Gewalt an Frauen
Mehr Sicherheit zu Hause und in der Öffentlichkeit
Vergangene Woche wurde der Weltfrauentag gefeiert. In Wien, wie in Städten auf der ganzen Welt, gingen tausende Menschen für die Rechte von Frauen auf die Straße. Jedoch war der Tag in Wien dieses Jahr überschattet von den Nachrichten über die vier ermordeten Frauen Ende Februar. Mein Bezirk.at hat mit Expertinnen über die Frage gesprochen, wie Wien für Frauen sicherer gestaltet werden kann.
WIEN. In Österreich wurden seit Anfang des Jahres sieben Frauen getötet. Fünf der Morde fanden in Wien statt. Über die letzten Jahre fanden in Wien wie in ganz Österreich immer mehr Femizide statt. Waran liegt das und wie können wir als Gesellschaft die Stadt und das private Leben für Frauen sicherer machen?
MeinBezik.at hat mit Theresa Loibl von dem Projekt, Stadtteile ohne Partnergewalt (StoP) und Eva Kail, Expertin für frauengerechtes Planen und Bauen gesprochen. Sie erklären aus verschiedenen Perspektiven, wie Wien für Frauen sicherer und gerechter gemacht werden kann.
Gewalt passiert im Umfeld
Für Theresa Loibl ist es wichtig zu benennen, wo und von wem der Großteil der patriarchaler Gewalt stattfindet. Denn diese würde sehr oft von Männern auf dem unmittelbaren Umfeld ausgeübt werden. Dies zeigen auch die Statistiken der österreichischen Frauenhäuser, über Femizide und schwere Gewalt an Frauen.
Auf die Frage, wo Gewalt gegen Frauen anfängt, antwortet Theresa Loibl: "Gewalt an Frauen beginnt nicht erst bei körperlichen Übergriffen, sondern schon viel früher bei abwertenden Bemerkungen und Witzen, eifersüchtigem und kontrollierendem Verhalten, Drohungen, Manipulation, Isolation oder Grenzüberschreitungen aller Art." Wichtig sei es, diese Warnzeichen ernstzunehmen und Betroffenen zu glauben und diese zu unterstützen.
Präventionsmaßnahmen für Männer
Da es primär Männer sind, die gewalttätig gegenüber Frauen sind, ist es besonders wichtig, sie in der Arbeit gegen Gewalt an Frauen in die Pflicht zu nehmen. In Wien können Männer bei den StoP-Männertischen vernetzen, Männlichkeitsstereotype kritisch hinterfragen und Methoden der Zivilcourage lernen. Weiter Angebote in Wien sind die Männerberatung Wien, Volkshilfe Wien Männer*beratung, White Ribbon, Verein poika,MEN Männergesundheitszentrum und Neustart.
Auch in Schulen ist es wichtig, das Thema Gewalt an Frauen zu besprechen. Denn je öfter darüber gesprochen und informiert wird, desto besser hilft die präventive Arbeit. StoP bietet dafür Schulungen und Workshops für Jugendliche in Schulen und Freizeitzentren an.
"Partnergewalt ist keine Privatsache, sondern systemische Gewalt an Frauen. Deshalb hat die Gesellschaft die Verantwortung, einzuschreiten und Betroffene zu schützen. Das Wichtigste ist, sich einzumischen und nicht wegzusehen.", so Loibl. Wer Gewalt in der Nachbarwohnung oder im persönlichen Umfeld vermutet, soll bei der Frauenhelpline unter 0800 222 555 anrufen oder ein Chat auf der Website haltdergewalt.at starten.
Forderungen an die Politik
An die Politik stellt die Organisation eine Reihe an Forderungen. Wichtig seien langfristige Finanzierungssicherheit für Präventionsprojekte wie StoP - Stadtteile ohne Partnergewalt und ausreichend Plätze in Frauenhäusern. Aber auch Bewusstseinsarbeit durch Workshops und Schulungen zu Themen wie Früherkennung von Gewaltbeziehungen sind ein wichtiger Teil in der Gewaltprävention. Zusätzlich sollten alle Berufsgruppen, die mit häuslicher Gewalt konfrontiert sind, verpflichtende Schulungen besuchen.
Die Stadt als sicherer Ort für alle
Rund 30 Jahre setzte sich die Stadtplanerin Eva Kail in der Stadt Wien dafür ein, dass Wien eine lebenswerte, grüne und sichere Stadt ist – für Männer und vor allem für Frauen. Ihre Nachfolgerin Julia Giradi-Hoog setzt diese Arbeit nun fort. Im Interview erklärt Eva Kail, warum Städte meist für Männer ausgelegt sind und was es bedeutet, Städte gendergerecht zu planen.
Lange Zeit orientierte sich die Stadtplanung an autofahrenden Männern der Mittelschicht, die keine Hausarbeit und Sorgearbeit machten. Nach ihren Bedürfnissen wurde der öffentliche Raum geplant und gebaut. Für Eva Kail spiegelt sich hier auch die Geschichte wider und die Frage, wer sich für seine Bedürfnisse einsetzen konnte und das Sagen hatte.
Gendergerechte Stadtplanung bedeutet, die verschiedenen Bedürfnisse und Anforderungen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in die Planung von städtischen Bereichen einzubeziehen. Dabei haben nicht immer alle Gesellschaftsgruppen die gleichen Bedürfnisse. Zum Beispiel stehen sich im Straßenraum die Bedürfnisse nach Parkplätzen, Fahrbahnen, Radwegen und breiten Gehsteigen und Sitzgelegenheiten gegenüber. Ein zielgruppenorientierter Ansatz, der die verschiedenen Bedürfnisse basierend auf Geschlecht, sozialen Rollen, Alter, sozialem und kulturellem Hintergrund berücksichtigt und darauf abzielt, die Stadt gerecht zu gestalten, wird als Gender Planning bezeichnet.
"Es ist schon viel geschehen"
Im Vergleich zu anderen Städten hat sich im Aspekt gendergerechte Stadtplanung schon einiges getan. "Das beginnt bei der geschlechtersensiblen Parkgestaltung, denn Mädchen und Burschen haben oft unterschiedliche Sport- und Spielinteressen, der Verbreiterung von Gehsteigen und Ampelschaltungen zugunsten von Fußgängerinnen und Fußgängern." so Kail. Bereits 1991 wurde in Wien mit der Ausstellung "Wem gehört der öffentliche Raum - Frauenalltag in der Stadt" das Thema behandelt.
Auch durch die Auswirkungen des Klimawandels wird gendergerechte Stadtplanung immer wichtiger. Denn, wenn sich die Stadt im Sommer in dicht bebauten Gebiet sehr stark aufheizt leider besonders alte Menschen und kleine Kinder darunter. "Die Entsiegelung und Begrünung von Straßenräumen ist hier sehr wichtig. Unter dem Motto „Raus aus dem Asphalt“ wird mit dem Umbau der Straßenräume in besonders stark betroffenen Gebieten begonnen", so Kail. Um dem Klimawandel entgegenwirken zu können, müsse sich unser Lebensstil ändern. Weniger Autos und mehr vielfältig nutzbare Flächen würden dabei unsere Lebensqualität erhöhen.
Mit guter Beleuchtung für mehr Sicherheit
Gendergerechte Stadtplanung kann auch ganz konkret für mehr Sicherheit sorgen. So helfe gute Straßenbeleuchtung für mehr Orientierung und Überblick in der Nacht. Gut geplante Gebäude, bei denen dunkle, uneinsichtige Ecken vermieden werden, reduzieren Gefahrenräume. Wohnräume, die zur Straße orientiert sind, erhöhen die soziale Kontrolle. Dabei nützt die Umgestaltung von Städten am Ende Allen. "Eine gendergerechte Stadt ist eine Stadt der Vielen", betont Kail. Ziel sei es immer, das gute Leben für möglichst Viele zu fördern und unterstützen.
Frauen, die Gewalt erleben, finden Hilfe und Informationen bei der Frauenhelpline unter:
Hier finden Opfer von Gewalt Hilfe
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