Klaudia Tanner
"Fehlgeleitete Drohne kennt keine Neutralität"

"Neutralität muss man auch verteidigen können", pocht Verteidigungsministerin Klaudia Tanner auf ein ordentlich ausgestattetes Bundesheer. | Foto: MeinBezirk/Martin Baumgartner
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  • "Neutralität muss man auch verteidigen können", pocht Verteidigungsministerin Klaudia Tanner auf ein ordentlich ausgestattetes Bundesheer.
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Ihr Ressort steht aufgrund von Drohnenangriffen, Sky Shield und Co. gerade im Mittelpunkt des Interesses. Wir haben Verteidigungsministerin Klaudia Tanner zu den aktuellen Entwicklungen im Hinblick auf die Landesverteidigung befragt.

ÖSTERREICH. Brisante Diskussionen in Brüssel, politisches Hickhack in Österreich: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ist im Lichte einer hochexplosiven Sicherheitslage im wahrsten Sinne des Wortes an mehreren Fronten gefragt.

Wie ist der Status quo beim Luftabwehrprogramm Sky Shield?
KLAUDIA TANNER: In unserem Aufbauplan „2032 plus“ gibt es einen Bereich, der sich mit der Luftraumüberwachung und dem Umbau in Richtung einer Luftverteidigung befasst. Wir haben etwa als erste den Skyranger beschafft, ein modernes Gerät, das auf den Radpanzer Pandur montiert und gegen Drohnen eingesetzt werden kann. Wir haben im Aufbauplan Systeme für kurze Reichweiten vorgesehen, bei den mittleren Reichweiten schauen wir, welches System es werden kann, da hoffen wir, die Entscheidung Ende des Jahres treffen zu können.

Ist das ausreichend?
Was im Aufbauplan nicht drinnen ist, was wir aber angesichts der Ereignisse brauchen werden, ist eine Drohnenabwehr für längere Reichweiten. Dafür benötigt es ein Sonderbudget von rund vier Milliarden Euro für die nächsten Jahre.

Warum ist das notwendig?
Die Kriegsschauplätze und wie Krieg durchgeführt wird, das hat sich verändert. Das sieht man in der Ukraine, wo man Schwärmen kostengünstiger Drohnen begegnet. In diesem Bereich müssen wir besser werden. Das gilt für uns in Österreich, das gilt für ganz Europa. Das ist etwas, wo wir draufschauen müssen, dass wir die Österreicher schützen können.

Ein sicherer Luftraum ist das Ziel des Bundesheeres. | Foto: HBF/Carina Karlovits
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Luftverteidigung insgesamt ist ja in Schichten aufgebaut, da zählen die Hubschrauber dazu und unsere Flächenflieger. Eine Schicht darüber ist es der Eurofighter, der dann auch einmal getauscht werden muss, das jetzige System funktioniert noch bis 2035. Nachdem Beschaffungsprozesse einige Jahre dauern, werden wir das noch in dieser Legislaturperiode anstoßen.

In welcher Dimension?
Wir werden da in etwa 36 Flieger brauchen, das ist angelehnt an die Schweiz, die von der Topografie und den Notwendigkeiten her durchaus vergleichbar ist. Eine Lücke schließen wir auch bei den Saab 105, da bestellen wir Jets von Leonardo, da fehlen nur mehr Vertragsdetails.

Welche Fähigkeiten kann Österreich im Konzert der Großen in Europa überhaupt einbringen?
Wir können sehr viel, zum Beispiel in der Beschaffung. Wir haben 4.000 bis 5000 Beschaffungsvorgänge pro Jahr, die wir bei uns im Ministerium durchführen. Wenn man auf die Fähigkeiten des Bundesheers schaut, dann ist es der Gebirgskampf, der uns besonders auszeichnet. Und wir sind im Bereich Cyber Defense im Vergleich mit anderen Armeen durchaus gut aufgestellt. Wir haben vor einigen Jahren an der Militärakademie einen Lehrgang für Cyber-Offiziere ins Leben gerufen, da gibt es jetzt die ersten Absolventen. 

Wie erklären Sie den Österreicherinnen und Österreichern, dass wir Sky Shield brauchen?
Wir sind verantwortlich für unseren Luftraum, für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher. Ganz ehrlich: Sky Shield ist am Ende des Tages die Lebensversicherung für unsere Kinder. Sky Shield ist eine gemeinsame Beschaffungsinitiative, bei der auch die neutrale Schweiz mitmacht. Gerade als neutraler Staat ist es notwendig, dass man den Luftraum schützt, dass man sich als souveräner Staat verteidigen kann – und eine fehlgeleitete Drohne kennt halt keine Neutralität. Das ist einfach notwendig. Warum soll jemand in Amstetten oder Zwettl nicht genauso geschützt sein wie jemand in Zürich? Und: Wenn man das gemeinsam tut, kommt es günstiger.

Die FPÖ argumentiert, das würde sich mit der Neutralität schneiden …
Nein, Blödsinn. Die Entscheidung darüber, was ich mache, wenn eine fehlgeleitete Drohne kommt – schieße ich sie ab oder nicht? – bleibt immer bei uns, also in Österreich. Der gesamte Kommando-Befehlsstrang ist in unserer Hand – aber Neutralität sollte man schon auch verteidigen können. Und: Wenn es für die neutrale Schweiz kein Problem ist, warum sollte es fürs neutrale Österreich eines sein?

Braucht der Begriff Neutralität eine neue Interpretation?
Wir haben das als österreichisches Bundesheer über die Jahre hervorragend gemacht. Wir sind einerseits neutral und leisten andererseits im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union immer wieder große Beiträge. Wenn man nur schaut, wie viele Soldatinnen und Soldaten wir in friedenserhaltenden Missionen haben, in Bosnien, im Kosovo, im Libanon, da müssen wir uns nicht verstecken. Man kann neutral sein und dennoch bei friedenserhaltenden Missionen dabei sein.

Kann es sein, dass wir in einen Krieg hineingezogen werden, obwohl wir neutral sind?
Die Neutralität allein wird uns nicht schützen. Was uns schützt, ist ein gut ausgestattetes Bundesheer. Daher ist es wichtig, dass wir investieren, in den nächsten Jahren sind es rund 18 Milliarden Euro. Und es ist wichtig, dass wir Teil der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU sind.

Ist es ausreichend, was die EU da momentan tut?
Ich würde mir als neutraler Staat nicht anmaßen, darüber zu richten. Ich persönlich glaube, dass man in einer Situation wie dieser alle Anstrengungen verstärken muss, um zum Ziel des Friedens zu kommen. Wir sind in der Ukraine im vierten Jahr des Krieges, der unermessliches Leid verursacht. Wir dürfen nicht müde werden, um den Frieden zu kämpfen.

In turbulenten Zeiten … 
Wir haben mit dem Angriff Putins gegen die Ukraine gesehen, dass wir uns in einer gänzlich anderen sicherheitspolitischen Lage befinden. Das heißt, dass wir uns in Österreich vorbereiten müssen, verteidigungsfähig zu sein. Das heißt für die Europäische Union, dass wir uns nicht verlassen dürfen, dass Amerika unseren Kontinent schützt. Wir haben uns auf einer Insel der Seligen gefühlt, jetzt sind wir wachgerüttelt worden. Das heißt: Sich darauf vorbereiten, was alles passieren kann – ohne Angst zu machen. Das ist das Gebot der Stunde.

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