard von Bingen ist eine Frau, mit der die Kunst der heilenden Kräuter des Mittelalters sofort assoziiert wird.
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Gespräche über den Glauben

Das Zisterzienserkloster Neuberg wurde von Herzog Otto dem Fröhlichen gestiftet. Hier lebte und wirkte um 1400 der Mönch Andreas Kurzmann, der sich mit der stiftseigenen Bibliothek beschäftigte und etliche Bücher aus dem Latein in deutsche Verse übertrug. Dadurch hatten auch jene, die der Sprache nicht mächtig waren, Zugang – genauer genommen waren es mitunter auch Laien, die die "Gelehrtensprache" zwar nicht beherrschten, mit den deutschen Versen aber ihren Glauben stärken konnten.

  • Der Pfad "'Soliloquium' des Andreas Kurzmann – Glaubensgeheimnisse im Gespräch" führt vom Stiftspark an der Hauptstraße bis oberhalb des Münsters.
  • Im Text geht es um die Wahrheit des Wissen, um einen Dialog über Religion in Form eines vertraulichen Gesprächs zwischen der Muttergottes und ihrem Sohn.

Ein Spruch für jedes Monat 

Kalendersprüche und Gesundheitsratsgeber gab es schon im Mittelalter. Der beste Beweis dafür sind die Seckauer Monatsregeln. Sie sind sogar die ältesten ihrer Art; eine Handschrift davon ist in Graz zu sehen. Die zwölf Sprüche sollten die Menschen durch das Jahr führen. Hierbei spielt aber nicht der "Gesang" des Textes, sondern der Inhalt eine entscheidende Rolle. Fastenkuren, Heilkräuter und Ernährungsregel stehen im Fokus.

  • Der Pfad "Mittelalterliche 'Monatsregeln' – Der Jahreslauf im Spruchformat" führt vom Parkplatz bis zur St. Luzia-Kapelle.
  • Die Monatsregeln lassen tief in den Glauben, wie die Jahreszeiten auf Körper und Geist wirken und wie man damit umgeht, blicken.

(* alle Pfade bis auf jenen in Bruck sind rollstuhltauglich – eine Begleitung ist trotzdem gefragt)

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