Karmasin-Prozess
Ex-Ministerin in Vergabe-Causa schuldig gesprochen

Im Prozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin kam es am Dienstag zu einem Urteilsspruch.  | Foto: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
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Im Prozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium kam es am Dienstag im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wien zu einer Urteilsverkündung. Karmasin wurde in der Vergabe-Causa schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten – auf drei Jahre bedingt – verurteilt. Vom Vorwurf des Betrugs und der vorsätzlichen Bereicherung wurde sie hingegen freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

ÖSTERREICH. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Ex-Ministerin im Zuge von drei Studien für das Sportministerium wettbewerbsbeschränkende Absprachen getätigt hat. Karmasin brachte die Kronzeugin Sabine Beinschab und eine weitere Mitbewerberin dazu, Scheinangebote zu stellen, um den Zuschlag selbst zu erhalten. Der mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium wurde hingegen freigesprochen. 

Karmasin selbst wurde im ersten Anklagepunkt ebenfalls freigesprochen. Die Anklage warf der ehemaligen Familienministerin vor, sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtliche Bezugsfortzahlungen erschlichen zu haben. 

Begründung des Urteils 

Richter Patrick Aulebauer begründete das Urteil damit, dass in der Causa um die drei Studien sehr wohl ein Vergabeverfahren vorgelegen sei. Hier habe es einen Wettbewerb und Absprachen gegeben. "Die Absprachen waren unstrittig und jedenfalls rechtswidrig", so der Richter. In diesem Zusammenhang seien auch die Aussagen Beinschabs glaubwürdig gewesen. Anders sei dies bei der Angeklagten gewesen, die den Eindruck erweckte, alle Handlungen schönreden zu wollen.

Dies sei auch im Anklagepunkt des Betrugs der Fall gewesen. Aulebauer sprach Karmasin direkt an und meinte, dass sie gewusst habe, dass sie keinen Anspruch auf die Entgeltfortzahlung hat. Dies sei auch durch ihre Mails unzweifelhaft dokumentiert worden. Es handle sich hierbei um "Betrug und der Vorsatz ist so eindeutig, wie wir es hier selten haben". Die Meinungsforscherin habe den Betrag jedoch zurückgezahlt, bevor ein Tatverdacht bestand. Auch wenn diese Rückzahlung laut Richter Aulebauer nur erfolgte, da Karmasin straffrei werden wollte, seien im juristischen Sinne die Rechtzeitigkeit und Freiwilligkeit gegeben. Hierbei handele es sich um die Voraussetzungen für "Tätige Reue", weshalb er die Ex-Ministerin freisprach. 

Weder die WKStA noch die Verteidigung gaben eine Erklärung zu dem Urteil ab. Damit ist es zunächst nicht rechtskräftig. Beide Parteien haben nun drei Tage Zeit, um Rechtsmittel einzulegen.

"Ich bin kein Opfer"

Vor der Urteilsverkündung kam die ehemalige Familienministerin selbst zu Wort: "Ich bin kein Opfer und habe Fehler gemacht." Sie habe ihre Taten aber bereut, weshalb sie ihren Anwalt Norbert Wess bereits frühzeitig damit beauftragt hatte, die Entgeltfortzahlung zurückzuzahlen. Sie sei nach dem Ende ihrer Arbeit als Ministerin vor dem nichts gestanden, habe einen politischen Stempel und kein Unternehmen gehabt, in das sie zurückkehren konnte. "Ich war in einer Ausnahmesituation, ich war verzweifelt", so die Meinungsforscherin. Der Republik habe sie aber nie schaden wollen.

Karmasin bat die Schöffinnen und Schöffen um eine faire Beurteilung, ungeachtet ihrer Person.  | Foto:  GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
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In Bezug auf die Kronzeugin Sabine Beinschab merkte die Ex-Ministerin an, dass diese "nicht die Arme spielen" brauche. Karmasin habe sie gefördert, Beinschab schlussendlich sehr gut mit den Aufträgen verdient. "Es müssten eine Millionen Euro gewesen sein", so die Hauptangeklagte. Zu den Studien für das Sportministerium ergänzte die Meinungsforscherin, dass sie sich einspannen haben lasse. Sie hätte es im Nachhinein ablehnen sollen, selbst Vergleichsangebote einzuholen und zu organisieren. Das sei zwar nicht in Ordnung gewesen, allerdings habe sie niemanden getäuscht und es sei kein Schaden entstanden. Karmasin bat die Schöffinnen und Schöffen, das Ganze aus der "Vogelperspektive" zu betrachten.

"Karmasin hat konsequent gegen das Gesetz verstoßen"

Die Staatsanwaltschaft verwies in ihrem Schlussplädoyer hingegen darauf, dass es in dem Verfahren eine "sehr dichte" Beweislage gebe, die ein eindeutiges Bild zeichne. "Wir wissen, dass Karmasin konsequent gegen das Gesetz verstoßen hat", so Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic. Dies sei bereits in ihrer Rolle als Ministerin geschehen, als sie Provisionen kassiert und über die Firma ihres Mannes abgerechnet habe. Die Zahlungen seien weder dem Parlament noch dem Rechnungshof gemeldet worden. Außerdem habe sie Scheinrechnungen gelegt, "um diese Zuverdienste zu verschleiern".

Die Ex-Politikerin habe gewusst, dass sie aufgrund ihrer Entgeltfortzahlung nach ihrer Karriere als Politikerin nichts dazuverdienen dürfe, und den zuständigen Sachbearbeiter des Bundeskanzleramtes bewusst angelogen. 

Die Staatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic am Dienstag, 23. Mai 2023, vor Beginn eines Prozess gegen die ehemalige Familienministerin wegen Betrugs am Wiener Landesgericht.  | Foto: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
  • Die Staatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic am Dienstag, 23. Mai 2023, vor Beginn eines Prozess gegen die ehemalige Familienministerin wegen Betrugs am Wiener Landesgericht.
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Karmasin "handelte nicht aus Reue"

Die Ex-Ministerin hörte mit ihrem Betrugssystem erst auf, als sie befürchtete, aufzufliegen, so Adamovic. Sie handelte daher nicht aus Reue oder gar rechtzeitig, sondern lediglich um den  Schaden zu begrenzen. Der Oberstaatsanwalt verweist darauf, dass Karmasin das zu Unrecht erhaltene Geld erst zurückgezahlt habe, nachdem in der ORF-Sendung "ZiB2" ein entsprechender Bericht über ihre Bezugsfortzahlung ausgestrahlt worden war. 

Auch für die Vorwürfe gegen den Zweitangeklagten hätten sich Beweise gefunden, so der Oberstaatsanwalt. Der Beamte habe Karmasin erlaubt, sich die Mietbieterinnen selbst auszusuchen. Dies konterkariere die Bestimmung, wonach Vergleichsangebote eingeholt werden müssen. Aus diesem Grund beantragte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auch für ihn einen Schuldspruch. 

"Massiver" Schaden an der Demokratie

Adamovic verwies darauf, dass es keine Zweiklassenjustiz gebe. Im Fall Sophie Karmasin gehe es um Sozialleistungsbetrug der "für Sozialleistungen zuständigen Ex-Ministerin" und um manipulierte Verfahren eines Ministeriums. Man müsse nun ein Signal setzen und solche Verstöße deutlich und angemessen bestrafen.

Im aktuellen Prozess wurden Karmasin Betrug und wettbewerbsbeschränkende Absprachen vorgeworfen.  | Foto: NINA KORNBERGER / APA / picturedesk.com
  • Im aktuellen Prozess wurden Karmasin Betrug und wettbewerbsbeschränkende Absprachen vorgeworfen.
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Die Straftaten seien "massiv", so Oberstaatsanwalt Roland Koch. Ihre wirtschaftliche Situation sei weit besser gewesen als die des Durchschnittsösterreichers. Dies mache ihre Schuld schwerer als die eines Betrügers, der in erheblichen Schwierigkeiten stecke. Die Ex-Ministerin habe zudem ideellen Schaden am Ansehen der Demokratie und der Republik verursacht. Dies sei aus "besonders verwerflichen Beweggründen" passiert: Gewinnstreben um jeden Preis. 

Situation gewinnt "keinen Schönheitspreis"

Karmasins Verteidiger Norbert Wess betonte in seinem Abschlussplädoyer hingegen, dass die Ex-Ministerin nichts Verbotenes getan habe, als sie die Entgeltfortzahlung beantragt hat, obwohl ihr noch Geld von Sabine Beinschab zustand. Hierbei habe es sich um Altansprüche gehandelt.

Zudem habe es keinen Geldzufluss zwischen Mitte 2017 und Mai 2018 gegeben. In dieser Zeit habe Karmasin auch kein Unternehmen gehabt, sie sei lediglich "nicht protokollierte" Einzelunternehmerin gewesen. Für diese gelte das Zuflussprinzip. "Die ganze Situation gewinnt sicherlich keinen Schönheitspreis", so Wess. Aber die ehemalige Familienministerin habe eingestanden, dass sie "naiv und blauäugig" gewesen war. 

Rückzahlung war "freiwillig und übervollständig" 

Auch auf die Rückzahlung der Entgeltfortzahlung kam Wess zu sprechen. Es gebe hier eine lückenlose Indizienkette, dass man auf Initiative Karmasins bereits vor dem ORF-Beitrag eine Rückzahlung eingeleitet habe. Diese Zahlung sei also freiwillig erfolgt. Zudem habe die Ex-Ministerin 27.000 Euro an Lohnsteuer zu viel zurückgezahlt. "Das macht den Sachverhalt nun nicht viel schöner, aber er macht ihn juristisch bedeutsam."

Der Prozess gegen Karmasin zog sich über vier Tage am Landesgericht für Strafsachen in Wien.  | Foto: Credit Tobias Steinmaurer / picturedesk.com
  • Der Prozess gegen Karmasin zog sich über vier Tage am Landesgericht für Strafsachen in Wien.
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"Es gab keinen Wettbewerb"

In Bezug auf den Vorwurf der Absprachen rund um die Studien für das Sportministerium merkte Wess an, dass das Ministerium gar keinen Wettbewerb organisiert habe. "Wo kein Wettbewerb organisiert wird, kann kein Wettbewerb verletzt werden." Es sei zwar traurig, dass das Vergabeverfahren nur zum Schein geführt wurde, allerdings sei das nicht strafbar. Da es Zweifel an dem Wettbewerb gebe, beantragte Wess auch den Freispruch für seine Mandantin.  

Karmasin war im Sportministerium nicht unerwünscht

Nach drei Verhandlungstagen wurde am Dienstag der mitangeklagten Abteilungsleiter von Staatsanwaltschaft und Verteidigung befragt. Der Zweitangeklagte verwies in seiner Aussage darauf, dass Karmasin bereits mit einem fertigen Konzept an das Sportministerium herangetreten sei. Es habe bei der Auftragsvergabe keinen Druck aus der Politik gegeben, allerdings sei im Ministerium klar gewesen, dass die Zusammenarbeit nicht unerwünscht gewesen sei. 

Der Mitangeklagte gab an, dass er sich nicht daran erinnern könne, der Ex-Ministerin geraten zu haben, andere Angebotsleger anzuleiten. Man habe aber gemeinsam besprochen, die anderen Institute als Subauftragnehmer zu beschäftigen. Dies sei ein ganz normaler Prozess. Er sei nicht davon ausgegangen, dass eine Ex-Ministerin Absprachen treffe. Bei der Auftragsvergabe habe er keine Präferenz für Karmasin, Sabine Beinschab oder die dritte Meinungsforscherin gehabt. Er habe nur den Auftrag abgearbeitet und überall gleich viel verdient. Allerdings sei ihm gesagt worden, dass Karmasins Methode "einmalig" sei. 

Prozess um Inseratenaffäre steht noch aus

Mit der Urteilsverkündung am Dienstag sind die ersten Anklagepunkte gegen Karmasin abgearbeitet. Ein deutlich umfangreicherer Prozess steht allerdings noch aus: Die WKStA ermittelt weiterhin im Rahmen der ÖVP-Umfragenaffäre, in der auch die ehemalige Familienministerin eine Rolle gespielt haben soll. 

Die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft ermittelt gegen Karmasin auch in der ÖVP-Umfragenaffäre.  | Foto: Elke Mayr
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Bis die WKStA entschieden hat, ob Karmasin auch in dieser Angelegenheit angeklagt wird, dürfte es allerdings noch dauern. Die WKStA möchte zunächst noch auswerten, wie der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in die Sache verwickelt ist. Hierfür müssen jedoch noch Chatverläufe abgearbeitet und Zeuginnen und Zeugen befragt werden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

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