Lobautunnel
Umweltproblem wegen Altlasten
"Der Lobautunnel ist zukunftsfeindlich", erklärten zahlreiche Wissenschafter beim Forum Wissenschaft und Umwelt. Mit dabei auch Helga Kromp-Kolb und Bernd Lötsch, der vor einem "Umweltproblem wegen petro-chemischer Altlasten" warnte.
WIEN. Anlässlich des Forums Wissenschaft und Umwelt gab es ein Fachgespräch mit Experten, bei denen sich alle gegen den von der Stadt Wien geplanten Lobautunnel als Teil der Wiener Außenring-Schnellstraße S1 aussprachen.
"Eine Politik, die die Chancen künftiger Generationen verschlechtert, Handlungsoptionen verringert und die Lebensqualität bedroht ist zukunftsfeindlich. Genau dafür stehen Projekte wie der Lobau-Tunnel", erklärte Wissenschafter Reinhold Christian gleich zu Beginn - er ist Vorsitzender von Umwelt Management Austria. Die Begründungen kamen dann von seinen Kollegen Helga Kromp-Kolb und Bernd Lötsch:
"Bauliche Infrastruktur, wie Tunnel, Brücken, Straßen, aber auch ganze Stadtteile bestimmen das Verhalten der Menschen auf Jahrzehnte hinaus", hielt Meteorologin und Klimaforscherin Kromp-Kolb fest, "Bei der aktuellen Diskussion der Projekte geht es daher vor allem darum, zu verhindern, dass das Klimaziel in weitere Ferne gerückt, zusätzlicher Boden versiegelt, Biodiversität reduziert und die soziale Kluft vergrößert wird, weil das unerlässliche Umdenken wieder verschoben wird. Wir können uns weitere Verzögerungen im Klimaschutz nicht leisten.“
Altlasten aus der Petro-Chemie?
Auch Bernd Lötsch - Biologe, Umweltschützer, Hainburg-Besetzer und früherer Direktor des Naturhistorischen Museums -, plädierte für einen Stopp von großen Straßenbauprojekten: Das sei das Gebot der Stunde, und zwar nicht nur aufgrund zahlreicher ökologischer Gefahren, sondern auch finanzieller und sozialer Probleme: „Immer mehr Verkehrsexperten und wachsende Bürgerinitiativen fordern die Trendwende: ‚Keine Förderung einer Verkehrsform mehr, von der wir in Zukunft wegkommen müssen‘."
Bernd Lötsch berief sich auf einen nicht näher genannten „OMV-nahen Experten“ und warnte vor einem "hydro-geologischen Umweltproblem“ wegen der „kaum mehr beherrschbaren Mobilisierung“ von petro-chemischen Altlasten. Der Lobautunnel unter dem Nationalpark Donauauen habe weiters „stadtzerstörende, urbanitätsfeindliche Folgen“.
Ist Ernährungssicherheit gefährdet?
Weitere Gründe seien einerseits der Bodenschutz, denn bioproduktive Flächen und gefährdete Naturräume, die für die Nahrungsmittelsicherheit sowie die Artenvielfalt wichtig seien, würden rasant schwinden. Aber auch das Erreichen der internationalen Klimaziele sei ein Grund, den Lobautunnel nicht zu bauen: "Großstraßenbau behindert die Reduktion des Energieverbrauchs durch weitere Eskalation des Straßenverkehrs", so Wissenschafter Lötsch.
Er warnte auch davor, "Arbeitskräfte" als Argument für den Bau etwa des Lobautunnels zu verwenden, denn der Bau von Großstraßen sei aufgrund von "Roboterbaustellen", die nur ein Minimum an Arbeitskräften benötigten, eine "schlechte Beschäftigungspolitik". Zudem solle man das Budget für solche Bauprojekte "besser für den Ökosozialen Umbau der Gesellschaft" und Hilfen für Geschädigte von Klimafolgen, etwa Hochwässern oder Wirbelstürmen, verwenden.
Die Stadt Wien ist für den Bau
Der Lobautunnel wird von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Verkehrsstadträtin Ulli Sima (beide SPÖ) gefordert. Als Argumente für den Bau von Lobautunnel und Floridsdorfer "Stadtstraße" werden die "Entlastung der alten Ortskerne" in Floridsdorf, etwa von Hirschstetten, sowie der "notwendige Neubau tausender Wohnungen" im Gebiet rund um die Seestadt Aspern, angeführt.
Als Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) vor einigen Wochen ankündigte, nicht nur den Lobautunnel, sondern auch andere Straßenbauprojekte "bis zum Herbst zu evaluieren", kam aus dem Wiener Rathaus heftiger Protest: "Ohne S1-Verlängerung und Lobautunnel dürften Wohnungen für 60.000 Menschen nicht gebaut werden", erklärte Sima. Die bereits durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sei mehrfach angefochten, letztlich aber vom Höchstgericht bestätigt worden: "Wir müssen diese Auflagen jetzt erfüllen", ergänzte Sima und kündigte gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Klagen gegen Umweltministerin Gewessler an.
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