Psychologin warnt
Corona-Krise: 30 Prozent der Kinder erleiden posttraumatische Belastungsstörung

Die Nachrichten um die Bedrohung durch das Coronavirus können bei Kindern zu Angstzuständen führen. | Foto: Symbolfoto, Pixabay
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Besonders Kinder von Familien, die in der Corona-Krise stark belastet sind, sei es ob der Überlastung von Homeoffice und Homeschooling oder wegen Existenzängsten, erleben nun eine gefährliche Extremsituation, die sich in einer posttraumatischen Belastungsstörung äußern kann; Ebenso Einzelkinder, die stark unter der Einsamkeit leiden.

ÖSTERREICH. "Die Mama muss jetzt arbeiten!" Erst sagt Dagmar K. es noch freundlich, doch der fünfjährige Sohn hört nicht auf zu quengeln, er möchte Aufmerksamkeit, möchte raus, möchte spielen, möchte auch geliebt werden, aber die nächste Telefonkonferenz steht an und überhaupt ist noch so viel zu tun. Irgendwann platzt der Mutter der Kragen.

Traumatisches Erlebnis

So wie Dagmar K. geht es jetzt vielen Eltern in Österreich. Sich um Kinder zu kümmern und gleichzeitig seiner Arbeit nachzugehen ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Und obwohl das alle wissen, ist es nun gelebter Alltag Österreichs Eltern. Diese geben zwar ihr bestes, nun beiden Seiten gerecht  zu werden, müssen aber dennoch festzustellen: Eine Seite zahlt drauf. Und wenn es der Dienstgeber nicht erlaubt, kürzer zu treten, sind es zwangsweise die Kinder, die  das Nachsehen haben. Und das jetzt, in einer Zeit, die vor allem für die Kleinen traumatische Folgen haben kann. Denn viele Kinder erleben die Corona-Pandemie als traumatisches Erlebnis, eine extremst bedrohliche oder schreckliche Situationen, eine akute Gefahr, die das Leben oder die Sicherheit von einem selbst oder anderen bedroht.

Distanz zu Eltern wächst

Ob der Überforderung sind Eltern nun eher gereizt, statt Fürsorge herrscht dann rasch Lieblosigkeit, die Distanz wird größer und das Kind wird in seinem Urbedürfnis nach Schutz und Liebe allein gelassen. Allein gelassen,  jetzt, obwohl es gerade in dieser traumatischen Lage gilt, es aufzufangen es mit seinen Ängsten: Warum ist es draußen gefährlich? Wie kann ich Corona sehen? Warum darf ich meine Freund nichtmehr treffen? Werden Opa und Oma jetzt sterben? Kann Corona eigentlich durch das Fenster in mein Kinderzimmer kommen? Warum darf ich überhaupt nicht mehr auf den Spielplatz? Je nach Alter unterscheiden sich die Fragen, die Angst ist aber immer dieselbe, und auch das Bedürfnis nach Antworten, nach Zuwendung, nach Aufmerksamkeit und Liebe.

Posttraumatische Belastungsstörung

"Wenn das Kind jetzt diese Zuwendung nicht bekommt, dann kann das Folgen haben", sagt die Kinderpsychologin Luise Hollerer. Laut einer US-Studie fanden Forscher bei etwa 30 Prozent der Kinder aus Familien, die im Zuge anderer Viren wie zum Beispiel der Schweinegrippe in Quarantäne gehen mussten, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (Disaster Medicine and Public Health Preparedness: Sprang und Silman, 2013) "Wir wissen nicht, wieviel Belastungsstörungen nun bei unseren Kindern auftreten werden", so Hollerer: "Fix ist: Es wird dort auftreten, wo Eltern nicht ausreichen ein positives Modell sein könne, weil sie selbst stark belastet sind, damit müssen wir jetzt rechnen." Arbeitslosigkeit, drohender Jobverlust, Ungewissheit, wie es in der Zukunft weitergeht, das alles sind Faktoren, die Eltern an die Grenzen bringen und wo sie schnell in die Überlastung kommen. "Dabei sind die Kinder die Verlierer, wenn Eltern mit Homeschooling, Homeoffice und Existenz-Ängsten an ihren Grenzen sind", so Hollerer und betont die Wichtigkeit, jetz ganz bewusst "Wir-Zeiten" zu schaffen: "Wichtig ist, dass in der Familie Regeln herrschen, wannZeit für das Miteinander ist. Das kann das gemeinsame Abendessen sein, wo man gemeinsam überlegt, wie war der Tag, was plane ich morgen. Wichtig sind jetzt Rituale, die gewährleisten, dass es Achtsamkeit füreinander gibt."

Dr.in Luise Hollerer aus Graz  ist Gesundheitspsychologin und Leiterin der BÖP Fachsektion Päd. Psychologie | Foto: Luise Hollerer
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Besonders betroffen sind Volksschüler

Laut Kinderpsychologin ist besonders die Gruppe der Volksschüler gefährdet, Symptome für  posttraumatische Belastungsstörungen zu  zeigen. "Diese Altersgruppe neigt entwicklungspsychologisch zur Übersteigerung und Vergrößerung, zur Generalisierung: Alles ist gefährlich, auch wen mich nur ein Mensch anschaut. Solche generalisierten Ängste können jetzt vorkommen. daher sollen Eltern nicht überrascht sein, wenn ihr Volksschüler jetzt wieder zum Bettnässer wird, plötzlich Bauchschmerzen hat, das sind alles mögliche Regressions-Symptome, denen Angst zugrunde liegt.  Weitere Symptome könnten sein, dass das Kind oft weinerlich wird und hilflos wird. Hier spielen die Eltern eine wichtige Rolle: Wenn Eltern stark in die Hilflosigkeit gehen, dann ist es für Kinder keine lösungsorientierte Strategie, sondern etwas, was ihnen Angst macht." Denn dass die Eltern überfordert sind, nehmen die Kinder sehr gut wahr, so die Expertin: "Das wirkt sich auf die Kinder ganz stark aus. Das ist Beobachtungslernen: So wie die Erwachsenen mit der Krise umgehen, hat Auswirkungen auf die Kinder, ob sie in eine psychische Belastungsstörung kommen. "

Je entspannter die Eltern, desto gesünder die Kinder

Die Psychologin Sabina Pauen sagt in ihrem Interview mit 'Zeit.de', dass man nicht so schwere Konsequenzen bei Kindern erwarten müssen – vor allem nicht bei so vielen. "Was Kinder in der Corona-Krise erleben, prägt sie sehr. Aber wie gut oder schlecht sie dann längerfristig damit zurechtkommen, hängt von den Rahmenbedingungen ab, unter denen der neue Pandemie-Alltag stattfindet. Die Belastungen, die die Eltern in der Corona-Krise erleben, machen viel aus. Die Eltern müssen selbst Taktgeber für die Kinder werden, ihnen helfen, einen neuen Rhythmus zu finden und haben dabei vielleicht ihren eigenen noch gar nicht gefunden. Sie tragen jetzt Verantwortung auch für Lebensbereiche wie Bildung und Sprachentwicklung." Ein großes Problem, vor allem für jene Eltern, die nun ob Doppelbelastung und Existenzängsten am Limit sind.

Schulverweigerung als posttraumatisches Belastungsstörung

Nachdem nun laut Bildungsminister die Schulen ab 15. Mai wieder geöffnet werden, stellt sich die Frage, wie Eltern damit umgehen sollen, wenn das Kind nicht mehr in die Schule will – aus Angst. "Wir Psychologen rechnen fix damit, dass es zu Schulverweigerungen kommen wird, das ist auch ein Symptom des posttraumatischen Belastungsstörung", so Hollerer: "Denn das Kinder nun Angst  haben, wieder in die Schule zu gehen, ist verständlich, nachdem ihnen wochenlang davor überhaupt verboten wurde, auch nur rauszugehen, Freunde zu treffen. Wichtig ist für die Eltern, ihren Kindern hier gut zu erklären, wie kann ich mich schützen, worauf muss ich achten. Je mehr das Kind erfährt, dass es nicht hilflos ist, sondern dass es selbst aktiv zu seinem Schutz beitrage kann, desto stärker fühlt s ich und desto unwahrscheinlicher sind psychische Probleme." Die Expertin rät dazu, Kindern keinen Druck zu machen, sondern erstmal mit den Kindern rauszugehen, etwa einkaufen oder Radfahren, die Kinder einüben lassen wie sie sich verhalten können, um sicher zu sein. Denn das Allerwichtigste: "Zwingen Sie ihr Kind nicht, wenn es aus Angst nicht in die Schule will. Lassen Sie ihm Zeit, bis es sich sicher genug fühlt. Reagieren Sie immer Verständnis und Liebe und niemals mit Druck. Kein Job, kein Geld der Welt ist es wert, die Psyche eines Kindes zu schaden, denn die psychische Gesundheit ihres Kindes sie ist das wertvollste Gut überhaupt.

Online-Hilfe der Psychologen Österreichs

Wenn Sie HILfe brauchen, Österreichs Psychologen sind für Sie da: Es gibt die Möglichkeit einer online Behandlung unter Psychologische Hilfe bei Krisen an um sich beraten zu lassen, sowie eine Hot-Line mit der Nummer:  01/504 8000

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Die Nachrichten um die Bedrohung durch das Coronavirus können bei Kindern zu Angstzuständen führen. | Foto: Symbolfoto, Pixabay
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