Housing First
Frauen besonders häufig von Wohnungslosigkeit betroffen

Frauen sind nicht nur eher armutsgefährdet, sie sind auch häufiger wohnungslos oder prekär wohnend als Männer.  | Foto: Ar/Unsplash
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  • Frauen sind nicht nur eher armutsgefährdet, sie sind auch häufiger wohnungslos oder prekär wohnend als Männer.
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Auch in der Steiermark gibt es Obdachlosigkeit, wenngleich diese meist unsichtbar bleibt. In Zeiten der steigenden Mieten und ausufernden Betriebskosten nimmt aber auch die Zahl der prekär wohnenden Menschen, also Menschen ohne festen Wohnsitz, weiter stark zu. MeinBezirk.at hat mit der Wohnungslosen-Expertin Andrea Guégan-Knafl gesprochen.

GRAZ/STEIERMARK. Viele Steirerinnen und Steirer können sich angesichts der immer weiter steigenden Mietpreise ihre Wohnung bald nicht mehr leisten. Doch wer einmal wohnungslos ist, hat es schwer, wieder eine zu bekommen. Davon weiß Andrea Guégan-Knafl, Leiterin des Projekts "Housing First" und Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe ein Lied zu singen: "Heuer merken wir, dass es mehr Anfragen gibt. Wir haben eine Warteliste, um alle Anfragen zu prüfen." 

"Housing First" wurde 2013 als "Jugend am Werk"-Projekt ins Leben gerufen und unterstützt Frauen, die wohnungslos geworden sind dabei, wieder eine eigene Wohnung zu finden bzw. Sozialhilfeansprüche auszuloten. "Sehr oft brauchen die Frauen ganz schnell etwas. Wir sind aber keine Kriseneinrichtung und können nicht sofort Unterstützung bieten, weil wir Zeit brauchen, um abzuklären, wie die finanzielle Situation der Person aussieht."

Anspruch auf staatliche Sozialhilfe, Pension oder Ähnliches ist nämlich Voraussetzung, um Unterstützung durch das Projekt "Housing First" zu erfahren. In Zusammenarbeit mit der Stadt Graz wird dann entweder nach Sozialwohnungen, Genossenschaftswohnungen oder günstigen Mietwohnungen gesucht.

Wenn Wohnraum zum Luxus wird, greifen Unterstützungseinrichtungen wie "Housing First" unter die Arme. | Foto: Grant/Unsplash
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Frauen leben oft prekär

"Wir arbeiten sehr oft mit Frauen, die noch nie selbstständig gewohnt haben. Frauen sind sehr oft in Abhängigkeitsverhältnissen und werden plötzlich durch Scheidung oder Trennung wohnungslos", schildert die Wohnungslosen-Expertin. So kämen etwa in Graz die verschiedensten Notlagen vor: Frauen, die plötzlich mit ihren Kindern auf der Straße leben oder in Abbruchhäusern und nicht einmal einen Ausweis haben. Dieser sei aber beispielsweise Voraussetzung, um eine neue Wohnung mieten zu können oder um eine SIM-Karte anzumelden. 

"Es ist oft sehr viel Vorarbeit unsererseits nötig, bevor Frauen überhaupt wieder in eine Wohnung ziehen können", so die Guégan-Knafl. So wird oft schon die Terminvereinbarung bei der Behörde zur echten Herausforderung für Betroffene. Erschwerend hinzu kommt, dass seit der Pandemie viele Behördenwege nur nach vorheriger Terminvereinbarung per Telefon oder E-Mail möglich sind. Die zunehmende Digitalisierung birgt das Risiko der Ausgrenzung.

Soziale Ausgrenzung durch Wohnungslosigkeit

Mittlerweile gibt es aber auch immer mehr Frauen aus dem Mittelstand, die unverhofft in die Wohnungslosigkeit rutschen. Aus der Energiearmuts-Studie aus dem Jahr 2022 geht hervor, dass sich bereits im Jahr 2021, also dem Jahr vor dem enormen Anstieg der Energiepreise durch den Krieg in der Ukraine, über 80.000 österreichische Haushalte nicht leisten konnten, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. Das entspricht 2 Prozent aller österreichischen Haushalte. 

Andrea Guégan-Knafl ist Leiterin des Projekts "Housing First" und Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe. | Foto: Privat
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Unterstützung durch "Housing First" wird deshalb auch von Frauen aus der vermeintlichen Mittelschicht in Anspruch genommen. So habe man etwa schon Lehrerinnen geholfen, die plötzlich ohne Dach über dem Kopf standen, erinnert sich die Expertin. Gerade für diese Frauen sei die psychische Belastung enorm. "Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema soziale Teilhabe und Inklusion und wohnungslos zu sein, ist die extremste Form von Armut und Ausgrenzung." Wohnungslosigkeit sei eine ganz besondere Lebensphase, die sehr schambehaftet ist: "Wer sagt schon gern von sich, dass er ein einmal wohnungslos war - also prekär wohnend, oder in einer Wohnungsloseneinrichtung oder wirklich ganz auf Straße?"

Das Sozialressort des Landes Steiermark stellt für Betroffene grundsätzlich gesetzliche Leistungen wie die Bedarfsorientierte Mindestsicherung und die Wohnunterstützung zur Verfügung. Wie viele Menschen jedoch aktuell wohnungslos sind, ist unklar. Es gibt keine aktuellen Daten, entsprechende Notschlafeinrichtungen und entsprechende Anlaufstellen wie "Housing First" sind in der Steiermark jedoch regelmäßig überlastet.

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