Thomas Brezinas Weihnachtsgeschichte: Das Weihnachtswünsche-Wunder

„Was ich mir wirklich wünsche, bekomme ich ja doch nicht!“, beschwerte sich Max. Seine Zwillingsschwester Hanna stimmte ihm ausnahmsweise einmal zu. „Was wünscht ihr euch also zu Weihnachten?“, wollten ihre Eltern wissen. Max wusste es ganz genau. „Ich möchte ein Detektiv sein und einen echten Fall lösen!“ Hanna sagte: „Ich will hexen können. So richtig hexen!“ Ihr wuscheliger Hund Cookie gähnte. Er wünschte sich im Winter nur, ganz nahe bei Max oder Hanna schlafen zu können. Oder wenn das nicht möglich war, zwischen den Kuscheltieren auf dem Sofa im Kinderzimmer. Er schmiegte gerne seine Fellwangen an Teddybären und Hasen. Die Eltern mussten eingestehen, dass weder Christkind noch Weihnachtsmann die Wünsche von Hanna und Max erfüllen konnten.

Der 24. Dezember kam: In diesem Jahr sollte er noch aufregender werden als sonst. Am Nachmittag um drei Uhr spielten Max und Hanna in der Aufführung des Krippenspiels mit. Max war Josef und Hanna Maria. Cookie spielte den Esel. Für seine Rolle hatte er sogar aufsteckbare lange Pappkartonohren bekommen. Der Saal füllte sich mit Eltern, Verwandten und vielen Geschwistern. Hinter der Bühne herrschte große Aufregung. Frau Kepling, die Lehrerin, wieselte herum und half beim Anziehen der Kostüme und beim Schminken. Hanna bemerkte es als Erste: Das Jesuskind fehlte! Die Krippe mit echtem Stroh stand an der Seite bereit, aber sie war leer.
„Wo ist das Jesuskind, Frau Kepling?“, fragte sie.
„Natürlich in der Krippe!“, antwortete die Lehrerin.
„Nein, dort ist es nicht!“
„Wer hat das Jesuskind genommen?“, rief Frau Kepling in die aufgeregte Schar.
Niemand meldete sich. Keiner hatte die Puppe gesehen, die die Arme in die Höhe streckte und in einen kuscheligen weichen weißen Stoff gewickelt war. Die Puppe gehörte Hanna, und die Windel für das Jesuskind hatte sie mit ihrer Mutter aus einem alten Pulli gebastelt.
Wo aber war es jetzt? Ohne Jesuskind konnte das Krippenspiel nicht anfangen und es blieb keine Zeit, ein neues zu besorgen.
Max rieb sich die Hände und zupfte dann an seinem rechten Ohrläppchen. Das tat er immer, wenn er nachdachte.
„Ich werde es finden!“, versprach er. „Ich brauche dazu nur eine heiße Spur.“ Wie die Detektive in den Krimis, die er so gerne las, begann er, die Krippe zu untersuchen. Viel fand er dort nicht. Nur ein Fetzchen Papier einer Nussschokolade. Er betrachtete es prüfend. Diese Schokolade aß Richard, der den Wirt spielte, gerne. Sofort ging Max zu ihm und wollte ihn sich vorknöpfen. Richard schnupperte gerade an der dicken Joppe, die er als Wirt trug. „Die stinkt nach Schweinen!“, beschwerte Richard sich. Er mochte auch die Schürze nicht, die komische Flecken hatte. „Was hast du mit dem Jesuskind gemacht?“, wollte Max von ihm wissen. „Wieso hast du es entführt? Willst du Lösegeld dafür?“
„Spinnst du?“, Richard tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
Nur noch zehn Minuten, bis der Vorhang sich öffnete. Hanna betrachtete ihre Hände und versuchte den Hexenklatsch, den ihre Lieblingshexen beim Zaubern ausführten. Dabei wurden nur die ausgestreckten Daumen und kleinen Finger aneinander getippt.
Könnte ich hexen, dann würde ich das Jesuskind hier erscheinen lassen, dachte sie. Sie wiederholte den Hexenklatsch dreimal und murmelte: „Kadibra kadei, Jesuskind komm wieder herbei.“
Doch die Krippe blieb leer.
„Ich gebe dir genau drei Minuten, das Jesuskind wieder zurückzubringen. Dann lasse ich dich ungeschoren davonkommen“, bot Max an. Richard tippte immer heftiger und fester mit dem Finger an seine Stirn. „Du spinnst total!“
Weil er das in einem Krimi gelesen hatte, ließ Max ihn einfach stehen und ging davon.
Die Minuten verstrichen. In Kürze fing das Krippenspiel an. Aber wo steckte Cookie? Die Eselsohren mussten noch befestigt werden.
„Zu viel Trubel rund um ihn“, meinte Hanna.
Max stimmte zu. Cookie liebte es ruhig und gemütlich. Bestimmt hatte er sich irgendwo versteckt, sobald er mit den Zwillingen hinter der Bühne angekommen war. Die Geschwister suchten den Hund überall, konnten ihn aber nicht finden.
„Cookie!“, riefen sie.
„Still, es geht gleich los!“, sagte ihre Lehrerin, die noch aufgeregter war als die Kinder.
Da bellte Cookie. Gleich mehrere Male. Max und Hanna fanden den strubbeligen Hund neben der Krippe. Er saß dort und wedelte.
„Das Jesuskind!“, rief Hanna.
„Richard hat es zurückgegeben“, triumphierte Max. „Ich habe meinen ersten Fall gelöst.“
„ICH habe es zurückGEHEXT!“, verbesserte ihn Hanna. Erstaunt bemerkte sie: „Ich kann richtig hexen!“
„Auf die Bühne!“, befahl Frau Kepling.
Während der Weihnachtsaufführung strahlten die Zwillinge um die Wette. Für beide war der größte Wunsch in Erfüllung gegangen. Max war ein Detektiv, und Hanna konnte hexen. Aber wer hatte ihre Wünsche erfüllt? Das Christkind oder der Weihnachtsmann?
Cookie war es. Er hatte sich das Jesuskind heimlich aus der Krippe geholt, weil es so schön nach Hanna roch. Hinter dem Stall hatte er damit gekuschelt und geschlafen. Als er gerufen wurde, brachte er es wieder zurück. Er war ein sehr schlauer Hund.
Cookie konnte die Eselsohren nicht ausstehen, die ihm Max und Hanna aufsetzten. An diesem Tag aber machten sie ihm nichts aus. Er fühlte sich als echter Weihnachtshund, der sogar Wünsche in Erfüllung gehen lassen konnte. Das sollte ihm mal einer nachmachen ...

Information zu den Herausgeberinnen und dem Buch

Barbara Brunner

Barbara Brunner ist geboren in Ried im Innkreis, aufgewachsen in Braunau am Inn, Studium der Slawistik und Romanistik in Salzburg, zehn Jahre im Residenz Verlag Salzburg zuständig für Presse und Lizenzen, dann Marketingleiterin im Bundesverlag Wien, seit 1994 lebt sie in Salzburg und ist als selbständige PR-Beraterin für Buchverlage tätig.

Caroline Kleibel

Die besten Geschichten schreibt das Leben, ist Caroline Kleibel überzeugt. Nach einem AFS-Jahr und einem denkwürdigen Weihnachtsfest unter einem mit Popcorn geschmückten US-Christbaum studierte die gebürtige Innsbruckerin in Salzburg Kommunikationswissenschaften und Psychologie. Stationen beim ORF und als Pressesprecherin der Universität folgte die berufliche Selbstständigkeit. Seit nunmehr 20 Jahren ist sie erfolgreich als freie Journalistin für Zeitungen und Zeitschriften, sowie als Buchautorin und Biografin tätig. Aus ihrer Feder stammen literarische Miniaturen über Prominente wie Almaz Böhm, Angelika Kirchschlager, Hans Hass oder Karl Merkatz ebenso wie die Biografien von Herbert Fux und jene der Trapp-Köchin Johanna Raudaschl, ergänzt durch zahlreiche private Erinnerungsbände über Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen

Informationen zum Buch

Titel des Buches: Steht das Christkind vor der Tür?: Das Licht ins Dunkel Weihnachtsbuch
ISBN: 978-3-7025-0763-3
Umfang: 144 Seiten
Preis: € 22,00

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