Chef der Industrieellenvereinigung Georg Kapsch und Ex-Kanzler Schüssel

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Der durch den Spruch, „12 Stunden Arbeit schaden keinem“, bekannt gewordene Chef der Industrieellenvereinigung Georg Kapsch, sowie der ehemalige „neoliberale“ Schweigekanzler und Privatisierer Schüssel machten in den letzten Tagen mit bemerkenswert positiven Medienberichten auf sich aufmerksam!

Schüssel:

Wer tritt heute noch mutig auf?
„Die heutige Welt liebt nichts mehr als den Gleichklang, die Harmonie, das „Nur-nicht- Auffallen“, das politisch Korrekte.“
Mut wird allseits nachgefragt, doch selten gefunden. Waren einst Winston Churchill, Konrad Adenauer oder Mahatma Gandhi um so viel mutiger als die heutige Generation? Sind vielleicht Frauen wie Shirin Ebadi, Aung San Suu Kyi und Malala Yousafzai die wirklichen Mutmacherinnen von heute? Was bedeutet überhaupt Mut? Sicher war Alexander Solschenizyn mutig, als er nach seinem „Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ trotz Überwachung durch den KGB weiterhin Augenzeugenberichte, Briefe und geografisches Material für den „Archipel Gulag“ sammelte. Nelson Mandelas Verzicht auf Gewalt nach seiner jahrelangen Haft und sein Plädoyer gegen Hass und für Versöhnung waren zweifellos tapfer.
Wer aber tritt hier und heute kraftvoll und mutig auf gegen die Gewaltwelle in europäischen Vorstädten, wer schützt gegen neu aufkeimenden Antisemitismus und Islamophobie, wer spricht wegweisende Worte im Nahostkonflikt? Wer wagt, praktische Lösungen gegen die Jugendarbeitslosigkeit anzubieten, engagiert sich für Nachhaltigkeit und gegen Armut. Wer verteidigt noch mit Glaubwürdigkeit und innerer Überzeugung das europäische Einigungsprojekt? Wo sind die großen Mutmacher in unseren selbstsüchtigen, konsumversessenen, angstgetriebenen Gesellschaften? Tapferkeit und Mut sind ambivalent bewertete Eigenschaften. Jeder fordert sie – aber wenn es um eigene Interessen geht, werden sie unbequem. Mut stört!
Oft ist er verbunden mit einem Regelverstoß, mit Querdenken, Gegen-den-Strom-Schwimmen, Mund-Aufmachen, Standpunkt-Beziehen gegen das allgemein Übliche. Und die heutige Welt liebt nichts mehr als den Gleichklang, die Harmonie, das „Nur-nicht-Auffallen“, das politisch Korrekte. Mutige werden oft abserviert, wenn sie ihre Schuldigkeit getan haben – siehe Churchill, Walesa, de Gaulle.
Dennoch brauchen wir sie mehr denn je – im Alltag, in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik. Manchmal nur, um nicht mitzumachen beim Schlechtmachen anderer. Um an eigenen Meinungen festzuhalten und den Blick für Neuerungen zu weiten. Um etablierte Theorien zu hinterfragen. Oder wenn es gilt, nötige Entscheidungen zu treffen und wichtige Reformen nicht über den nächsten Wahltag hinaus zu verzögern.
Wer glaubt, das Wichtigste sei, keine Fehler zu machen, zementiert nur die bestehenden Verhältnisse. Natürlich ist es einfacher, auf Nummer sicher zu gehen, sich nicht angreifbar zu machen, alles beim Alten zu lassen. Oder die „Mikado-Methode“ zu verfolgen – wer sich bewegt, verliert. Man wagt sich gar nicht mehr an das Neue, Unbekannte heran. Doch der Preis dafür ist hoch: Ohne Risiko kann nichts Neues entstehen.
Wolfgang Schüssel war Bundeskanzler von Österreich

Kapsch:

Industrie will komplett neue Schule

Industrie schwebt gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jährigen sowie Kindergartenpflicht ab 4 vor. Mit einer Kernzeit von 8.30 Uhr bis 15.30 Uhr.
MICHAEL JUNGWIRTH
Die Industriellenvereinigung (IV) will das Bildungssystem komplett auf den Kopf stellen. Der Industrie schwebt die Überleitung von Volksschule, AHS und Neue Mittelschule in einen völlig neuen Schultyp vor, der einer Mischung aus Gesamt- und verschränkter Ganztagsschule gleichkommt. „Wir brauchen keine Reform, wir brauchen eine Revolution“, argumentiert Industriechef Georg Kapsch bei der Präsentation des monatelang ausgearbeiteten, neuen pädagogischen Konzepts. „Die letzte Bildungsrevolution fand unter Maria Theresia statt, und das war vor 250 Jahren.“
Unterfüttert wird der Vorstoß mit den bekannten Zahlen über die hohe Drop-out in Österreich, die mangelnde Lesekompetenz der Schüler und die fehlende soziale Durchlässigkeit des teuren heimischen Bildungssystems. Christian Neumayer, Generalsekretär, sekundiert: „Wir bauen keine Luftschlösser, sondern greifen nur auf Systeme zurück, die es international schon gibt.“
Zu den Eckpunkten:
Kleinkinder: Statt von der Schulpflicht ist von der „Bildungspflicht“ die Rede, die bereits mit dem vierten Lebensjahr beginnt. Neben dem verpflichtenden Kindergarten ist ein verpflichtendes Startschuljahr vorgesehen (eine Art von Vorschule).
Schüler: Die Industrie fordert eine gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jährigen. Die neun Jahre sind in drei Schulphasen eingeteilt und enden mit der mittleren Reife. Vorgesehen ist nicht nur eine Binnendifferenzierung, sondern ein individualisierter Unterricht. „Wir wollen keine Nivellierung nach unten“, so Kapsch.
Schulzeit: Die Schule beginnt um 8.30 Uhr und endet um 15.30 Uhr. Die Kinder können in der Schule bleiben, müssen aber nicht. „Es muss nicht alles an der Schule stattfinden. Es soll aber alles angeboten werden.“
Durchfallen & Noten: Eine Klasse soll nicht wiederholt werden können, bei der Benotung ist an eine Kombination aus Ziffernbenotung und alternativem Beurteilungssystem gedacht.
Organisation: Die Industrie will ein neues Schulträgermodell. Die Autonomie soll ausgeweitet werden, pro Schüler überweist der Staat einen Fixbetrag an die Schule.
Lehrer: Der Quereinstieg und der Querausstieg von Lehrern sollen gefördert werden. „Lehrer von der Wiege bis zur Bahre, das soll Geschichte sein.“
Kein Njet der ÖVP
SPÖ, Grüne, Neos begrüßen den Vorstoß. Überraschend ist die wohlwollende Reaktion der ÖVP. „Wir werden die Vorschläge weltoffen und ideologiefrei diskutieren“, so Staatssekretär Mahrer zur Kleinen Zeitung. „Wir nehmen jeden Vorschlag gern auf, denn wir wollen die beste Bildung für jedes Kind.“

DREI FRAGEN AN
Niki Glattauer, Lehrer, Bildungsexperte und Bestsellerautor APA
1.Was halten Sie vom Konzept?
NIKI GLATTAUER: Ich halte jeden einzelnen Punkt für vollkommen richtig. Ich freue mich, dass die Wirtschaft erkannt hat, wo die Probleme liegen.
2.Wo liegen die Probleme?
GLATTAUER: Dass die Trennung der 10-Jährigen aufgehoben wird, halte ich für ganz entscheidend. Ich unterstütze auch das zweite verpflichtende Kindergartenjahr. Die Reform der Benotung führt dazu, dass der Lehrer eine neue Beziehung zum Schüler aufbaut. Zu begrüßen sind auch die Abschaffung des Polytechnikums und der Ausbau der Berufsberatung. Wir schleppen so viele Kinder durch die AHS bis zur Matura mit, die in einem Handwerksberuf glücklicher wären.
3.Ist das Konzept wirklich realisierbar?
GLATTAUER: Alles ist realisierbar, wenn es die Politik will. Die Chancen stehen gut, weil sich in der ÖVP was geändert hat. Wenn der politische Wille da ist, kann man die Leute auch von einem sehr mutigen Schritt überzeugen. Wenn nicht, dann gewinnen die Angstmacher die Oberhand.
INTERVIEW: M. JUNGWIRTH
Doppelt radikal

DENKZETTEL:
Klotzen statt kleckern. Diesem Motto hat sich die Industriellenvereinigung bei der Ausarbeitung ihres neuen Schulkonzepts verschrieben. Statt an Schrauben herumzudrehen, hat man sich für den großen Wurf entschieden und schlägt eine gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jährigen vor.
Berufsbedingte Zyniker mögen einwenden, das klinge zwar supertoll, werde aber hierzulande sowieso nie realisiert – angesichts der Myriaden von Bedenkenträgern, die unser Land beherrschen.
Mag sein, nur ist dies allemal besser als der selbstgenügsame Stillstand, der sich trotz inszenierter Umtriebigkeit über die Republik legt. Abgesehen davon, dass das radikale Konzept kein medial getriebener Schnellschuss ist, sondern das Ergebnis langer Überlegungen.
Nicht minder radikal ist die Reaktion der ÖVP. Mitterlehner wollte sich gestern nicht zu Wort melden, schickte aber Staatssekretär Mahrer vor, der den Vorschlag überraschend offen aufnahm. Unter Spindelegger wäre das IV-Konzept umgehend als fehlgeleiteter Stumpfsinn abqualifiziert worden. So haben sich glücklicherweise die Zeiten geändert. MICHAEL JUNGWIRTH

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