Asyl und Pressefreiheit
Amnesty sieht Menschenrechte "am Wendepunkt"

Vor allem kritisiert die Organisation die vorübergehende Unterbringung von Asylsuchenden in Zelten und rechtswidrige "Pushbacks" an den Grenzen. | Foto: Kendlbacher
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Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat ihren Jahresbericht 2022/23 veröffentlicht. Dieser ist alarmierend: AI sieht Österreich "am Wendepunkt". So würde "exzessive Gewaltanwendung" seitens der österreichischen Polizei nicht untersucht werden. Die Pressefreiheit sei in Österreich unter Druck und bei der Unterbringung von Asylsuchenden ortet AI "unmenschliche Bedingungen".

ÖSTERREICH. Amnesty ortet einen "besorgniserregenden Trend", dass manche Politikerinnen und Politiker Menschenrechte "immer häufiger" nicht anerkennen und infrage stellen würden. Jene Vertreter der Politik würden sich "immer wieder menschenrechtsfeindlicher Rhetorik bedienen, um diskriminierende Maßnahmen zu rechtfertigen". 

"Dies ist besonders besorgniserregend, da die Menschenrechte ein Grundpfeiler einer gerechten Gesellschaft sind und jederzeit geschützt und gefördert werden müssen", so Amnesty in einer Aussendung. Daher fordere die Organisation die Politik auf, sich zu Menschenrechten zu bekennen, statt sie als "politischen Spielball zu benutzen". 

Dazu Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich:

"Österreich steht an einem Wendepunkt im Kampf um die Menschenrechte. Welche Richtung wir jetzt einschlagen, wird die nächsten Jahrzehnte bestimmen. Wenn wir weiterhin Menschen ausgrenzen und ihnen ihre Menschenrechte verweigern, verletzt dies nicht nur ihre Rechte, sondern untergräbt auch den Zusammenhalt unserer Gesellschaft."

Kritik an Zelten und Pushbacks

Vor allem kritisiert die Organisation die vorübergehende Unterbringung von Asylsuchenden in Zelten und rechtswidrige "Pushbacks" an den Grenzen. Im Februar 2022 hatte das Landesverwaltungsgericht Steiermark befunden, dass rechtswidrige Pushbacks "teilweise methodisch" Anwendung finden würden.

Außerdem seien im Vorjahr insgesamt 11.629 geflüchtete Kinder verschwunden. Das sei unter anderem auf fehlende Obsorge und nicht kindergerechte Betreuung in Bundesbetreuungseinrichtungen zurückzuführen.

Einrichtungen wie Traiskirchen seien "für einen dauerhaften Aufenthalt von Kindern definitiv nicht geeignet". Daher fordere die NGO eine sofortige Zuweisung von Obsorgeberechtigten für unbegleitete Minderjährige direkt nach ihrer Ankunft in Österreich. Derzeit würde so eine Zuweisung erst nach der Zulassung zum Asylverfahren passieren.

Bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine kritisiert Amnesty einen fehlenden Zugang zur Sozialhilfe, Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt sowie das Fehlen einer längerfristigen Aufenthaltsperspektive in Österreich. Außerdem müssten Private, die ukrainische Geflüchtete beherbergen, bessere finanzielle und organisatorische Unterstützung erhalten.

Pressefreiheit unter Druck

Amnesty sieht die Pressefreiheit in Österreich weiter unter Druck. Bei Protestveranstaltungen in Wien hätte die Polizei Journalistinnen und Journalisten an der Berichterstattung gehindert. Außerdem wäre die Presse nicht ausreichend vor Angriffen durch Demonstrierende geschützt worden.

Als das Protestcamp der Aktivistinnen und Aktivisten von "Lobau bleibt" im April des Vorjahres geräumt wurde, habe die Polizei eine Pressezone eingerichtet. Diese sei so weit vom Camp entfernt gewesen, "dass eine angemessene Beobachtung der Ereignisse nicht möglich war", so der Bericht.

Amnesty verweist in dem Bericht auch auf SLAPP-Klagen, also strategische Gerichtsverfahren gegen öffentliche Beteiligung, gegen journalistische Vertreter und kritisiert, dass das seit Jahren angekündigte Informationsfreiheitsgesetz weiterhin "auf Eis" liege. 

"Ibiza-Detektiv": Bedenken bei Urteil

Im Urteil gegen "Ibiza-Detektiv" Julian Hessenthaler gebe es Bedenken, ob es tatsächlich zu einem fairen Verfahren gekommen sei. Hessenthaler war maßgeblich an der Entstehung des "Ibiza-Videos" beteiligt und wurde zu 41 Monaten Haft verurteilt. Auch gebe es ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Österreich, da das EU-Recht zum Schutz von Whistleblowern noch nicht in Österreich umgesetzt wurde.

Gründe für Kritik sah Amnesty International auch in den Rechten von Frauen und Mädchen. So wurden im Jahr 2022 28 Frauen durch "geschlechtsspezifische Gewalt" getötet. Weiterhin gebe es nicht genügend Plätze in Notunterkünften für Frauen. Im September des Vorjahres wurde außerdem Kritik laut, dass es beim Zugang zu sicheren und erschwinglichen Schwangerschaftsabbrüchen zu viele Hindernisse gab.

"Straflosigkeit" bei Polizei

Amnesty kritisiert "Straflosigkeit und mangelnde Rechenschaftspflicht" seitens der Polizei. Bei einer Demonstration am 1. Mai 2021 habe es Vorwürfe über "unverhältnismäßige Gewaltanwendung" durch die Polizei gegeben, diese seien jedoch auch 2022 nicht untersucht worden.

Die Regierung habe 2020 eine unabhängige Ermittlungs- und Beschwerdestelle angekündigt, diese sei jedoch bis Ende 2022 noch nicht eingerichtet worden. Auch würden Vertreter der Polizei weiterhin keine individuelle Kennung tragen, was die Situation weiterhin verschärfe.

Im Bezug auf die Klimakrise befand Amnesty, dass Österreich die Klimaziele auch 2022 nicht erreicht habe. Außerdem fehle weiterhin ein Klimaschutzgesetz.

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