Chirurg Martin Schwarz
"Warum sollen Operationen verschoben werden?"

Dr. Martin Schwarz, Facharzt für Unfallchirurgie, Orthopädie und Traumatologie, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger.
 | Foto: Schulterzentrum Wien
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Viele orthopädische Operationen werden derzeit – vornehmlich in Ostösterreich – verschoben, vor allem, wenn sie geplant und nicht akut sind, so Patientenanwalt Gerhard Bachinger am Donnerstag im Ö1-Journal um 8. Die Regionalmedien Austria (RMA) sprachen mit Martin Schwarz, Facharzt für Unfallchirurgie, Orthopädie und Traumatologie über die aktuelle Lage in Österreich.

ÖSTERREICH. Besonders angespannt sei die Situation in Wien und Niederösterreich, dort werden Operationen derzeit am häufigsten verschoben, wie eine Umfrage der Patientenanwaltschaft zeigt. Bachinger erklärt dieses "Ost-West-Gefälle" damit, dass in der Ostregion die Intensivkapazitäten derzeit oft ausgelastet sind. Diesen Aspekt kann der Wiener Chirurg Martin Schwarz, der jahrelang als Primar am Unfallkrankenhaus Mistelbach tätig war und nun Patienten in Wien in seiner Praxis betreut und Operationen vornimmt, nicht nachvollziehen.

RMA: Aktuell ist viel davon die Rede, dass Operationen aufgrund von Corona bedingt stark belegten Intensivbetten verschoben werden müssen. Wie sehen Sie die Situation?
Martin Schwarz:
Wenn ein Patient kein Intensivbett braucht, warum sollte die Operation verschoben werden? Die Wahrheit ist, dass jeder Arzt einen Überblick darüber hat, welche Operation wichtig ist, und welche nicht. Große Eingriffe muss man vielleicht besser planen, deswegen müssen diese aber nicht abgesetzt werden. Ich habe den Eindruck, den Menschen wird Angst eingejagt. Aber: Die Patienten und ihre Angehörigen müssen sich nicht fürchten. 

Naja, das Konzept ist: So wenig Eingriffe wie möglich, um die Akutbetten frei zu halten. Ist das gar nicht notwendig? 
Das weiß man ja meistens im Vorhinein, ob ein Patient ein Intensivbett brauchen wird. Ich finde das Konzept eigenartig, denn für mindestens 80 Prozent der Eingriffe braucht man kein Intensivbett. Es ist komplett übertrieben, dass man Operationen verschiebt. Warum soll ein Patient leiden, wenn er jetzt Schmerzen hat, nur weil er vielleicht auf die Intensiv müsste? Wir dürfen nicht vergessen: Beim ersten Lockdown verschob man Operationen unter dem Siegel, dass man die Covid-Schutzausrüstung für Operationen nicht vergeuden wollte. Ich verstehe nicht, warum jetzt Operationen verschoben werden sollten. Ausrüstung gibts genügend. Dass man eine Operation vielleicht zwei, drei Tage später ansetzt, das ist vielleicht sinnvoll. Den Ausdruck „Nicht notwendige Operationen“ finde ich eigenartig, denn diese brauche ich ja generell erst gar nicht machen! 

Ist die Situation vergleichbar mit einer schweren Grippewelle?
Wir hatten Grippewellen, da hatten wir genau solche Situationen, da waren die Krankenhäuser voll  und die Intensivbetten belegt, aber das hat damals niemanden interessiert. Und plötzlich haben alle Angst. Meine Befürchtung ist, dass Corona uns immer wieder vor Augen führen wird, dass man zum Wohl der Gesundheit Ressourcen lenken kann.  

Wie ist das gemeint? Müssen wir für die Zukunft die Struktur der Spitäler ändern?
Österreich hat ja laut unserer Krankenhausökonomen europaweit die größte Zahl an Akutbetten. Eine Bettenaufstockung wird nicht nötig sein. Aber wir müssen flexibler werden, müssen schneller reagieren können, wenn wieder eine Pandemie bzw. Epidemie auftritt. Aber was mich mehr interessiert, ist, warum die Bundesländer sich nicht verstärkt austauschen? Es gibt ja noch genügend freie Intensivbetten in West- und Südösterreich. Warum schaffen wir es nicht, einen Patienten von Wien nach Niederösterreich zu transferieren? Umgekehrt funktioniert es ja auch! Wenn das AKH jemanden in ein anderes Bundesland zurückschicken will, werden die Patienten oft abgelehnt. Das sind föderalistische Probleme. Auch die Vernetzung der Daten zwischen den Bundesländern ist lückenhaft. Auch das ist ein Problem. Medizinisch würde nichts dagegen sprechen, Patienten von einem Bundesland ins andere zu bringen. Wir haben in ganz Österreich genug Intensivbetten, einige sind voll, andere noch lange nicht.

Sind die Ärzte am Limit, gibt es zu wenig Personal?
Es gibt ein Arbeitszeitgesetz, das meines Wissens nach nicht außer Kraft gesetzt worden ist. Die Diensträder werden eingehalten. Ich habe auch nichts davon gehört, dass Ärzte jammern. Man hört das nur vom Präsidenten der Intensivmedizin oder der Gewerkschaft, die ja daran Interesse haben, Ressourcen auf die Beine zu stellen und die ihre Aufgabe wahrnehmen und warnen. Ich glaube, dass Ärzte insgesamt mit Arbeitsspitzen gut umgehen können. 

AstraZeneca wird in Österreich weiter verimpft. Ihre Meinung?
Das Risiko, an Corona zu erkranken, ist höher als von einer vermeintlichen Nebenwirkung betroffen zu sein. Eine Statistik besagt, dass der mRNA-Impfstoff die gleichen Komplikationen herbeiführen kann, wie der von AstraZeneca. Am Anfang war es genau umgekehrt, da waren die Menschen skeptischer gegen den mRNA-Impfstoff, da wollten alle mit AstraZeneca geimpft werden. Warum Deutschland Menschen unter 65 Jahren nicht impft, ist vermutlich eine politische Entscheidung, die zur Beruhigung führen soll.

Kennst du jemanden, dessen OP wegen Corona verschoben oder abgesagt wurde?
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Dr. Martin Schwarz, Facharzt für Unfallchirurgie, Orthopädie und Traumatologie, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger.
 | Foto: Schulterzentrum Wien
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