Landwirtschaft
Wissenschaft hofft auf Liberalisierung Grüner Gentechnik

Mithilfe Grüner Gentechnik können Pflanzen resistenter gemacht werden, etwa gegen Hitze, Dürre oder Parasiten – in Europa gelten allerdings strenge Regulierungen, die eine Anwendung auf de facto null beschränken.  | Foto: Shutterstock
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  • Mithilfe Grüner Gentechnik können Pflanzen resistenter gemacht werden, etwa gegen Hitze, Dürre oder Parasiten – in Europa gelten allerdings strenge Regulierungen, die eine Anwendung auf de facto null beschränken.
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Derzeit gelten in Europa strenge Regeln, was die Erforschung und den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen betrifft. 2023 will die EU über eine Novellierung des bisherigen Gentechnik-Gesetzes entscheiden. Die Wissenschaft betont die großen Potenziale, die in grüner Gentechnik schlummern und hofft auf eine baldige Liberalisierung.

Was du in diesem Beitrag liest


Warum die Wissenschaft auf einen Einsatz Grüner Gentechnik hofft

Was Grüne Gentechnik mit unserer Ernährungssicherheit zu tun hat

Warum Grüne Technik derzeit praktisch keine Anwendung in Österreich findet

In welchen anderen Bereichen Gentechnik bereits jetzt eingesetzt wird

ÖSTERREICH. Der Klimawandel und damit einhergehend Hitze und Dürre machen den Anbau von Nutzpflanzen zunehmend beschwerlicher und Erträge stetig kleiner. Pestizide halten Pflanzen zwar parasitenfrei, wirken sich jedoch schädlich auf die Umwelt und den Menschen aus – in mehr als der Hälfte der erlaubten konventionellen Pestizide finden sich Hinweise auf Gesundheits- oder Umweltgefahren.

Anders gesagt: Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, die es heute und künftig zu bewältigen gilt. Die Wissenschaft hält bereits jetzt eine Lösung parat, sind sich Forscherinnen und Forscher weitestgehend einig. Ihre größte Hoffnung liegt in der sogenannten "Grünen Gentechnik", also in der genetischen Veränderung von Pflanzen. Diese könnte dabei helfen, bestimmte Pflanzensorten rasch und in vielerlei Hinsicht resistenter zu machen, etwa gegen Hitze, Dürre oder Parasiten.

Imageproblem der grünen Gentechnik

Nur: Grüne Gentechnik hat bereits seit den 1980/1990er-Jahren ein Imageproblem. Diverse Interessengruppen, etwa Pestizide herstellende Chemiekonzerne, haben ihren Teil dazu beigetragen, dass Gentechnik bei Pflanzen umstritten ist. Unterdessen ist sie in anderen Bereichen, beispielsweise in der Medizin (Rote Gentechnik) oder Industrie (Weiße Gentechnik) allgegenwärtig.

Dabei ist eigentlich auch die Grüne Gentechnik bereits in Europa und in Österreich angekommen, über "Umwege" in Form von Importware. So wird etwa genveränderte Tierfuttermittel aus den USA in der heimischen Landwirtschaft schon lange und intensiv eingesetzt.

EU berät über neues Gentechnik-Gesetz

Die Erforschung und Kultivierung Grüner Gentechnik ist in Europa selbst aber streng reguliert. Das derzeit geltende EU-Recht beschränkt eine breite Anwendung aufgrund zahlreicher Hürden und Restriktionen auf de facto null. Ob sich das schon bald ändert, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Dann will die EU-Kommission ein letztes Jahr gestartetes Kunsultationsverfahren abschließen und einen Vorschlag zu einer etwaigen Erneuerung des Gentechnik-Gesetzes vorlegen. 

Gefährdete Ernährungssicherheit 

Forschende aus Österreich sind sich über den Nutzen grüner Gentechnik jedenfalls einig und hoffen auf ein schnelles Umdenken in der Politik und Gesellschaft. Um dieses Voranzutreiben veranstaltete die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Anfang März ein "Science Update", bei dem Expertinnen und Experten der Molekularbiologie und Biotechnologie über den aktuellen Stand der Forschung informierten.

Was heute unter dem Begriff "Grüne Gentechnik" zusammenfasst wird, sei im Endeffekt nichts anderes als das Weiterdenken der seit jeher praktizierten "Kulturtechnik" der Auslese, erklärten Ortrun Mittelsten Scheid vom Gregor Mendel Institut für molekulare Pflanzenbiologie (GMI) und Hermann Bürstmayr vom Institut für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien (Boku). Grüne Gentechnik könne dazu beitragen, die durch den voranschreitenden Klimawandel und Biodiversitätsverlust gefährdete Ernährungssicherheit auch zukünftig zu garantieren, fassen die Wissenschafter:innen zusammen. 

"Brauchen die grüne Gentechnik"

In einem unlängst erschienen Gastbeitrag im deutschen "Spiegel" erläuterte auch die deutsche Biologin und Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, "warum wir aus ökologischen Gründen die grüne Gentechnik brauchen" und argumentierte mit der Notwendigkeit robuster und gegen Parasiten resistenter Sorten. In der konventionellen Züchtung seien viele Generationen der Selektion nötig und bis zur Zulassung einer neuen entsprechenden Sorte würden Jahre vergehen, so die Biologin.

Anders sei das unter Zuhilfenahme der sogenannten CRISPR–Genschere, eine vor rund zehn Jahren entwickelte Methode der Geneditierung, die 2020 auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Dabei werden Genvarianten, die in Wildpflanzen bestehen und eine Resistenz bewirken, direkt in das Genom einer bestimmten Nutzpflanze eingeführt. So könnten bewährte, aber zugleich empfindliche Sorten durch Gen-Editierung und ohne viel Zeitaufwand widerstandsfähiger und ertragreicher gemacht werden, erklärt Nüsslein-Volhard in ihrem Gastbeitrag.

Stimmen gegen Aufweichung des Gentechnikrechts

Zurück nach Österreich und zum "Science Update". Dort zeigte sich der frühere Wissenschaftsminister und jetzige ÖAW-Präsident Heinz Faßmann hoffnungsvoll, dass die Forschung in der vor allem in Österreich stark ideologisch aufgeladenen Debatte um die Grüne Gentechnik künftig Gehör finde. Faßmann ist sich aber sicher: "Es braucht viel Aufklärung." 

Gegen eine Aufweichung des Gentechnikrechts sprachen sich in der Vergangenheit etwa auch die meisten Umweltschutzorganisationen aus. So sammelten etwa "Global 2000" und "Bio Austria" zuletzt mehr als 420.000 Unterschriften gegen eine Aufweichung des EU-Gentechnikrechts. 

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