EU-Realitätscheck
Mythen der Europäische Union - was steckt dahinter
Im Laufe der Zeit haben immer mehr Mythen, Verschwörungstheorien und Witzgeschichten zur Europäischen Union die Runde gemacht. Wie bei allen Gerüchten werden auch die Halbwahrheiten zur "Beamtenhochburg Brüssel" durch die Medien und Mundpropaganda oftmals aufgebauscht. Doch was verbirgt sich tatsächlich hinter den Kulissen des Herzstückes der Europäischen Union? Hier sieben bekannte EU-Mythen und was wirklich dahinter steckt.
ÖSTERREICH. Absurde Regelungen, die niemand braucht. Innerhalb und außerhalb von Österreich kursieren verschiedene Vorurteile rund um die EU-Hauptstadt Brüssel.
Mythos Nr. 1: Regulierung bis ins kleinste Detail - die Gurkenkrümmungsverordnung
Eine der wohl weit verbreitetsten Mythen über die Europäische Union ist, dass die Beamten in der fernen EU-Hauptstadt Brüssel nichts Besseres zu tun hätten, als die maximale Krümmung für Salatgurken vorzuschreiben. Dieser Mythos ist nicht nur ein Paradebeispiel für realitätsferne Bürokratie, sondern auch ein "gefundenes Fressen" für EU-Kritikerinnen und Kritiker.
Richtig ist: Das unterhaltsame Beispiel der "Gurkenkrümmungsverordnung" zeigt, dass die Stadt Brüssel gern zum Sündenbock für Regulierungen gemacht wird. Diese Verordnung ist jedoch nicht auf "EU-Mist" gewachsen, sondern geht auf einen Vorschlag des Handels zurück. Die Idee dahinter ist, dass gerade Gurken viel platzsparender in Kartons verpackt werden können, als gekrümmte. Das macht den Transport leichter und senkt in weiterer Folge den Verkaufspreis von Gurken. Somit entstand auf Empfehlung des UN-Wirtschaftsausschusses für Europa die berüchtigte Gurkennorm von maximal zehn Millimeter Krümmung. Gurken, die dieser Norm nicht entsprachen, wurden trotzdem verkauft, jedoch einer anderen Handelsklasse zugeordnet. Aufgrund vieler Negativschlagzeilen wurde die Gurkenverordnung 2009 wieder abgeschafft.
Mythos Nr. 2: Highlife - Beamte in Brüssel leben in Saus und Braus
Das Klischee der aufgeblähten Anzugsträger, die im Büro in Brüssel ihre Füße hochlagern, bietet Gesprächsstoff für den ein oder anderen Zyniker. In der Gerüchteküche der EU brodelt, dass der Großteil der EU-Ausgaben für Personal und Verwaltung verbraten wird.
Richtig ist: Die Personalausgaben der EU betragen rund fünf bis sechs Prozent des Jahresbudgets. Mit rund 23.000 Beamten bzw. ingesamt rund 35.000 Bediensteten verzeichnet die EU-Kommission unter allen Institutionen bei weitem die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für die rund 500 Millionen EU-Bürger arbeiten insgesamt ca. 55.000 Personen verteilt im EU-Rat, Parlament, Kommission und EU-Gerichtshof. Von den sechs Prozent des jährlichen EU-Haushaltes fließt die Hälfte in Löhne und Gehälter. Über das Vorurteil, dass Brüsseler Beamte in Saus und Braus leben, lässt sich streiten. Das Grundgehalt der Kommissionsbeamten startet bei ca. 2.500 Euro im Monat. Nur einige wenige kommen auf das Höchstgehalt von rund 16.200 Euro. Die Gehälter von EU-Beamten unterliegen weiters einer Gemeinschaftssteuer, die direkt in den EU-Haushalt fließt.
Mythos Nr. 3: Die EU entscheidet im stillen Kämmerchen
Für einige Menschen sind die EU-Entscheidungsverfahren schwer nachzuvollziehen und verwirrend. Bei den unzähligen Institutionen und irreführenden Abkürzungen können sich viele EU-Bürgerinnen und Bürger nur wenig darunter vorstellen. Das sorgt für Misstrauen und Infragestellung der Transparenz.
Richtig ist: Das Prinzip ist eigentlich simpel: Die EU-Kommission darf als einzige europäische Institution Gesetze vorschlagen, die später von Rat und Europaparlament gemeinsam beschlossen werden. Diese Entscheidungen wirken sich auf den Alltag von Hunderten Millionen Menschen aus. Daher bemüht sich die EU so viel Transparenz an den Tag zu legen wie möglich, um die Kontrolle und Rechenschaftspflicht der EU-Organe zu gewährleisten. Seit 2008 existiert das Europäische Transparenzregister, indem sich Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter freiwillig eintragen können. Zudem hat die Öffentlichkeit Zugriff zu Dokumenten der Institutionen und Abstimmungsergebnissen.
Mythos Nr. 4: Brüssel als politisches Abstellgleis
Wer politisch unbrauchbar geworden ist, wird ins entfernte Brüssel-Nirwana verräumt. Lange kursierte das Vorurteil, dass unliebsam gewordene Politikfunktionäre in die EU-Hauptstadt abgeschoben werden. Eine Versetzung nach Brüssel hat dem zufolge zwei Gründe: Loser oder Pensionist.
Richtig ist: Die Zeiten, wo Ex-Minister nach Brüssel geschickt wurden, sind längst überholt. Heute braucht es in den Institutionen der Europäischen Union vor allem innovative kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute gilt ein Job in Brüssel als prestigeträchtig und hilft, in der Karriereleiter vorwärts zu kommen. Politisch interessierte Berufseinsteiger kommen an einem mehrmonatigen Praktikum in Brüssel kaum mehr vorbei. In der EU-Hauptstadt befinden sich etwa 5.000 junge Praktikantinnen und Praktikanten aus ganz Europa, die Teil des politischen Großlabors EU sind.
Mythos Nr. 5: Österreich zahlt zu viel
Österreich zählt zu den zehn EU-Ländern, die mehr ins gemeinsame EU-Budget einzahlen, als sie an Mitteln zurückbekommen. Das scheint im Vergleich zu den anderen Mitgliedsstaaten sehr unfair. Doch wer auf die Daten und Fakten schaut, merkt schnell, dass es sich hierbei um ein Märchen handelt.
Richtig ist: Gerade Österreich profitiert enorm vom EU-Binnenmarkt und den EU-Regionalförderungen. Die EU vergibt ingesamt Förderungen in drei Bereichen: Landwirtschaft, Strukturfonds und den sogenannten internen Politiken der EU (z. B. Bildung, Jungend, Kultur, Umwelt, usw.). Österreich konnte bereits in den ersten Jahren der EU-Mitgliedschaft rund 1,62 Milliarden Euro an Förderungen ausschöpfen und etwa 97 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Weiters gehen 70 Prozent der österreichischen Exporte in andere EU-Länder.
Mythos Nr. 6: Die EU senkt Österreichs hohe Umweltstandards
Um Luftverschmutzung und dreckige Flüsse in den Ländern einzudämmen, müssen einheitlich geltende Regeln geschaffen werden. Man munkelt, dass Österreich dabei seine hohen Umweltstandards zurückschrauben muss, um den gemeinsamen EU-Umweltvorschriften gerecht zu werden.
Richtig ist: Die EU-Umweltstandards gehören zu den höchsten der Welt. Gerade in Sachen Klimaschutz kann nur ein gemeinsames Vorgehen zielführend sein. Daher hat die Europäische Union in den vergangen Jahren die Umweltvorschriften nochmals verschärft. Dabei zählt Österreich im Thema Ökologie zu den führenden Ländern Europas. Die meisten EU-Richtlinien stellen Mindeststandards dar. Aus diesem Grund ist die Annahme, dass die EU hohe Umweltstandards auf nationaler Ebene nicht zulassen würde, falsch.
Mythos Nr. 7: EU-Vorschriften verbieten uns, Marmelade zu sagen
Die EU-Vorschriften schreiben Österreich vor, die Marmelade im Ausland als "Konfitüre" zu verkaufen. Die angeblich verlangte EU-Regelung, "Konfitüre" anstatt des heimischen Ausdruckes "Marmelade" zu verwenden, hat das Fass vieler Österreicherinnen und Österreicher zum Überlaufen gebracht.
Richtig ist: Dieses Gerücht hat nichts mit Brüssel, sondern mit einer Etikettierungsvorschrift für den Handel zu tun. Jeder darf natürlich sagen, was er will. Nach der 2001 eingeführten Richtlinie muss der Handel für Brotaufstriche, die nicht mindestens 20 Prozent Zitrusfruchtanteil enthalten, die Etikettierung "Konfitüre" für den Export tragen. Innerhalb von Österreich gilt weiterhin für alle Fruchtgelee-Gläser der Name Marmelade.
Das könnte dich auch interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.