TIWAG-Urteil
AK bekommt Recht: Strompreiserhöhung 2022 war nicht rechtens

Das Urteil im Prozess gegen TIWAG lautet: Die Strompreisanpassung von 2022 war rechtlich nicht zulässig. Die Arbeiterkammer Tirol (AK) erhält in allen Punkten Recht. Es zeigt sich, dass die Preisanpassung des Arbeitspreises von 2022 rechtlich nicht zulässig und somit unwirksam war. | Foto: Archiv (Symbolbild)
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  • Das Urteil im Prozess gegen TIWAG lautet: Die Strompreisanpassung von 2022 war rechtlich nicht zulässig. Die Arbeiterkammer Tirol (AK) erhält in allen Punkten Recht. Es zeigt sich, dass die Preisanpassung des Arbeitspreises von 2022 rechtlich nicht zulässig und somit unwirksam war.
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Das Urteil im Prozess gegen TIWAG lautet: Die Strompreisanpassung von 2022 war rechtlich nicht zulässig. Die Arbeiterkammer Tirol (AK) erhält in allen Punkten Recht. Es zeigt sich, dass die Preisanpassung des Arbeitspreises von 2022 rechtlich nicht zulässig und somit unwirksam war.

TIROL. Das mit großer Spannung erwartete Urteil im ersten Prozess der AK Tirol gegen den Landesenergieversorger TIWAG ist nun gefallen. Obwohl noch nicht rechtskräftig, birgt es beträchtliches Konfliktpotenzial, denn das Erstgericht bestätigt die rechtliche Position der AK Tirol in allen Aspekten. AK Präsident Erwin Zangerl äußerte sich in einer ersten Stellungnahme hocherfreut über das Urteil und bezeichnete es als Meilenstein in ihrer Arbeit. 

TIWAG-Strompreiserhöhung 2022 unwirksam

Die Musterklage der AK Tirol, die im Mai 2023 eingereicht wurde, behandelt wichtige Grundsatzfragen und fordert unter anderem Auskunft und Informationen über die tatsächlichen Beschaffungskosten - ein Anliegen, das auf Transparenz abzielt und Auswirkungen auf die Strompreiserhöhungen der TIWAG haben soll. Das Gericht hat nun ein deutliches Urteil gefällt, nachdem es sich intensiv mit der komplexen Thematik auseinandergesetzt und die Unzulässigkeit der Preisanpassung des Arbeitspreises rechtlich umfangreich begründet hat.

"Wir erwarten jetzt vom Landesenergieversorger eine rasche entsprechende Reaktion bzw. Akzeptanz und Erfüllung des Urteils gegenüber allen betroffenen KundInnen“ (AK Präsident Erwin Zangerl)

„Das Urteil kann getrost als Meilenstein in unserer Arbeit gesehen werden und ich bin hoch erfreut, dass das Gericht unsere Auffassung teilt“, so AK Präsident Erwin Zangerl in einer ersten Stellungnahme. | Foto: AK Tirol/Friedle
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Musterklage wegen Preisanpassung des Arbeitspreises

Die Musterklage der AK Tirol bezog sich auf die Preisanpassung des Arbeitspreises der TIWAG im Jahr 2022, die hauptsächlich mit der Entwicklung des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) begründet wurde. Interessanterweise ist die TIWAG der größte Stromerzeuger aus Wasserkraft in Tirol. Das wichtigste Ergebnis des gestern zugestellten Urteils ist, dass das Gericht nicht der Ansicht der TIWAG-Juristen folgt und der AK Tirol vollumfänglich recht gibt.

Rechtfertigung von Preisanpassungen – rechtlich begründet

Die Rechtfertigung von Preisanpassungen muss sachlich begründet sein. Eine Preisanpassung auf Basis des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) ist rechtlich nicht zulässig. Vertragsbestimmungen werden als nichtig betrachtet, wenn eine Erhöhung des Preises keine sachliche Rechtfertigung hat. Maßgebliche Umstände für eine Preisänderung müssen sachlich begründet sein und dürfen nicht die Gewinnspanne des Unternehmens verändern. Die Preisanpassung sollte sich ausschließlich auf die Änderung der tatsächlichen Kosten des Unternehmens beschränken.

Die TIWAG handhabte dies anders. Obwohl die Börsenpreise stiegen, stiegen die tatsächlichen Erzeugungskosten nicht in gleichem Maße. Das Gericht lehnt auch die Heranziehung der sogenannten Opportunitätskosten ab und stellt fest, dass die Preisanpassung auf Basis des ÖSPI rechtlich nicht zulässig war bzw. ist.
Angemessene Begründung für Entgelterhöhung erforderlich

Der für Entgelterhöhung herangezogene Grund muss angemessen sein

Die TIWAG argumentierte stets, dass die Preisanpassung auf die Veränderung des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) zurückzuführen sei, was jedoch vom Gericht anders beurteilt wurde. Im Urteil heißt es:

„Ein konkreter Zusammenhang zwischen der Veränderung des ÖSPI und den tatsächlichen Kosten der beklagten Partei besteht nicht.“

Nur weil man an andere Verkäufer, etwa an der Börse, teurer verkaufen könnte, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die eigenen tatsächlichen Kosten steigen. Das Gericht macht deutlich, dass die Argumentationslinie der TIWAG die Bestimmung des § 80 Abs 2a Satz 1 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ELWOG) ad absurdum führen würde.

Irreführende "Entgeltanpassung": Gericht erklärt Preisanpassung für unwirksam

Das Gericht betont in seiner Argumentation, dass der Begriff "Entgeltanpassung" in den kritisierten Preisanpassungsschreiben von 2022 als "objektiv ungewöhnlich" anzusehen ist. Die TIWAG hebt hier auffällig die 100%ige Tiroler Wasserkraft und regionalen Ökostrom hervor, was jedoch nicht garantiert werden kann, wie die TIWAG selbst während der Verhandlung eingestehen musste. Der physikalische Strom, der beim Endkunden ankommt, ist nicht regional, sondern stammt aus unbekannter Herkunft.

Das Gericht stellt weiters fest, dass die Preisanpassungsklauseln der TIWAG auf Basis des Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) grob benachteiligend sind, da die Preisanpassung nicht im Verhältnis zur tatsächlichen Kosten- und Beschaffungsstruktur steht. Die Preisanpassungsschreiben werden als intransparent bewertet, da suggeriert wird, dass die Preisanpassung auf einem gesetzlichen Preisanpassungsrecht beruht.

Damit kommt das Erstgericht in seinem Urteil auch zur Rechtsauffassung, dass die Preisanpassung mit Preisanpassungsschreiben vom 4.4.2022 unwirksam ist.

Die Bedeutung des Urteils für die TIWAG-KundInnen

Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, ist die TIWAG nicht zu Rückzahlungen an ihre Kunden verpflichtet. Dies hängt also davon ab, ob die TIWAG gegen das Urteil in Berufung gehen wird oder nicht.

Auszüge aus dem Urteil

Unter anderem wurde im Urteil des BG Innsbruck folgendes festgehalten

[…] „Für die beklagte Partei (Tiwag) als Energieerzeuger führten die gestiegenen Preise an der Börse zu einer höheren Gewinnmarge, zumal die tatsächlichen Erzeugungskosten nicht äquivalent zu den Börsepreissteigerungen gestiegen sind. Dass die Opportunitätskosten, also die Kosten für entgangenen Gewinn (nach betriebswirtschaftlicher Definition) entsprechend dem Börsepreis gestiegen sind, mag aus betriebswirtschaftlicher Sicht so sein. Die Heranziehung der Opportunitätskosten zur Prüfung der subjektiven Äquivalenz würde die Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG jedoch ad absurdum führen. Die gegenständliche Preisanpassung auf Basis des ÖSPI widerspricht folglich der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG“ […]

[…] § 80 Abs 2a ElWOG stellt kein einseitiges gesetzliches Preisänderungsrecht dar Ein Preisänderungsrecht ist folglich vertraglich zu vereinbaren und unterliegt daher auch den Bestimmung des ABGB und des KSchG (mit Ausnahme § 6 Abs 1 Z 5 KSchG).

[…] „Die beklagte Partei (Tiwag) stützt die Erhöhung des Arbeitspreises letztlich ausschließlich auf die Änderung des ÖSPI. Ein konkreter Zusammenhang zwischen der Veränderung des ÖSPI und der tatsächlichen Kosten der beklagten Partei besteht nicht. Feststellungsgemäß produziert die beklagte Partei (deutlich) mehr als die Hälfte ihres verkauften Stroms selbst. Sie begründet die Äquivalenz zwischen dem ÖSPI und ihren Kosten mit den durch einen steigenden ÖSPI steigenden Opportunitätskosten. Opportunitätskosten sind „Kosten des entgangenen Gewinns“. Würde man die Argumentationslinie der beklagten Partei weiterdenken, so wäre die Bestimmung des § 80 Abs 2a Satz 1 ElWOG ad absurdum geführt. Nur weil an andere Käufer (bspw. an der Börse) teurer verkauft werden könnte, steigen die eigenen tatsächlichen Kosten nicht. Unter Annahme der Anwendbarkeit des § 80 Abs 2a ElWOG widerspricht die gegenständliche Preisanpassung auf Basis des ÖSPI auch dieser Bestimmung“ […]

Verstoß gegen § 864a ABGB (objektiv ungewöhnliche und überraschende AGB-Klauseln)

[…] Die beklagte Partei (Tiwag) hat jedoch das Produkt „comfort+“ feststellungsgemäß unter anderem als regionalen Ökostrom aus 100 % Tiroler Wasserkraft beworben. Auf dem Produkt- und Preisblatt wird die Regionalität und insbesondere „100% Tiroler Wasserkraft“ – auch markant optisch – hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund erwartet der durchschnittliche Verbraucher nicht eine Indexierung an Hand eines Strompreisindizes, der einen Ausblick auf die in den nächsten Monaten zu erwartende Preisentwicklung auf dem Stromgroßhandelsmarkt gibt und der nicht danach unterscheidet, aus welcher Erzeugungsquelle der Strom stammt. Jedenfalls erwartet ein durchschnittlicher Verbraucher auch nicht, dass der Arbeitspreis des vereinbarten Wasserkraftstroms aufgrund von (eklatanten) Preissteigerungen bei Strom aus fossilen Brennstoffen (der ja gerade nicht Vertragsbestandteil ist), in einem (eklatanten) Ausmaß steigt. Daher ist die Klausel – insbesondere 7.2.1 der ALB 13 – objektiv ungewöhnlich. Das Klagebegehren ist daher auch aus diesem Grund berechtigt“ […]

Verstoß gegen § 879 Abs. 3 ABGB (gröblich benachteiligende Klauseln)

„Die Preisanpassungsklauseln der beklagten Partei auf Basis des ÖSPI sind gröblich benachteiligend, zumal die Preisanpassung in keiner Relation zur tatsächlichen Kosten- und Beschaffungsstruktur der beklagten Partei steht. Das Preisanpassungsschreiben ist darüber hinaus als intransparent zu qualifizieren, zumal es (zumindest) suggeriert, dass die Preisanpassung auf einem gesetzlichen Preisanpassungsrecht beruht und nicht auf den ALB 13 der beklagten Partei“ […]

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