Debatte um Abschiebung
Grüne wenden Koalitionsbruch ab
Die Grünen stimmten am Donnerstag im Nationalrat den Anträgen der SPÖ und der NEOS nicht zu. Auch die Misstrauensanträge der Sozialdemokraten und Freiheitlichen gegen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wurden abgelehnt.
ÖSTERREICH. Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer hatte in einer Stellungnahme zuvor bereits angekündigt, den Anträgen von SPÖ und Neos in der Sondersitzung am Donnerstag nicht zuzustimmen. „Uns geht es um Lösungen: Wir sind fest entschlossen, die Rechte von Kindern in Österreich besser zu schützen“, sagte Maurer.
Zur heutigen Nationalratssitzung #NR ein 🎥 Statement der Grünen Klubobfrau @sigi_maurer
— Die Grünen (@Gruene_Austria) February 4, 2021
Weitere Schritte wird Vizekanzler @WKogler noch heute präsentieren. pic.twitter.com/27rpUl6oUh
Der grüne Klub wird nicht für einen folgenlosen Entschließungsantrag stimmen, der ohnehin keine Mehrheit erreicht", kündigte Maurer an.
Der Hintergrund: Vor rund einer Woche wurden die zwölfjährige Tina und ihre Familie nach Georgien abgeschoben. Das sorgte für Zündstoff in der türkis-grünen Koalition. "Die Koalition wird so nicht weitergehen können wie bisher, das ist ganz klar", sagte Abgeordnete Michel Reimon im Fernsehsender Puls24. Es sei „völlig inakzeptabel“, wie sich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zum Thema Abschiebungen geäußert habe, so Reimon. Der Ton in der Koalition werde sich deutlich ändern, "so wie es bisher gelaufen ist, geht es nicht mehr“, sagte Reimon.
Kindeswohlkommission geplant
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kündigte am Donnerstag an, im Konflikt über Abschiebungen von Minderjährigen eine Kommission einzusetzen, die sich mit dem Stellenwert von Kinderrechten und Kindeswohl bei Entscheidungen zum Asyl- und Bleiberecht befassen soll. Geleitet wird diese von der ehemaligen Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Ex-NEOS-Abgeordnete Irmgard Griss.
Kogler will Regierung fortsetzen
"Es gibt einen Konflikt, das ist offenkundig", sagte Kogler angesichts der türkis-grünen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage am Donnerstag im Gespräch mit der APA. Österreich befinde sich aber mitten in einer Pandemie, verbunden mit einer Wirtschaftskrise und der Sorge um Arbeitsplätze. Man müsse daher "Verantwortung für Österreich übernehmen", so Kogler. Dass die türkis-grüne Koalition am Konflikt um die Abschiebungen scheitert, schließt Kogler aus. Die Drohung des Grünen Abgeordneten Michel Reimon in Richtung ÖVP betreffe aus Koglers Sicht eher "kommunikationstechnische Fragen".
Die eingesetzte Kommission solle aus Koglers Sicht weniger Gesetzesänderungen vorbereiten als aufzeigen, was im aktuellen Asylrecht bereits möglich ist. Es gebe zwar keine rechtliche Verpflichtung für Unmenschlichkeit, aber eine politische Verpflichtung zu Menschlichkeit und zum Schutz der Kinder, betonte Kogler: "Ich gehe natürlich davon aus, dass die ÖVP und der Herr Innenminister zur Kenntnis nimmt, was im bestehenden Rechtsrahmen möglich ist." Hier gebe es zwar einen Konflikt mit der ÖVP, aber keine anderen Mehrheiten im Nationalrat, bedauerte Kogler. Daher müsse er "den Fokus darauf legen, was im bestehenden Rechtsrahmen möglich ist".
Nehammer übersteht Misstrauensanträge
Innenminister Nehammer verteidigt die Abschiebungen von Minderjährigen nach Georgien und Armenien bislang. Die Gerichte hätten in diesen Fällen die Möglichkeit der Gewährung eines humanitären Bleiberechts geprüft. Laut Nehammer liegt die Schuld an den Abschiebungen bei den Eltern der Kindern: Das Asylrecht sei durch "die Eltern missbraucht" worden, so Nehammer.
Einberufen wurde die Sondersitzung von den Freiheitlichen, die einen Misstrauensantrag, ebenso wie die SPÖ, gegen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) stellten. Grund dafür war rund um das Absage von Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auch das Verbot gegen eine Kundgebung der FPÖ. Kickl ortete im dem einen Angriff auf Versammlungs- und damit auch Meinungsfreiheit. Die Regierung habe „Angst vor der Freiheit und Angst vor dem Volk“. Das Abhalten von Demonstrationen sei ein Grundrecht "unserer Gesellschaft, dass sichergestellt werden muss", forderte Kickl.
Nehammer sah als eigentlichen Grund für die Attacke die gekränkten Eitelkeit Kickls, weil dieser aus dem Ministerium ausscheiden habe müssen. Er begründete die absage der Demos mit gesundheitlichen Erwägungen. Dass Druck seitens der EU, des Bundespräsidenten oder des Bundeskanzlers gegeben habe, verneinte er. Mehrfach wies der Innenminister darauf hin, dass sich unter den Demonstranten Neonazis ebenso wie neue Rechtsradikale befunden hätten.
Beide Misstrauensanträge gegen Nehammer wurden letztlich abgelehnt: 170 Stimmen wurden abgegeben, 92 mit nein, 78 mit ja, verlas die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ).
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