„Lösch die Lichteln aus!“, sagte Frau Percht

im Advent gibts Lebkuchen, Butterstollen, Äpfel, Nüsse und andere Weihnachtliche Leckereien Leckereien
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  • hochgeladen von Josef Hetzenauer

„Die Frau Percht geht über die Felder!“ So rief eine Bauersfrau von Hütten mitten in der Nacht und wollte den schlafenden Bauern wachrütteln. aber der war spät aus dem Wirtshaus heimgekommen von Leogang herauf und ließ sich nicht aus dem Schlaf bringen. indessen stand seine Frau am nächtlichen Kammerfenster und starrte auf den Wiesenanger unterm haus hinab. Vom Bach unten stieg ein dünner Nebel auf, aber die Frau konnte es jetzt immer deutlicher sehen, wie sich aus den Nebelschleiern ein sonderbarer Zug von Gestalten herauslöste.

Da tauchte eine seltsame Frau mit ganz lichtem Gewand und noch hellerem haar zwischen dem Buschwerk am Bach unten auf. an ihrer Hand führte sie lauter kleine Kindeln in weißen Hemden hinter sich her. Die spähende Bäuerin am Fenster wurde gar nicht mit dem Zählen fertig, − es mussten wohl mehr als ein Dutzend gewesen sein.
Die weiße Frau kam herauf bis zum haus und ging an der Bauersfrau vorbei, als wäre sie gar nicht am Fenster gestanden. Die Kindlein liefen hinter ihr drein, stolperten wohl einmal, fielen hin und standen wieder auf. und das alles geschah so lautlos; kein trappeln der kleinen Füße war zu hören, kein weinendes Stimmlein, ja, nicht einmal das Wehen der weißen, flatternden Hemdlein.

im andern Augenblick aber hielt die spähende Bauersfrau den Atem vollends an: Da ging wirklich die Haustür knarrend auf, die sie doch am Abend selber verriegelt hatte! hinein in das Vorhaus trippelten kleine Schritte; die Stubentür drüben öffnete sich wie von selber. Nun hatte die Frau Percht − wer konnte es sonst auch sein? − wirklich alle ihre Kindlein ins haus gebracht vor der kalten Winternacht draußen!
Die Frau trieb es fast, jetzt selber in die Stube hinüber zu schleichen und nach­ zuschauen, was die Frau Percht drüben tat. Vielleicht saßen die Kindlein um den großen Kachelofen und wärmten sich? Vielleicht waren sie hungrig, alle die unerlösten, die ungetauft und ohne Namen gestorben und lang schon vergessen waren? Denn die Frau Perchta sammelte die vergessenen toten Kinder ein und sorgte sich um sie, − so hatte es schon die Ahnl der Bauersfrau einst erzählt, als diese selber noch ein Kind gewesen war.

aber die Ahnl hatte auch gewarnt: „Geh nie der Frau Percht entgegen und sprich kein Wort mit ihr! Sonst schaut sie dich an und du bist auf der Stelle stumm oder blind! Die weiße Frau Perchta ist eine Jenseitige und vermag mehr als wir irdischen Menschen!“
Das hatte jetzt die horchende und spähende Bauersfrau wieder im Ohr. Sie wagte nicht, von der Stelle zu gehen, während der Bauer schnarchend in seinem Bett schlief. Sie stand wie festgebannt und wartete, was noch geschehen würde.
und als von Leogang herauf die Uhr mit dem schweren Glockenschwengel eins schlug, rührte sich wieder etwas in der Stube drüben. aber die Kammertür wagte die Bauersfrau nicht aufzutun. Den Vorhang schob sie noch schmaler zu, als im weißen Mondenschein vor der Haustür wieder ein lautloses Getümmel entstand, die Kindlein alle vom Antrittstein hinabhüpften und hinter der weißen Frau dreinliefen, Hand in Hand ein jedes, damit keines zurückblieb.

Da waren es auf dem Anger unten wieder nur wehende, gleitende Schatten, − da verging der ganze Zug im Nebel. Die Bauersfrau drehte sich um und rüttelte heftig den schnarchenden Mann. „Dass du aber auch ein solcher Schlafhans bist!“, schalt sie ihn, als er endlich brummend seine Augen rieb und sich erhob. „Die Frau Percht ist ins haus gekommen mit ihrer Kinderschar, − jetzt ist sie wieder weg!“1 aber der Bauer erschrak nicht so leicht. „und da weckst du mich auf, wenn doch alles vorbei ist?“, fragte er unwirsch. „Mir ist das Ängsten an­ gekommen vor den unirdischen!“, schüttelte es die Frau.

„Vielleicht wollt’ die Frau Percht etwas haben von uns?“, meinte der Bauer von Hütten. Dieser Gedanke ging der Frau lange durch den Kopf, so dass sie an dem nächsten Abend sagte: „heute ist wieder eine Rauhnacht. ich stelle der Frau Percht eine Schüssel voll Rauhnacht­-Krapfen über die Nacht auf den Tisch!“
Die Sache war auch dem Bauer recht. „und wenn die Percht nicht mehr ins haus kommt?“, zweifelte er aber gleich wieder. Die Bauersfrau tat es doch, wie sie es beschlossen hatte. Sie stellte die Krapfenschüssel auf den tisch, als alle Hausleute ins Bett gegangen waren. Dann ging sie in die Kammer hinüber, wo der Bauer schon wieder tief schnarchte. Sie selber wollte wach bleiben und horchen, was geschah. aber diesmal war sie wohl zu schläfrig von der letzten Nacht her. Sie nickte ein und wachte erst am frühen Morgen auf. Neugierig lief sie in die Stube hinüber − da stand wirklich die Krapfenschüssel leer auf dem Tisch!

Die Bäuerin sagte: „Meine Ahnl erzählte mir immer, dass die Frau Perchta Glück in ein haus bringt, das sie besucht. ich werde jetzt jede Nacht eine Schüssel voll essen für die Kindlein der Perchta auf den Tisch stellen!“
Dem Bauer war’s recht, wenn dafür das Korn besser gedieh und die Kühe mehr Milch gaben. es ging auch weiter so dahin − am Morgen stand immer die leere Schüssel auf dem Tisch. Dann wurde aber auch der Bauer neugierig und wollte die Frau Percht und ihre Kindlein, die namenlos gestorben waren, selber sehen.
Die Frau sagte erschrocken: „Tu’s nicht! Du könntest dabei Schaden nehmen!“
„ich will mich hinterm Ofen gut verstecken, eine dicke Decke über die Stange hängen und in den Kotzen nur zwei Gucklöcher schneiden. ich kann alles sehen, was in der Stube geschieht, und von mir sieht die Frau Perchta mit ihren Kindlein nichts!“
So tat er’s auch, als der Dreikönigsabend kam und die Frau die volle Schüssel auf den tisch stellte. Sie ging ins Bett, und der Bauer versteckte sich unter der Kotzendecke hinterm Ofen. Dem Bauersmann wurde die Zeit noch lang genug. aber als die große Pendeluhr an der Wand zwölf langsame Schläge tat, knarrte auch schon die Haustüre, und im Vorhaus war ein leises Getrappel zu hören. Der Bauer drückte seine Augen an die Löcher im Kotzen.

Nach dem letzten Glockenschlag ging die Stubentür auf. Der volle Mond­ schein machte es hell genug, dass er eine schöne weiße Frau eintreten sah, und das lange, helle haar fiel ihr über den rücken hinab. hinter ihr trappelten die Kinder in ihren weißen Totenhemdchen herein. Das letzte aber trat sich auf den langen Kittel und fiel auf den Stubenboden hin.

Die Frau Perchta hob es auf und setzte es an den tisch, die andern kletterten selber auf Bank und Stühle. Bald klapperten alle kleinen Löffel in der großen Schüssel voll Schottensuppe.

Sie hatten alle noch nicht den Löffel von dem letzten Bissen abgeleckt, sagte auf einmal ein Kindl: „Mutter Percht, beim Ofen dort brennen zwei Lichteln!“ Die Percht schaute gar nicht hin. Sie sagte nur: „Lösch halt die Lichteln aus!“
Das Kindl, das noch keinen Namen bekommen hatte, hüpfte von seinem Stuhl, lief zu dem Ofen hin und blies bei den kleinen Löchern der Kotzendecke hinein. Für den Bauer war’s auf einmal stockfinster in der Stube. er hörte noch Löffel klirren und Stühle rücken. Durch die Stubentür lief Getrappel hinaus, die Haustür ging zu, und die Nacht wurde ganz einsam und still.

Der Bauer tappte in seine Kammer hinüber und musste bei jedem Schritt in der großen Finsternis vor sich hintasten. er konnte nicht mehr einschlafen vor Unruhe und wartete nur auf den Morgen, damit es vor ihm wieder hell würde.

Siehst du, wie die Sonne aufging, erkannte der Mann mit Schrecken, dass er über Nacht blind geworden war!
und auch das Glück verließ auf einmal den Bauernhof in Hütten. Der Hagel zerschlug das Korn, und der Wettersturm riss das Dach vom haus. Die Kühe wurden krank, und die Milch ließ nach.

Keiner konnte dem Bauern raten. Wie alles nichts half, ging er zu der alten Wald Sali in der Schlucht hinten, die auch Vieh heilen und kranken Menschen anwenden2 konnte. er erzählte, wie es ihm damals ergangen war, als er die Frau Percht und ihre namenlosen Kindlein ausspähen wollte.

Das alte Weibl wiegte den Kopf hin und her.„Vielleicht erbarmt sich die Frau Percht wieder deiner, weil es dir so leid tut, dass du zugeschaut hast. Versuche es und setz dich in der Rauhnacht vor Dreikönig wieder hintern Ofen, wenn die weiße Kindlhüterin kommt. tu gar nichts hinterm Kotzen und warte, was geschieht!“
Das Warten auf die Dreikönignacht wurde dem blinden Bauern noch lange genug. einem Blinden vergeht die Zeit doppelt so langsam wie einem Sehen­ den, wenn er nur dasitzen kann und warten, warten, warten.

endlich war es doch soweit. Da setzte sich der Bauer wieder hinter den auf­ gehängten Kotzen beim Ofen, und weil er kein Augenlicht mehr besaß, blieben auch die Gucklöcher in der Decke ohne Licht.

Das herz schlug dem Bauern bis zum hals herauf, als endlich die Stubenuhr zwölf anschlug. Alles geschah wieder so wie das letzte Mal: Die Haustür knarrte, die Füßlein trappelten barfuß auf der Diele. Der blinde Bauer hörte die Stubentür aufgehen, ein Sesselrücken beim tisch und ein Löffelklappern in der Schüssel voll Schottensuppe. er sah ja keinen Schimmer diesmal und musste sich alles aus dem Gehörten vorstellen.
Das essen musste schon zu ende sein, weil die Löffel nimmer in die Schüssel schepperten, als auf einmal wieder ein Kindl zu reden anfing: „Mutter Percht, heute brennen hinterm Ofen keine Lichteln mehr!“
Die Percht drehte sich auch diesmal nicht um. Sie sagte nur: „So zünd’ halt die Lichteln wieder an!“

Vom Stuhl herab hörte der blinde Bauer ein Kindl hüpfen. es lief zum Ofentürl und entzündete einen Span. Mit dem fuhr es durch die kleinen Löcher im Kotzen hinein.
auf einmal war’s vor den Augen des Bauern wieder hell! Jetzt wäre er gern vor Freude hinterm Kotzen hervorgesprungen und hätte der Frau Percht gedankt, dass sie ihm das Augenlicht wieder geschenkt hatte. aber wer weiß, wie sie es aufgenommen hätte − sie war ja doch eine unirdische! er hielt sogar den Atem noch an, damit ihn niemand schnaufen hörte vor Aufregung. es gab wieder Sesselschieben und Trippelschritte durch die Stube, durchs Vorhaus, und kurze Sprünglein vom Antrittstein vor dem haus.
und wie der Bauer von Hütten endlich hinterm Kotzen hervorkroch und sein Gesicht ans Fenster drückte, war die Frau Percht mit ihrer namenlosen Kindlschar an der Hand wieder hineingetaucht in den Nebel über der Bachschlucht.

Information zu Autor und Buch

Franz Braumann

Geboren 1910 als zweites Kind der Augerbauersleute Paul und Maria Braumann. Der gelernte Zimmermann beginnt, Gedichte und Erzählungen zu schreiben. Dann folgt der Besuch der Lehrerbildungsanstalt in Salzburg. Neben der Unterrichtstätigkeit in Oberndorf, Straßwalchen, Köstendorf ist er als Schriftsteller tätig. 1958 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Jugendliteratur. Sein Lebenswerk umfasst an die 100 Werke, das mit einer Reihe von „Sagenreisen“ abgerundet wird. Der Heimatdichter verstarb 93-jährig infolge eines Unfalles in seinem Obstgarten.

Informationen zum Buch

ISBN: 978-3-7025-0638-4
Umfang: 304 Seiten
Preis: € 24,00

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