BanHate-Statisik
Nährboden für Radikalisierung und Hass im Netz

- Immer mehr Hass und Hetze werden in den sozialen Netzwerken verbreiten, immer häufiger auch durch Symbolik und Codierungen. Die Antidiskriminierungsstelle will die Öffentlichkeit sensibilisieren.
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Die "BanHate-Statisik 2017–2023" verzeichnet 18.583 anonyme Meldungen von Hassinhalten. Weil Hass, Hetze, Extremismus und Radikalisierung in den sozialen Netzwerken immer häufiger mit Symbolik und Codierungen vermittelt werden, wurde ein neuer Leitfaden präsentiert.
STEIERMARK. "Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben." Angeblich war es Joseph Goebbels, Reichspropagandaminister der NSDAP, der diesen Satz formuliert hat. Um eine Lüge verbreiten zu können, braucht es aber einen Übermittler. Ein guter Nährboden für Extremismus, Faschismus, Antisemitismus, Hass und Hetze sind heutzutage soziale Medien wie Facebook, Twitter, Tiktok und Co. Jederzeit für jede und jeden zugänglich ist Social Media ein scheinbar anonymer und durchsichtiger Raum, in dem ungefiltert konsumiert, ungefragt geteilt und unreflektiert weitergereicht wird.

- Beispiel für ein gemeldetes Posting – "BanHate-Statistik 2017–2023"
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Und das ist ein Problem: Die Extremismus-Präventionsstelle Steiermark veröffentlicht mit der "BanHate-Statistik 2017–2023" Zahlen für bedenkliches Wort-, Bild- und Videomaterial, das zeigt, dass soziale Medien "als Brandbeschleuniger" für Radikalisierung verstanden werden kann.
Strafbestand im Detail
Peter Rudolf Neumann, deutscher Politikwissenschafter, Journalist und Publizist, nennt Erfahrung von Unmut, Unzufriedenheit und Frustration, als Nährboden für Radikalisierungen. "Hass hat trennende Funktionen im Sozialen, das heißt, er markiert in extremer Weise Grenzen zwischen der eigenen Gruppe und einer anderen Gruppe. Hass hat dabei zugleich aber auch verbindende Funktionen für diejenigen, die sich in ihrem Hass vereint sehen und sich gegenseitig darin bestärken", sagt Katharina Scherke, Expertin für Antifeminismus und Queerfeindlichkeit und Soziologin an der Uni Graz.

- Bei der Präsentation des neuen Leitfadens: Helmut Konrad, LR Simone Schmiedbauer, LR Doris Kampus, Daniela Grabovac (Leiterin Antidiskriminierungsstelle Stmk), Katharina Scherke, Heinz Wassermann, Dieter A. Binder
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Mit der BanHate-App können seit 2017 Hasspostings im Netz direkt an die Antidiskriminierungsstelle des Landes Steiermark gemeldet werden. Die Bilanz bis dato: 18.583 anonyme Meldungen von Hassinhalten sind zusammengekommen. Die häufigsten Strafrechtsverstöße sind dabei der Straftatbestand der Verhetzung und Verbotsgesetzverstöße. Letztes Jahr sind 4.417 Meldungen eingelangt: antisemitische, queerfeindliche und andere menschenverachtende Postings mitunter mit extremistischen Symbolen und Codierungen. "Codes und Symboliken werden immer häufiger als verschlüsselte Botschaften und Erkennungszeichen für extremistische Gruppierungen platziert und sollen die propagierte Weltanschauung mittransportieren", erläutert Daniela Grabovac, Leiterin der Extremismuspräventionsstelle Steiermark. "Im beruflichen und privaten Umfeld fallen diese Symbole auf, jedoch fehlt das Wissen darüber."
"Sprachliche und bildliche Codierungen extremistischer Aussagen werden immer komplexer und sind häufig nur durch den Kontext zu erschließen. So kann aus dem Wolfskopf im Schattenspiel ein rassistisches Statement, aus einer vegetarischen Speise ein Bekenntnis zum NS-Gedankengut werden."
Dieter A. Binder, Experte für Rechtsextremismus

- Beispiel für ein gemeldetes Posting – "BanHate-Statistik 2017–2023". Für all jene, die es nicht wissen: "Werbung" für Eiernockerl gibt es Jahr für Jahr am 20. April, Hitlers Geburtstag. Adolf Hitler war Vegetarier, und Eiernockerl mit Salat angeblich seine Lieblingsspeise.
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Zeichen erkennen
Um die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, wurde der "next Leitfaden: Radikalisierungssymbole online und offline erkennen, erfassen, eingreifen" präsentiert, der an Jugendzentren, die Bildungsdirektion und Sozialarbeiterinnen und -arbeiter in der Steiermark verteilt werden soll.
"Selbst gute Kenner von Geschichte und Politik sind selten in der Lage, alle politisch aufgeladenen Codes und/ Symbole zu entschlüsseln. Der neue Leitfaden sollte eine verlässliche Hilfestellung sein: Für Laien, um nicht einfach ein Symbol „schick" zu finden und für jene, die gegen den Extremismus beruflich oder privat auftreten, zur wissenschaftlichen Absicherung."
Helmut Konrad, Experte für Antisemitismus

- Beispiel für ein gemeldetes Posting – "BanHate-Statistik 2017–2023"
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Eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung und ein entschiedenes Auftreten gegen extremistische Verhaltensweisen und Identifizierungszeichen erfordert zunächst Wissen und Fähigkeit, derart demokratiefeindliches Gedankengut zu erkennen und einzuordnen, heißt es. Das betrifft jede Form des Extremismus, sowohl Rechts- als auch den Linksextremismus.
Kein straffreier Raum
Übrigens: Hass und Hetze im Netz ist nicht straffrei. Freie Meinungsäußerung bedeutet nämlich nicht, sich auf unbescholtenem Terrain zu begeben. So wurden zum Beispiel von den insgesamt 3.215 BanHate-Meldungen im Jahr 2020 auch 1.750 verfolgt. Das bedeutet, es kam zur Erstattung einer Anzeige und/oder der Beantragung einer Löschung des Beitrages in den sozialen Netzwerken. "Wird nicht verfolgt" heißt, dass es sich entweder um keinen strafrechtlich relevanten oder bereits gelöschten Inhalt handelt.

- Beispiel für ein gemeldetes Posting – "BanHate-Statistik 2017–2023"
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- 2020 war das große Thema Corona, konkret der Angriff gegen asiatisch gelesene Menschen und ein steigendes Gewaltpotenzial gegen Politikerinnen und Politiker sowie Virologinnen und Virologen. Weitere Meldungen betrafen geflüchtete Menschen, die Verharmlosung und Relativierung der NS-Verbrechen.
- 2023 betrafen Meldungen hauptsächlich den Israel-Hamas-Krieg mit einem Anstieg antisemitischer Meldungen, Hass gegen Drag-Queens und Transfeindlichkeit sowie Fake-News-Verschwörungen und Gewaltinhalte.
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