Kritik aus blauen Kreisen
Kickl hat "nie wiederkehrende Chance" vertan

- Laut ÖVP ist vor allem FPÖ-Chef Herbert Kickl Schuld am Scheitern der Verhandlungen. Auch aus freiheitlichen Kreisen rührte sich in den vergangenen Tagen Kritik am Parteichef.
- Foto: Martin Juen / SEPA.Media / picturedesk.com
- hochgeladen von Maximilian Karner
Nach dem Platzen der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen stellten sich hohe FPÖ-Funktionärinnen und -Funktionäre sofort demonstrativ hinter Herbert Kickl. Aber dort stehen offenbar nicht alle, in den vergangenen Tagen wurde auch Kritik am Parteichef laut.
ÖSTERREICH. Nach rund 40 Verhandlungstagen platzte der blaue Traum vom freiheitlichen Kanzler. Noch bevor es ans inhaltlich Eingemachte ging, stellte sich die Ressort-Aufteilung als unüberwindbare Hürde heraus. Sowohl FPÖ als auch ÖVP erhoben bekanntlich Anspruch auf das Innenministerium, keiner wollte nachgeben. Nach dem Verhandlungs-Aus traten beide Parteien schnell mit ihrem jeweiligen Narrativ an die Öffentlichkeit. Während die FPÖ der Volkspartei Macht- und Postengier vorwarf, machte die ÖVP den blauen Parteichef höchstpersönlich für das Scheitern der Koalitionsverhandlungen verantwortlich. Herbert Kickl habe die Rolle des Oppositionspolitikers nie verlassen, kritisierte die Volkspartei.
"Kickl ist das beste Pferd der Linken"
In den Reihen FPÖ versammelte man sich nach dem Platzen der Koalitionsgespräche demonstrativ hinter Kickl. Freiheitliche Länderchefs und hohe Funktionäre rückten aus, um die Erzählung von Macht- und Postengier der Volkspartei weiterzutragen. Aber nicht alle aus blauen Kreisen scheinen die Schuld alleine bei der ÖVP zu sehen, auch Kritik am eigenen Parteichef wurde zuletzt laut. Am deutlichsten drückte der FPÖ-nahe Historiker und freiheitliche Publizist Lothar Höbelt seine Frustration aus.
In einem Gastkommentar auf dem Blog von Ex-"Presse"-Chefredakteur Andreas Unterberger bezeichnet er Kickl als "das beste Pferd der Linken". Das Vorgehen des FPÖ-Chefs bei den Koalitionsverhandlungen lasse sich logisch nicht erklären: "Man kann aus dem vorliegenden Befund bloß den Schluss ziehen: Kickl will offenbar ganz einfach nicht", meint Höbelt.
"Nie wiederkehrende Chance"
In dem Angebot der ÖVP, wonach die Freiheitlichen neben dem Kanzleramt auch das Finanzministerium bekommen sollten, sieht der freiheitliche Intimus eine "nie wiederkehrende Chance". Diese lasse "unser Alberich von Radenthein" vorübergehen, weil er sich "auf das Innenressort kapriziert", kritisiert der frühere Professor für neuere Geschichte an der Universität Wien. Zum Hintergrund: Kickl wuchs in Radenthein auf, Alberich ist der herrschsüchtige Zwerg in Richard Wagners Opernepos "Ring des Nibelungen". Hobelt schreibt außerdem: "Für die Wähler ist mit Kickls Abbruch der Regierungsverhandlungen jeder Grund entfallen, nochmals FPÖ zu wählen. Wozu soll man eine Partei wählen, zumindest auf Bundesebene, die ohnehin nur kneift, sobald sie die Chance erhält, ihre Vorstellungen umzusetzen."
"Keinen Sinn mehr, FPÖ zu wählen"
Im Ö1-"Morgenjournal" legte Höbelt am Montag nun nochmals nach: Die ÖVP sei über ihren Schatten gesprungen und habe Kickl als Kanzler akzeptiert. "Irgendwo muss dann auch die FPÖ nachgeben", so der Historiker. Das Innenministerium bringe innenpolitisch ohnehin wenig Raum. "Wenn man wegen so einer Marotte die Chance, Kanzler und Finanzminister zu haben und eine Regierung ohne Linke zu bieten, aufgibt, dann hat es keinen Sinn mehr, FPÖ zu wählen– wozu denn?", fragt Höbelt.
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