Psychologie / Schlaf
Schlafstörungen: Mythen und Märchen um den Schlaf
Märchen Nummer Eins: Jeder Mensch braucht mindestens sieben bis acht Stunden Schlaf in der Nacht.
Fakt: Wie viel Schlaf ein Mensch benötigt, ist sehr individuell. Manche Menschen benötigen nur vier Stunden Schlaf, andere wiederum zehn Stunden. Der Durchschnitt liegt bei sieben Stunden.
Übrigens: Wenn sie sich tagsüber nach nur (durchschnittlich) sechs Stunden Schlaf munter fühlen, ist alles in Ordnung. Wie müde Sie in der Früh beim Aufstehen sind hat zudem wenig mit der Schlafdauer zu tun.
Märchen Nummer Zwei: Medikamente sind am wirksamsten, wenn Menschen unter Schlafstörungen leiden.
Fakt: Nein, denn die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse empfehlen nicht Medikamente, sondern psychologische und psychotherapeutische Methoden und Hilfe. Psychologische Hilfe ist bei fast allen Einschlaf- und Durchschlafstörungen wirksam, während Medikamente in den natürlichen Schlaf eingreifen. Zudem können sie Nebenwirkungen haben und manchmal sogar abhängig machen.
Märchen Nummer Drei: Der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste.
Fakt: Erholsam ist nicht der Schlaf vor Mitternacht, sondern es sind die Tiefschlafphasen. Die erste Tiefschlafphase kommt etwa eine halbe Stunde nach dem Einschlafen und das völlig unabhängig von der Uhrzeit. Somit ist der Schlaf genauso gesund und erholsam, wenn Sie erst nach Mitternacht ins Bett gehen.
Märchen Nummer Vier: Wenn ich nachts schlecht schlafe, werde ich den ganzen nächsten Tag unausgeschlafen sein. Schlechter Schlaf beeinträchtigt mich am nächsten Tag und ich sollte mich dann schonen.
Fakt: Wenn ich einmal schlecht schlafe, dann hat das keine negativen Auswirkungen auf meine Leistungsfähigkeit am nächsten Tag. Wenn ich mich dann schone und weniger aktiv bin, dann kann es passieren, dass ich am Abend zu wenig müde für einen guten Schlaf bin.
Märchen Nummer Fünf: Wenn ich in einer Nacht schlecht schlafe, dann sollte ich in der nächsten Nacht länger schlafen
Fakt: Wenn ich zu kurz geschlafen habe, dann kann ich das nicht durch eine längere Schlafdauer ausgleichen, sondern nur durch bessere Schlafqualität.
Märchen Nummer Sechs: Wenn die Qualität des nächtlichen Schlafes nicht gut ist, dann fühle ich mich tagsüber nicht fit und ausgeschlafen
Fakt: Ob ich mich tagsüber wohl und ausgeschlafen fühle, hängt von vielen Faktoren ab, nicht allein vom Schlaf. Auch Ernährung, das Einhalten von Pausen, das psychosoziale Wohlbefinden, ein erfülltes Leben und sinnstiftende Tätigkeiten sind mindestens genauso wichtig wie guter Schlaf.
Märchen Nummer Sieben: Wenn ich in der Nacht oft aufwache, dann ist das ein Anzeichen einer Schlafstörung
Fakt: Besonders in der zweiten Nachthälfte wachen wir alle mehrmals auf und zwar bis zu 20-mal. Sind diese Aufwachphasen kürzer als eine Minute, dann können wir uns nicht mehr daran erinnern. Erst ab vier bis fünf Minuten Wachzeit kommt die Erinnerung an das Aufwachen. Wenn Menschen drei bis vier dieser längeren Aufwachphasen haben, dann ist das normal und kein Problem. Jedoch kann die Beunruhigung über diese wachen Phasen Menschen stressen und unnötig belasten.
Exkurs: Schlafstörungen, Einschlaf- und Durchschlafstörungen
Oft schlafen wir erst dann ein, wenn wir loslassen, d.h. wenn uns das Einschlafen oder Durchschlafen nicht mehr so wichtig ist (etwa durch Gedanken wie folgende: „Ich ruhe jetzt erst einmal, auch die Ruhe bringt mir Erholung – ob ich dann einschlafe oder nicht, ist mir nicht wichtig). Je mehr wir einschlafen möchten, desto schwieriger wird es, weil der bewusste Wille zu Stressreaktionen im Körper führt, was uns wiederum munter werden lässt.
In der Therapie von Schlafstörungen sind Medikamente nur wenig zielführend und sollten daher nur für kurze Zeit eingenommen werden. Die Standardbehandlung von Schlafstörungen erfolgt psychologisch bzw. psychotherapeutisch.
Wichtig ist es, beim Schlafen die Schlafhygiene einzuhalten, d.h. etwa sich keine Arbeit oder Ablenkungen ins Bett zu holen (kein Notebook, keine Arbeit, kein Lernen im Bett oder kurz vor dem Schlafen-gehen).
Die Bettzeitrestriktion ist eine weitere Strategie: Die gesamte Zeit im Bett soll reduziert werden, damit die Müdigkeit und der Schlafdruck am Abend steigen. Der Rhythmus zwischen Wachen und Schlafen kann so wiederhergestellt werden.
Auch die Stimuluskontrolle ist ein Baustein der Schlaftherapie. Es gilt die Empfehlung, die im Bett verbrachte schlaflose und emotional belastende Zeit zu reduzieren.
Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision
(Logotherapie und Existenzanalyse)
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