Haben den Weg zu den Armen verlassen

"Haben den Weg zu den Armen verlassen"

Wolfgang Pucher, österreichweit als streitbarer Pfarrer der Armen und Bettler bekannt, wünscht sich, die katholische Kirche möge dem Prunk entsagen, Kirchen und Palais in Museen umwandeln und dafür in die Sandalen Jesu schlüpfen.

Von Christian Weniger

Weltweit berichten Medien über die luxuriösen Bautätigkeiten des umstrittenen Bischofs von Limburg Tebartz-van Elst. Und die katholische Kirche findet sich plötzlich in einer öffentlichen Diskussion über Reichtum und Prunk. Wie viel Luxus dürfen sich denn Kleriker leisten?

WOLFGANG PUCHER: Ich möchte zuerst auf ein kleines Zeichen hinweisen, das in mir sofort unglaublich große innere Freude auslöste: Der neue Papst Franziskus trägt nicht wie seine Vorgänger diese schrecklichen roten Designerpantoffeln, sondern schlichtes Schuhwerk aus dem Regal. Ein Hinweis dafür, dass die Spitze der Kirche wieder dort angekommen ist, wo sie begonnen hat, nämlich bei Jesus. Wenn der Papst in den Schuhen des Fischers geht, ist das ein gutes Zeichen.

Der Schuhwechsel fand in der kirchlichen Hierarchie offenbar wenig Nachahmer. Noch glänzt das Gold . . .

PUCHER: Beim Zweiten Vatikanischen Konzil trat ein Erzbischof mit einem Korb vor die versammelten Konzilsväter, er selbst legte sein Brustkreuz und seinen Bischofsring hinein und forderte die anderen auf, es ihm gleichzutun, um das gesammelte Gold zu verkaufen und mit dem Erlös den Armen zu helfen. Das Ergebnis fiel katastrophal aus - kein anderer Bischof machte mit. Aber Papst Paul VI. legte die schreckliche Tiara, diese dreifache Krone als Zeichen der Macht und Überheblichkeit, auf den Altar des Petersdoms und verkaufte sie, um jenen zu helfen, die nichts haben.

Trotzdem sagt man der Kirche nach, sie neige Prunk und Glanz zu. Bischöfe in Palais. Ehrentitel in Hülle und Fülle, von Eminenzen, Exzellenzen bis zum Monsignore, und Prälaten . . . .

PUCHER: Ich tue es zwar nicht, aber man könnte auch sagen, eigentlich ist es egal, ob der Papst im Apostolischen Palast lebt oder wie jetzt im Gästehaus des Vatikans. Wichtig ist, wenn er durch sein Dasein vermittelt, ich bin einer von euch, ich teile mit euch, euer Schicksal berührt mich.

Stein des Anstoßes ist nun ein bischöfliches Palais, das um teures Geld renoviert wurde. Der von Limburg ist nicht der einzige Bischof, der in einem schmucken Palast mit dicken, abschirmenden Mauern haust. Ist das noch zeitgemäß?

PUCHER: Ein Bischof hat in keinem Palais zu leben. Da stimmt etwas nicht. Es ist nicht so sehr das Gebäude, es ist die Symbolkraft. Jesus war in seinem Leben immer arm, er hatte nicht einmal einen Stein, auf den er sein Haupt legen konnte. Doch die Mehrheit der Menschen versucht, die Kirche nur in den Amtsträgern zu sehen. Das ist es aber nicht. Es gibt keine Ideologie der Welt, die so viel im Laufe der Geschichte bis heute zur Beseitigung von Armut und Not getan hat wie das Christentum. Darauf können wir stolz sein. Da wirkten auch Amtsträger mit. Freilich, die Verlockung, sich mit Prunk zu umgeben, ist zu groß. Christen sind nicht vor Verführung gefeit.

Im Mittelalter führte die Kirche die von den Franziskanern angeheizte Diskussion über Armut und Eigentum. Umberto Eco ließ diesen Diskurs in seinen Roman "Der Name der Rose" einfließen. Papst Johannes XXII. entschied damals, Eigentum komme von Gott. Punktum. Widmete man sich in den letzten Jahrzehnten zu wenig dem Thema Reichtum und dem Erscheinungsbild der Kirche?

PUCHER: Die Christen in Südamerika fingen schon früher an, darüber zu diskutieren. Das mündete in der Befreiungstheologie. Das ist jetzt auch bei uns angekommen. Es wäre unsere Aufgabe, in die Sandalen Jesu zu schlüpfen. Was das heute bedeutet, muss jeder für sich beantworten. Man muss deshalb nicht wie ein unbeschuhter Karmelit daherkommen. Ob wir wollen oder nicht, wichtig ist, der Lebensstil eines Priesters muss der Botschaft entsprechen, die er verkündet. Ordensleute leisten drei Gelübde, eines davon lautet: Ich will arm leben. Das Mönchstum besaß schon immer Vorbildcharakter. Selbst wenn ein Kloster mehr besitzt, ein Mönch selbst verfügt über kein Eigentum. Ich denke, Armut ist eines der Kennzeichen des Christentums.

Wie wünschen Sie sich die Kirche?

PUCHER: Wir sollten die Prunkgebäude, sogar die Kirchen, zu Museen machen oder dem Staat überantworten, und uns in einfache Gebetsräume zurückziehen. So wie es die Freikirchen in den USA machen. Ich besuchte einmal New York. An der Grenze zur Bronx schauten der dortige Pfarrer, ein Ire, und ich aus dem Fenster. An jeder Ecke standen bescheidene, weiße kleine Kirchen der Baptisten. Dort gehen die Armen ein und aus, erzählte mir mein Amtsbruder. Das brauchen wir. Wir sollten unsere pompösen Gebäude hergeben, denn das Äußere ist immer ein Zeichen der inneren Einstellung. Und unser Erlöser, geboren in einem Stall in Bethlehem, führte immer ein ärmliches Leben. Der Weg zur Gottesnähe, zu den Armen, zu den Ausgegrenzten, ist schon lange verlassen worden. Dorthin müssen wir wieder zurückkehren.

Kann eine Kirche, die sich nur an Armut orientiert, überhaupt in dieser Gesellschaft überleben?

PUCHER: Es geht immer um den anderen, nicht um einen selbst. Jesus war der, der sagte, wer sein eigenes Leben liebt, wird es verlieren, und wer es hergibt für andere, wird es gewinnen.

Wie halten Sie es selbst mit Bescheidenheit, mit Armut?

PUCHER: Ich erinnere mich, als ich Pfarrer wurde und zur ersten Pfarrertagung kam, sah ich, mit welchen Autos die Kollegen kamen. Ich schämte mich für sie. Das ist vorbei. Die meisten Pfarrer sind sehr bescheiden, auch im Lebensstil. Ich fahre heute noch mit einem 49 Jahre alten Moped. Bis zu meinem 70. Geburtstag besaß ich nur alte Autos. Nicht, weil ich damit anderen etwas vorgeben wollte. Ich hatte nun vor, mir wieder einen Gebrauchtwagen zu kaufen. Da stand aber ein neues Auto, das 9500 Euro kostete, meine Begleitperson überredete mich dazu. Kurz darauf geriet ich bei einer Fahrt in den Hagel, seither hat das Auto rundherum Dellen. Ich lasse es nicht reparieren.

Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche?

PUCHER: Die Kirche hat sich immer zu reformieren. Und es gibt immer genügend Menschen in ihr, die mit ihrem eigenen Leben Vorbild sind.

INTERVIEW: CHRISTIAN WENIGER

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