Experten schlagen Alarm
Vor allem bei Kassen-Kinderärzten besteht Mangel

Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer: Administrative Hürden für Ärzteschaft endlich beseitigen! | Foto: Anna Rauchenberger
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Der Mangel an Kassenärzten macht sich in Österreich immer mehr bemerkbar. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte warnt, dass im Bereich der Kassen-Kinderärzte die Lage prekär sei.

ÖSTERREICH. „Die österreichischen Kassenärztinnen und Kassenärzte leisten ausgezeichnete Arbeit. Mit ihrem großen persönlichen Einsatz halten sie die wohnortnahe Versorgung aufrecht, obwohl die Lücken im Kassensystem immer größer und deutlicher spürbar werden“, kommentiert Steinhart die aktuellen stagnierenden Kassenarzt-Zahlen.

Gerade im Bereich der Kassen-Kinderärzte sei die Lage durch offene Stellen mittlerweile prekär und werde sich durch die bevorstehende Pensionierungswelle noch verschärfen, wenn nicht endlich gegengesteuert werde. „Es bedarf hier dringender Handlungen der Politik, um den ausgehungerten Kassenarztbereich nicht noch weiter zu demontieren“, so Steinhart.

Hürden für Ärzte beseitigen

Es brauche mehr Ausbildungsstellen sowie die Honorierung der fachärztlichen Lehrpraxis, um mehr Nachwuchs für den niedergelassenen Kassenbereich zu gewinnen. „Zudem sollte man die administrativen Hürden beseitigen, mit denen die Kassenärztinnen und Kassenärzte konfrontiert werden. Jede Minute, die etwa sinnlos in Warteschleifen bei der Medikamentenbewilligung verbracht wird, ist eine Minute, die in der qualitativen Arbeit mit den Patientinnen und Patienten fehlt.“

Forderung an den neuen Gesundheitsminister

Gerade im kinderärztlichen Bereich sei Zuwendungsmedizin aber entscheidend. Besonders Beratungen zu Ernährung oder Verhalten bräuchten Zeit, die das derzeitige Kassensystem aber nicht honoriere und damit weg spare, sagt Steinhart, der sich für eine Aufhebung der Limitierungen ausspricht. „Hier zu investieren, wäre sinnvoll angelegtes Geld – denn je früher interveniert werden kann, desto mehr Geld für Folgeschäden spart sich das Gesundheitssystem“, so Steinhart, der den Ärztemangel als eine weitere massive Baustelle im Gesundheitswesen titulierte, auf der der neue Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein nun anpacken müsse. „Als Kassen-Allgemeinmediziner kennt er die Probleme dieses Bereichs ganz genau. Wir hoffen, dass er hier das Steuer herumreißen kann.“

Ärztemangel in Österreich?

Mit mehr als fünf Ärzten pro 1.000 Einwohnern ist Österreich laut OECD-Statistik nach Griechenland das Land mit der höchsten Ärztedichte in Europa. Die Zahl der berufsausübenden Ärzte hat sich in Österreich insgesamt in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht – auf über 44.000 Ende 2018.

Differenziert sieht die Situation bei niedergelassenen Ärzten im eigenen Praxisbetrieb aus. Insgesamt gesehen gibt es zwar auch hier deutlich mehr niedergelassene Ärzte im Land als noch vor 20 Jahren. Denn ihre Zahl hat sich von rd. 12.700 Ende 1999 auf knapp 18.300 in 2018 erhöht.

Der Zuwachs ist aber praktisch ausschließlich den Wahlärzten zugute gekommen. Denn deren Zahl hat sich von rund 4.500 auf fast 10.100 mehr als verdoppelt. Dabei stellen die Wahlärzte heute die größte Gruppe der niedergelassenen Ärzte in Österreich dar. Und das Zahlenverhältnis zu den Kassenärzten hat sich im Zeitablauf umgekehrt. Die Zahl der Vertragsärzte der Gebietskrankenkassen (GKK) stagniert. In zehn Jahren sind weniger als 200 Vertragsärzte hinzugekommen. Bei den übrigen Krankenkassen ist die Zahl der Vertragsärzte sogar rückläufig. Hier sind heute über 200 Ärzte weniger tätig als 1999. Dabei stellen die Kassenärzte das Rückgrat der medizinischen Versorgung dar.

Wahlärzte sind nicht an Kassentarife gebunden, es gelten freie Honorarvereinbarungen. Nicht jeder Österreicher kann sich das leisten.

Regionale Unterschiede

Klare Unterschiede bestehen laut praktischarzt.at bei der ärztlichen Versorgung in den einzelnen Bundesländern. In Wien kommen auf 1.000 Einwohner fast sieben Ärzte, überdurchschnittlich sind die Zahlen auch in Salzburg und Tirol. Am anderen Ende der Skala stehen Oberösterreich und das Burgenland mit jeweils gut vier Ärzten pro 1.000 Einwohnern.

Auch bei den Altersstrukturen findet man regionale Unterschiede. Im Burgenland, in Kärnten und Wien erreichen bis 2030 80 bis 90 Prozent der heute tätigen Ärzte die Altersgrenze, in Salzburg und Tirol sind es nur etwas mehr als 60 Prozent.

Probleme bereitet die Hausarzt-Versorgung vor allem auf dem Land. Viele Ärzte bevorzugen die Tätigkeit in der Stadt. Daher bleiben Hausarztstellen in den Regionen nicht selten über Monate unbesetzt. Ende 2018 waren im kassenärztlichen Bereich in Österreich 129 Stellen unbesetzt – davon 68 Stellen für Allgemein-Mediziner und 61 Facharzt-Stellen.

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Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer: Administrative Hürden für Ärzteschaft endlich beseitigen! | Foto: Anna Rauchenberger
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