Die Gesichter der Flüchtlinge

Wie viele Familienmitglieder könnte man mit Almwirtschaft heute ernähren?
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Mit 26 Flüchtlingen bekommen sie keinen Postbus voll, so wenig Menschen sind das. Was eine „Bürgerinitiative für ein asylantenfreies Almenland“ über diese 26 Menschen mutmaßt und weshalb sie via Internet „Darum beteiligt und wehrt Euch!!!“ verlautbart, erscheint irrational.


Aber dahinter lassen sich vermutlich rational zu klärende Gründe finden; die liegen allerdings nicht bei den Flüchtlingen, sondern bei den Menschen dieser Region. Damit meine ich ein halbes Jahrtausend Armutserfahrungen der oststeirischen Bevölkerung.

Das prägt die Mentalitätsgeschichte. Es nistet sich in einem kollektiven Gedächtnis ein und macht sich gelegemtich bemerkbar, bewußt oder unbewußt. Ich meine, es lohnt sich, dem nachzugehen.

Lassen wir also einmal kurz beiseite, daß der Facebook-Auftritt dieser Bürgerinitiative auffallende Merkwürdigkeiten zeigt. Die wenigen, kurz gehaltenen Texte sind durchaus professionell geschrieben, klingen nicht nach jemandem, der sich unbeholfen Luft macht.

Die Basisbeiträge sind unterm Strick eher zurückhaltend, forcieren den verächtlichen Ton nicht, sondern nehmen ihn letztlich zurück. Die Fotos sind saubere Arbeiten, keine flüchtige Knipsereien. Das Impressum ist leer, die Urheber halten sich völlig bedeckt. Ich meine, hier ist jemand sehr kalkuliert vorgegangen.

Also zur Sache! Passail wird derzeit von rund 4.316 Menschen bewohnt. Das Leader-Projekt „Slow Region Almenland“ bezog sich 2008 auf eine „Einwohnerzahl der o.a. 12 Gemeinden“, die mit 12.467 angegeben wurde.

Zwischen diesen Einheimischen würden Sie die 26 Flüchtlinge vermutlich sogar mit größter Anstrengung nicht finden können, außer jemand verrät Ihnen deren Wohnadresse.

Deshalb vermute ich, es sind eigentlich nicht die Flüchtlinge, an denen sich die behaupteten Sorgen entzünden. Aber diese Flüchtlinge erinnern an etwas, das wir uns nicht mehr ansehen wollen. Unsere eigene Vorgeschichte.

Die Landwirtschaften der Oststeiermark sind traditionell kleine Selbstversorgerwirtschaften, von denen die meisten es gerade einmal auf sechs bis elf Hektar brachten. Da wurde nicht für den Markt produziert, es war also schwer, Geld ins Haus zu kriegen.

Was war das für eine Plackerei, um den Ertrag zu sichern, mit dem man eine Familie das ganze Jahr durchfüttern konnte. Die Leute sind hier mehrheitlich arm gewesen, mußten stets hart arbeiten, kannten den Hunger. Das war kein idyllisches Landleben, zumal ja auch noch Adel und Klerus von diesen Erträgen allerhand wegnahmen und dabei nie zurückhaltend gewesen sind.

Manche verstanden es einst besser, kamen über Sonderkulturen wie Wein, Obst oder Hopfen in bessere Verhälnisse, die meisten aber nicht. Wer das Talent hatte, sich im Handwerk zu bewähren, fand eventuell mehr Verdienst.

Bis heute werden etwa Bauernbuben, die sich wenig leisten konnten und daher viel improvisieren mußten, in steirischen Industriebetrieben als Lehrlinge geschätzt.

Die Industrialisierung mancher Teile der Oststeiermark, den Wohlstand ankündigend, griff erst so richtig nach dem Zweiten Weltkrieg. Ebenso die Maschinisierung der Landwirtschaft und der Einsatz von Kunstdünger. Neue Methoden in Anbau wie Zucht vergrößerten den Ertrag der bäuerlicher Arbeit. Es wurde ein Wandel von der bäuerlichen zur industriellen Landwirtschaft vollzogen.

In der Region lebten Scharen unehelicher Kinder von Dienstboten, weil arme Leute, wo sie keinen Hausstand gründen konnten, auch nicht heiraten durften. Genauso waren Dritt- und Viertgeborene von Eheleuten oft eine zu große Last für die Keuschen, wurden daher weggeben.

Diese Kinder galten allesamt weniger als das Vieh, mußten meist „bei den Ratzen“, also im Stall wohnen, wurden als nutzlose Esser behandelt und waren vielen Arten der Gewalttätigkeit ausgesetzt.

Häusliche Gewalt gehörte übrigens zum Standard unzähliger Haushalte, wie überhaupt das karge Leben permanent für eine Brutalisierung der Gesellschaft sorgte. Sie müssen mir das nicht glauben. Fragen Sie einfach alte Leute, die es selbst erlebt wie erlitten heben. Es gibt davon mehr, als man für möglich halten möchte.

Es wäre also gut möglich, daß Flüchtlinge, die teils aus sehr armen Weltgegenden kommen und in machen Fällen ein furchterregendes Maß an Gewalttäigkeit erlitten haben, daß solche Flüchtlinge etwas in ihre Gesichter geschrieben bekamen, was wir nicht sehen wollen.

Zum Beispiel, was an eigenen Traumata halbwegs überwunden wurde, was einem eventuell von traumatisierten Eltern aufgebürdet wurde. Zum Beispiel, was man für die Zukunft ahnt und befürchtet, wenn Armut zurückkommen sollte, wo entlegenere Teile der Region bald nichts mehr haben; keine Betriebe, keine Areitsplätze, keine Zukunft, auch keine Nachkommen, da die Jungen abhauen, um ein besseres Leben zu finden.

Über solche Erfahrungen und Ängste der eigenen Leute sollten wir in der Öffentlichkeit reden, statt uns an Flüchtlingen abzuarbeiten.

+) Der Überblick [link]

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