"Falsches Anreizsystem"
Sozialversichungs-Chef kritisiert Ärztestartbonus

Peter Lehner, in diesem Halbjahr Chef der Konferenz der Sozialversicherungsträger, ist mit der jüngsten Gesundheitsreform ebenso unzufrieden wie mit dem von der Regierung propagierten Startbonus. | Foto: Max Slovencik / EXPA / picturedesk.com
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Peter Lehner, in diesem Halbjahr Chef der Konferenz der Sozialversicherungsträger, ist mit der jüngsten Gesundheitsreform ebenso unzufrieden wie mit dem von der Regierung propagierten Startbonus für vorerst 100 Kassenärzte. Er spricht dabei von einem "falschen Anreizsystem".

ÖSTERREICH. Die Bundesregierung hatte im Sommer die Finanzierung von 100 zusätzlichen Kassenarztstellen beschlossen. Dass Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer den Startbonus noch ausweiten will, stößt bei Peter Lehner, in diesem Halbjahr Chef der Konferenz der Sozialversicherungsträger, auf wenig Gegenliebe. "Auch mit 100.000 Euro für 200 Ärzte wird die Idee nicht besser", so Lehner in einem Interview mit der APA.

Er habe das immer so gesagt und werde das auch weiter tun, so Lehner, der auch Obmann der Selbstständigenkasse SVS ist. Es handle sich um ein "falsches Anreizsystem", von außen diktiert und finanziert mit Geld, das den Kassen für die Finanzierung der Spitäler zuvor entnommen worden sei: "Das ist kontraproduktiv und ist genau dieser Eingriff von außen, der verständlicherweise politisch gut klingt, der Sozialversicherung und den Versicherten wahrscheinlich langfristig nicht hilft."

Fragezeichen hinter Finanzierung

Besser wäre es aus seiner Sicht, die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung sicherzustellen, und zwar durch eine finanzielle Entlastung. Stattdessen fließe aber immer mehr Geld in den Krankenanstaltenbereich der Bundesländer.

Für den SV-Chef steht auch ein großes Fragezeichen hinter der Finanzierung. | Foto:  Lukas Ilgner / VGN Medien Holding / picturedesk.com
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Unklar ist für Lehner auch, wie das Ausweitungsversprechen Nehammers finanziert werden soll. "Ich habe die letzten Tage nichts in Erfahrung gebracht", so der SV-Chef: "Wir haben sowohl im Finanzministerium als auch im Gesundheitsministerium nachgefragt, ob es hier schon Finanzierungszusagen gibt. Die gibt es nicht." Sicher ist für ihn: "Das Hereinwirken der Politik in das selbstverwaltete System ist kein Erfolgsweg."

Dass die Sozialversicherung nun - wie in der gemeinsam mit dem Finanzausgleich paktierten Gesundheitsreform festgelegt - jährlich 300 Millionen Euro für strukturelle Reformen im niedergelassenen Bereich bekommt (davon rund 51 Millionen Euro für Digitalisierung), bewertet Lehner auch nicht wirklich positiv. Man erhalte "ein bisschen Almosen zurück", während den Kassen viel Geld für die Spitäler der Länder weggenommen werde, ohne dass sie dort mitreden dürften.

Vom Bund erhielten die Länder weitere 600 Millionen über den Finanzausgleich, und das bei reduzierter Leistungserbringung und sinkenden Betten- und Operationszahlen. (Symbolfoto) | Foto: Martha Dominguez de Gouveia/Unsplash
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7,65 Milliarden Euro seien das 2024 für die Krankenhäuser, was 35 Prozent aller Kassenausgaben entspreche, allein heuer betrage die Steigerung rund 600 Millionen Euro. Vom Bund erhielten die Länder nun weitere 600 Millionen über den Finanzausgleich, und das bei reduzierter Leistungserbringung und sinkenden Betten- und Operationszahlen. Im niedergelassenen Bereich stiegen hingegen die Patienten und Konsultationszahlen stetig. Lehner würde deshalb gerne die Zahlungen der Kassen an die Spitäler einfrieren.

Finanzausgleich: Lehner "mäßig bis nicht zufrieden"

Das Fazit zum Finanzausgleich daher: "Persönlich bin ich mäßig zufrieden bis gar nicht zufrieden." Die Sozialversicherung habe hier eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs verlangt, und dazu mehr Transparenz im System. Beides könne er im nunmehrigen Ergebnis nicht erkennen.

Angesichts der Krisensignale im Gesundheitssystem mit fehlendem Personal und langen Wartezeiten auf Termine und Operationen plädierte Lehner auch für eine Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. (Symbolbild) | Foto: Darko Stojanovic/Pixabay
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Angesichts der Krisensignale im Gesundheitssystem mit fehlendem Personal und langen Wartezeiten auf Termine und Operationen plädierte Lehner auch für eine Stärkung einerseits der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, andererseits aber auch des Bewusstseins für die Leistungsinanspruchnahme. "Und vor allem wird es eine Steuerung geben müssen, die nicht wegen jeder Kleinigkeit in die Spitzenmedizin führt." Dies sei unausweichlich und diese Wahrheit auch den Menschen zumutbar. "Wir müssen die Dinge auf das Wesentliche, das Notwendige, auf das, was auch im ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, Anm.) steht, reduzieren." Seine eigene SVS sieht er als Vorreiter, auch was die Verträge mit den Ärzten betrifft.

Patientenmilliarde war "falsches Versprechen"

Zudem brauche es wie in Skandinavien ein Case Management, das vor allem chronisch kranke Patienten durch das System leite. Ob das die Allgemeinmediziner oder auch Community Nurses übernehmen, will Lehner offen lassen. Jedenfalls brauche es Digitalisierung und Transparenz, damit Diagnosen und Befunddaten immer zur Verfügung stünden.

Lehner sieht bei der damals versprochenen Patientenmilliarde als "falsches Versprechen". | Foto: Online Marketing / Unsplash (Symbolbild)
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Die zuletzt wieder in Diskussion stehende Kassenreform unter Schwarz-Blau verteidigte Lehner. "Wir werden und können in allen Bereichen nachweisen, dass die Effizienz der Sozialversicherung durch Reform gestiegen und nicht schlechter geworden ist", sagte er. Nur die damals versprochene Patientenmilliarde, "das war ein falsches Versprechen", kritisierte der Chef des Dachverbands: "Das war halt eine Marketingidee, und die Marketingidee, die ist klar nach hinten losgegangen und war auch nicht plausibel."

Nichts hat Lehner dagegen, die Unterlagen zur Kassenfusion nochmals in Augenschein nehmen zu lassen. "Ich bin immer für Transparenz. Das heißt, wenn jemand Unterlagen verräumt, ist das das Gegenteil von Transparenz und nicht das, was ich mir auch wünsche", richtete er der früheren FPÖ-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein aus.

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