Raab über Kindergarten-Milliarde
"Ich war Befürworterin des Kopftuchverbots"

Bundesministerin Susanne Raab (ÖVP) freut sich über die Kindergarten-Milliarde. Den Wegfall des Kopftuchverbots sieht sie hingegen kritisch: "Ich war und bin ich eine Befürworterin des Kopftuchverbotes gewesen." | Foto: Florian Schrötter/BKA
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  • Bundesministerin Susanne Raab (ÖVP) freut sich über die Kindergarten-Milliarde. Den Wegfall des Kopftuchverbots sieht sie hingegen kritisch: "Ich war und bin ich eine Befürworterin des Kopftuchverbotes gewesen."
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In den Grundsätzen des Bundes zur Vereinbarung festgelegt sind u.a. eine Ausweitung des Angebots für Unter-Dreijährige, längere und flexiblere Öffnungszeiten. Das umstrittene Kopftuchverbot fällt.

Österreich. Bund und Länder haben sich auf eine neue 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung geeinigt. In den nächsten fünf Jahren werden jährlich 200 Millionen Euro in die Elementarpädagogik fließen. Die Mittel, die bis 2027 an die Länder gehen, sind für das Kindergartenpflichtjahr, den Ausbau des Angebots und Sprachförderung vorgesehen. Reichlich Kritik an der Vereinbarung übte die Opposition – sie fordert mehr Mittel für die Kindergärten. Bundesministerin Susanne Raab über die neue Vereinbarung im Gespräch mit den RegionalMedien Austria.

RegionalMedien Austria: Das Budget für Kindergärten ist in der neuen 15a-Vereinbarung von 142,5 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro im Jahr gestiegen. Zu wenig, kritisieren viele, wenn man bedenkt, was alles abgedeckt werden soll. Was sagen Sie dazu?
Susanne Raab: Dass die Opposition das kritisiert, was die Bundesregierung macht, verstehe ich. Tatsache ist: Wir haben jetzt eine Milliarde Euro für den Ausbau in der Kinderbetreuung vorgesehen. So viel Geld hat der Bund noch nie für die Unterstützung der Bundesländer, die für die Umsetzung zuständig sind, in die Hand genommen. Für den Ausbau kommt ja noch ein Investitionsvolumen der Bundesländer hinzu. Das ist wirklich viel Geld – das werden die Familien konkret zu Hause spüren. Wir gehen mit dem Geld besonders in die laut Vereinbarung ländlichen, unterversorgten Regionen. Wir verlängern und flexibilisieren die Öffnungszeiten. Das bedeutet konkret: Jede Betreuungseinrichtung, die durch dieses Geld gefördert wird, muss  in der Woche 45 Stunden offen halten. 

Also Öffnungszeiten neun Stunden am Tag fünf Tage die Woche?
Es sind sogar 45 Stunden wöchentlich und mindestens 9,5 Stunden an vier Tagen, und das werden die Familien und besonders die Mütter spüren. 

Warum ist nicht ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung vorgesehen? Scheiterte das an den Gemeinden?
Kein einziges Bundesland hat sich für den Rechtsanspruch ausgesprochen. Aber wir haben alle ein gemeinsames Ziel. Nämlich, dass es eine flächendeckende Kinderbetreuung gibt, und, dass jede Familie, die einen Betreuungsplatz braucht, auch einen Kinderbetreuungsplatz bekommt. Deshalb investieren wir jetzt gemeinsam. In der Vereinbarung ist ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung als gemeinsame Zielbestimmung der Bundesländer und des Bundes vorgesehen. Eine gelebte Wahlfreiheit für die Familien – dass also jede Familie sich aussuchen kann, ob sie ihr Kind länger zu Hause betreut, oder ob die Eltern wieder schnell in den Beruf einsteigen können, das entspricht auch meinem Wunsch. 

Welche Rolle kommt den Gemeinden bei der neuen Vereinbarung zu?
Die Gemeinden bekommen von den Bundesländern das Investitionsvolumen für den Ausbau der Kinderbetreuung direkt. Also konkret für die Schaffung von Infrastruktur, aber auch beispielsweise für die Unterstützung in der sprachlichen Frühförderung, in der Deutschförderung. Viele ukrainische, vertriebene Kinder kommen jetzt in Kinderbetreuungseinrichtungen und da kann für Sprachförderung bzw. Deutschförderung zusätzlich Personal eingestellt werden.

Stichwort Kopftuchverbot: in Österreich ist seit Einführung kein Fall bekannt, dass das Gesetz zur Anwendung kam, weil 3-Jährige im Kindergarten ein Kopftuch tragen mussten. War das nicht ein extrem populistisches Gesetz? 

Ich bin jetzt seit zwölf Jahren im Integrationsbereich tätig und ich habe solche Fälle persönlich gesehen. Ich weiß, dass es Kinder mit drei, vier Jahren gibt, die ein Kopftuch tragen müssen. Und ich will das nicht. Ich halte das für falsch und deshalb war und bin ich eine Befürworterin des Kopftuchverbotes gewesen. Aber es gibt eine Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs . Wir haben das geprüft, das ist absolut eindeutig: Ein Kopftuchverbot in unseren Bildungseinrichtungen ist verfassungswidrig. Dementsprechend konnte das in der jetzigen Vereinbarung keinen Eingang mehr finden. 

Warum wurde das nicht eher geprüft? 
Der Verfassungsgerichtshof hat das Kopftuchverbot in den Bildungseinrichtungen, also in der Volksschule, aufgehoben. Aufgehoben wurde nicht das Kopftuchverbot im Kindergarten, aber der Gerichtshof ist in seiner Erkenntnis so eindeutig, dass er grundsätzlich sagt, dass es um die Bildungseinrichtungen geht. Das heißt, die andere Bestimmung war weiterhin in Rechtskraft und jetzt, da wir eine neue Vereinbarung treffen, stellte sich die Frage, ob es verfassungskonform wäre, dieses Verbot weiter in eine neue Vereinbarung aufzunehmen. Die eindeutige Meinung der Juristen war: nein. Das VfGh-Urteil erlaubt uns das nicht. Daher hat das keinen Eingang gefunden, was ich wirklich sehr bedauere.

In Frankreich gibt es an Schulen und Kindergärten seit den 80er Jahren die Trennung von Religion und Staat. Ein Kopftuchverbot setzt klar auf eine Einmischung der Öffentlichkeit in religiöser Angelegenheiten. Warum ist das bei uns so?
Ich glaube, die Situation in Österreich ist mit der in Frankreich nicht zu vergleichen, weil in Frankreich gilt, wie Sie gesagt haben, die Laizität (strenge Trennung zwischen Religion und Staat , Anm.) und in Österreich haben wir ein kooperatives Religionsmodell. Das heißt die verfassungsgesetzlichen Voraussetzungen sind anders. Ich halte mich hier an den Verfassungsgerichtshof, es ist nicht an mir, das irgendwie zu bewerten.

Wo erwarten Sie sich die größten Reformschritte mit dieser neuen Vereinbarung?
Ich erwarte mir die größten Fortschritte in der Anzahl der Betreuungsplätze, besonders in den ländlichen Regionen, und besonders bei den Plätzen für die Unter-3-Jährigen, denn dort werden wir Schwerpunkte setzen. Und ich erwarte mir besondere Besserungen in den Öffnungszeiten. Für viele Familien sind die kurzen Öffnungen mit enormem Stress verbunden, rechtzeitig aus der Arbeit zu kommen, um ihre Kinder aus dem Kindergarten abzuholen, wenn dieser nur bis um 15 Uhr offen hat. Daher: Die Ausweitung der Öffnungszeiten ist besonders wichtig für die Entlastung der Familien. 

Wenn man die Pisa-Studie 2018 anschaut, dann ist Österreich vor allem in der Integration in der frühkindlichen Förderung relativ schwach. Glauben Sie, dass wir durch diese Vereinbarung hier auch Fortschritte erzielen?
Es ist tatsächlich so, dass ein großer Anteil an Kindern im Kindergarten einen Sprachförderungsbedarf hat, vor allem einen Deutschförderbedarf. Deshalb investieren wir ja auch in diese sprachliche Frühförderung. Das Geld kommt auch dieser Deutschförderung im Kindergarten zu Gute, weil es so wichtig ist, dass besonders, aber nicht nur im letzten verpflichtenden Kindergarten, die Kinder auf ein wirklich gutes Deutsch-Niveau gebracht werden, damit beim Eintritt in die Schule schon einfach Deutsch gesprochen wird. Damit die Kinder alle Bildungschancen haben.

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