Kontroverser Historiker
Wo Daniele Ganser in Österreich auftreten darf

Der umstrittene Schweizer Historiker und Autor Daniele Ganser tritt Ende des Monats in Graz, Salzburg und Gmünd auf.  | Foto:  Panama Pictures / Action Press / picturedesk.com
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Der umstrittene Schweizer Historiker und Autor Daniele Ganser ist besonders in der Verschwörungstheoretiker-Szene eine bekannte Persönlichkeit. Da er etwa an der offiziellen Version der Terroranschläge vom 11. September 2001 zweifelt oder die USA für den Krieg in der Ukraine verantwortlich macht, gilt Ganser in der wissenschaftlichen Community großteils als geächtet. Im vergangenen Jahr wurden seine umstrittenen Vorträge aufgrund befürchteter Fake-News-Verbreitung in mehreren deutschsprachigen Städten abgesagt, darunter auch Innsbruck und Steyr. Ende des Monats macht Ganser nun Halt in Graz, Salzburg und Gmünd. 

ÖSTERREICH. Auf seiner Webseite bezeichnet sich Daniele Ganser selbst als "Historiker und Friedensforscher", wobei er die Themen Frieden, Energie, Medien, Krieg und Terror untersuche. Ganser tritt bei seinen Vorträgen zum Teil vor ausverkauften Hallen auf, sein Buch "Imperium USA: Die skrupellose Weltmacht" steht auf der Liste der "Spiegel Bestseller", und auch auf den sozialen Netzwerken kommt der Schweizer bei hunderttausenden Fans gut an. Trotz alledem gilt er als eine mehr als umstrittene Persönlichkeit, die nach Ansicht Klaus Gestwas, Professor und Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen, "brandgefährlich" sei. 

Ganser liefert "selektive Beweise"

Entgegen Gansers eigener Aussage, "Menschen zu stärken, die sich achtsam für den Frieden und eine intakte Umwelt engagieren", wird dem Schweizer in der wissenschaftlichen Community zunehmend vorgeworfen, Verschwörungstheorien und Fake News zu verbreiten. Auffallend seien dabei seine rhetorischen Methoden: Der Schweizer dränge seinem Publikum keine handfesten Theorien auf. Vielmehr liefere er nur ausgewählte Erzählungsstränge, hinterfrage Fakten, die nicht zu seinen Theorien passen und lenke die Zuhörerinnen und Zuhörern mit oftmals suspekten Quellen und Bildern gekonnt und unauffällig zu einem gewissen Schluss: Seine Ansichten würden der Wahrheit entsprechen.

Ganser wird vielfach vorgeworfen,  Verschwörungstheorien und Fake News zu verbreiten.  | Foto: Shutterstock
  • Ganser wird vielfach vorgeworfen, Verschwörungstheorien und Fake News zu verbreiten.
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Die deutsche Literaturwissenschaftlerin und Professorin für Germanistik, Nicola Gess, beurteilte Gansers Rhetorik 2021 in der "Schweiz am Wochenende" wie folgt: 

"Ganser ist ein interessanter Fall. Er setzt vor allem auf Suggestion und Insinuation. So gibt er seinem Publikum das Gefühl, an der Aufdeckung der Verschwörung mitgearbeitet zu haben. Das ist ein ganz wichtiger Pull-Faktor: Es liefert das Gefühl des Auserwählt-Seins und der Handlungsmacht. Dass das klappt, liegt auch an etwas, das Psychologen als motiviertes Denken beschreiben: Man zieht nicht Schlüsse aus Fakten, sondern geht von den Schlüssen aus und lässt nur jene Fakten gelten, welche die eigene These stützen. Gansers vermeintliche Beweise sind immer sehr selektiv."

Universitäten untersagen Ganser das Unterrichten

In der Vergangenheit fiel Ganser – der lange Zeit an Schweizer Universitäten unterrichtet hatte – etwa mit einer alternativen These zu den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2011 auf. Seiner Ansicht nach sei ein Nebengebäude, das WTC 7, aufgrund einer gezielten Sprengung, die durch die US-Regierung veranlasst worden sein könnte, eingestürzt. Weiters hinterfragt Ganser, ob damals tatsächlich ein Passagierflugzeug in das Pentagon geflogen sei oder ob es sich dabei nicht doch um eine Rakete des US-Militärs gehandelt haben könnte. Der Schweizer hinterfragt dabei ganz gezielt die offizielle Version der Terroranschläge, die aufgrund einer dichten Beweislage in der wissenschaftlichen Community allgemein als bestätigt gilt, ohne dabei jedoch selbst Fakten und Beweise zu seinen Überlegungen zu liefern. 

Seine Aussagen in dieser Sache kosteten dem Schweizer schließlich auch seinen Job an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich: "Ich konnte nicht akzeptieren, dass jemand, der wissenschaftlich in meinem Institut arbeitete, solch unsinnige Verschwörungstheorien verbreitet", erklärte sein damaliger Chef Kurt Spillmann, Professor für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung, der "Berner Zeitung" damals. In weiterer Folge untersagte ihm auch die Universität Basel das Unterrichten, seine Vorlesungen in St. Gallen wurden ebenfalls nicht verlängert. 

Aufgrund der Verbreitung "unsinniger Verschwörungstheorien" verlor Ganser seine Anstellung an der ETH Zürich. | Foto: Shutterstock
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Ganser macht USA für Ukraine-Krieg verantwortlich

Auch während der Corona-Pandemie und im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine fiel Ganser immer wieder mit kontroversen Aussagen und Thesen auf, die in der wissenschaftlichen Gesellschaft und der Öffentlichkeit für Aufsehen sorgten. So erklärte der Schweizer zwar immer wieder, dass er den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteile und Putin als "böse" ansehe, allerdings sucht er die Ursache des Konflikts nicht bei dem Machtbestreben des russischen Präsidenten. Vielmehr schiebt Ganser den USA und der NATO die Schuld zu: Die Euromaidan-Demonstrationen (Protestbewegungen in der Ukraine, die in der Amtsenthebung und der Flucht des pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch sowie der Wahl einer pro-europäischen Regierung resultierten) im Jahr 2014 seien nach Ansicht des "Friedensforschers" ein illegaler Putsch gewesen. Dieser sei von den USA vorangetrieben worden und habe Russland in weiterer Folge provoziert und zum Angriff auf die Ukraine bewegt. 

Osteuropaforscher widersprechen Gansers Theorien

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass Ganser über keine fachliche Expertise in der Osteuropaforschung verfügt: "Ganser hat sich nie intensiver mit der Ukraine oder mit Russland beschäftigt und er verfügt nicht über entsprechende Landes- oder Sprachkenntnisse", erklärte etwa Frithjof Benjamin Schenk, Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Basel, gegenüber der deutschen "Tagesschau".

Gestwa verwies zudem drauf, dass Gansers Annahme dem grundsätzlichen Konsens der Osteuropahistoriker widerspreche. So stimme bereits das Wort "Putsch" nicht mit den damaligen Geschehnissen überein, da dabei "politische Funktionsträger - meistens das Militär oder der Geheimdienst - die Möglichkeit einer instabilen politischen Situation nutzen, um an die Regierung zu kommen". Bei den Euromaidan-Demonstrationen habe es sich hingegen um "die größte demokratische Massenbewegung in Europa seit 1989" gehandelt, bei der Millionen von Menschen auf die Straße gegangen seien, um gegen das Janukowitsch-Regime zu demonstrieren.

Ganser schiebt den USA die Schuld an dem Krieg in der Ukraine zu.  | Foto: Fotos: Schuster/Happy woman
  • Ganser schiebt den USA die Schuld an dem Krieg in der Ukraine zu.
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Ganser verdient Vermögen mit seinen Theorien

Grundsätzlich handle es sich bei Gansers heutiger Tätigkeit nicht mehr um die eines Wissenschaftlers, "sondern als die eines geschickten Unternehmers", erklärte Schenk weiters. So dürften die Vortragsreihen bei einem Ticketpreis von 42 Euro pro Person (Anm. für seine bevorstehenden Auftritte in Österreich) für den Schweizer recht lukrativ ausfallen, gleichzeitig hat Ganser aber auch noch weitere Einnahmequellen gefunden. Für 365 Euro im Jahr kann man beispielsweise Teil seiner "Community" werden, um etwa an monatlichen Videofragerunden teilzunehmen oder sich mit anderen Mitgliedern auszutauschen. 

Drei Vorträge in Österreich

Im Dezember 2022 sorgte Gansers Tour durch den deutschsprachigen Raum bereits für Aufruhr. Nachdem einzelne deutsche Städte die Auftritte des Schweizers abgesagt hatten, wurden die Termine auch in Innsbruck und in Steyer wegen befürchteter Fake-News-Verbreitung gestrichen. Ende des Monats kommt Ganser nun erneut nach Österreich, um Vorträge in Graz, Salzburg und Gmunden zu halten. 

Gegenüber dem ORF bestätigte der Chef der Grazer Stadthalle, Armin Egger, dass der geplante Auftritt Gansers stattfinden werde, da man ein offener Veranstaltungsort für alle Inhalte und Geschmacksrichtungen sei: "Solange sich diese im gesetzlichen Rahmen bewegen und innerhalb unserer gesetzlich erlaubten Möglichkeiten sind, ist es nicht unsere Aufgabe, dort nach unserem Geschmack oder nach irgendeiner Form zu zensurieren." Auch Finanzstadtrat Manfred Eber (KPÖ) erklärte, dass gegen Ganser strafrechtlich nichts vorliege und es zudem auch um mögliche Schadenersatzansprüche gehe. 

Armin Egger, Chef der Grazer Stadthalle, bestätigte, dass Gansers umstrittener Auftritt stattfinden wird.  | Foto: MCG/Krug
  • Armin Egger, Chef der Grazer Stadthalle, bestätigte, dass Gansers umstrittener Auftritt stattfinden wird.
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Absage könnte Öl ins Feuer gießen

Eine Absage der Ganser-Vorträge könnten sich darüberhinaus kontraproduktiv auswirken und die Verfechterinnen und Verfechter dessen Theorien weiter aufheizen. Schließlich hat sich der Schweizer bereits in der Vergangenheit als eine Art Märtyrer dargestellt und mit den Geschwistern Scholl, Mahatma Gandhi, Martin Luther King oder Galileo Galilei verglichen, die für den Widerstand gegen das damals vorherrschende System und für ihre Wahrheiten verfolgt oder auch getötet wurden.

So sorgte auch die Absage seines Vortrags in Innsbruck im vergangenen Jahr für gehörig Wirbel. Bürgermeister Willi (Grüne) erklärte damals, dass er nicht zulassen könne, dass Ganser in einem "mit öffentlichen Geldern finanzierten" Veranstaltungszentrum seine Thesen verbreite. Willi verwies in diesem Zusammenhang auf einen Gemeinderatsbeschluss, der besagt, weder rechts- noch linksextreme Veranstaltungen zu erlauben. In weiterer Folge bemängelten vor allem Befürworter Gansers aber auch dessen Kritiker die Absage, da dies gegen die Meinungsfreiheit verstoßen würde. 

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